Reaktionen auf Silvester-Krawalle
Wenige Wochen vor der Wiederholungswahl in Berlin positionieren sich die Parteien insbesondere zum Thema Silvesterkrawalle. FDP-Spitzenkandidat Czaja will eine stärkere Justiz, die Regierende Bürgermeister wehrt sich gegen Vorwürfe aus Bayern.
Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht wehrt sich Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gegen die Kritik von CSU-Chef Markus Söder, Berlin entwickle sich zu einer Chaosstadt.
"Wenn in einer fast Vier-Millionen-Metropole 145 Chaoten Mist bauen, kann man nicht daraus folgern, dass alle anderen Einwohner hier auch Chaoten sind", sagte die SPD-Politikerin der "Berliner Zeitung" (Samstag). "Auch Bayern hat vor der eigenen Tür einiges zu kehren, zum Beispiel in Sachen Reichsbürgertum. Ich gebe Herrn Söder ja auch keine Ratschläge."
Giffey hatte in dieser Woche einen Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Die Vorfälle in der Silvesternacht hatte Giffey am Mittwoch im rbb "absolut unakzeptabel und zu verurteilen und konsequent zu verfolgen" genannt. Als Antwort auf die "massive Respektlosigkeit" und die Gewalt brauche es einen "Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal", forderte Giffey im rbb24 Inforadio.
In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin.
Der bayerische Ministerpräsident hatte nach den Ausschreitungen gesagt: "Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaosstadt - beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann."
In der Debatte um die Ausschreitungen forderte der FDP-Spitzenkandidat für die Wiederholungswahl des Berliner Abgeordnetenhauses, Sebastian Czaja, mehr Personal und eine bessere Ausstattung für die Justiz gefordert.
Czaja sagte am Samstag im rbb24 Inforadio, die "Vollzugsdefizite" müssten schnell abgestellt werden. "Das erleben wir ja nicht nur jetzt in einer Silvesternacht, sondern das erleben wir ja auch am 1. Mai und an anderen Tagen in Berlin", so der FDP-Spitzenkandidat. "Und deshalb ist das etwas ziemlich Grundsätzliches." Nötig seien eine schnelle Bestrafung, eine auch personell stärkere Justiz und eine bessere Zusammenarbeit mit der Innenbehörde.
Auf der Suche nach den Ursachen spielten Migration und vor allem Integration "eine sehr entscheidende Rolle", betonte Czaja weiter. Es gehe dabei auch um das Bildungssystem und Aufstiegsmöglichkeiten. "Egal, wer in diesem Land sich nicht an das Regelwerk hält, egal, welcher Herkunft, egal, welcher Nationalität, der muss erfahren, dass es einen funktionierenden Rechtsstaat gibt", sagte Czaja. "Und wir müssen auf der anderen Seite eine ordentliche Integrationsarbeit machen."
Zuvor hatte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) in der Debatte vor Aktionismus gewarnt. Zu Plänen von SPD-Innensenatorin Spranger, jetzt schnell tausende Einsatzkräfte mit Körperkameras auszustatten, sagt Kreck im Interview mit dem rbb: "Ich glaube, dass wir nicht in einen Aktionismus verfallen sollten, der uns in einer Form von Sicherheit wiegt, dass solche Taten nicht mehr stattfinden, wenn wir Maßnahme x oder y ergreifen. Die Situation ist deutlich komplexer."
Kreck will zunächst das Ergebnis des laufenden Pilotversuchs mit den Bodycams bei Polizei und Feuerwehr abwarten, die Endauswertung ist für kommendes Jahr geplant. Dagegen haben Innensenatorin Spranger und die Regierende Bürgermeisterin Giffey die klare Erwartung, schnellstmöglich 4.000 Körperkameras in den Einsatz zu bringen, ohne dass sich Linke und Grüne querstellen.
Für die Berliner Grünen hatte deren Spitzenkandidatin Bettina Jarasch im rbb24 Inforadio betont, vor allem im Jugendstrafrecht müssten schnell Strafen auf die jeweiligen Taten folgen. Für den Umgang mit Jugendgewalt seien klare Grenzen und Perspektiven wichtig.
Jarasch betonte zudem, dass aus ihrer Sicht der Migrationshintergrund vieler Tatverdächtiger für die Problemlösung keinen Unterschied mache. "Die Täter haben zu zwei Drittel Migrationshintergrund, das entspricht ungefähr auch insgesamt der Jugend in Berlin", sagte die Grünen-Politikerin. "Diese Jugendlichen, die nächste Berliner Generation, hat überwiegend Migrationshintergrund. Daran sollten sich alle mal gewöhnen."
Kritik für Giffeys Vorstoß kam von der CDU. "Statt konkret das Gewaltproblem in der Silvesternacht anzupacken, will es Frau Giffey bei warmen Worten auf einem Gipfel zur Jugendkriminalität belassen", erklärte am Mittwoch CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner.
Wegner forderte konkrete Hilfe für die Berliner Polizei und "die volle Stärke des Rechtsstaats" für die Täter. "Wie weit wir mit Kuschelpädagogik und Gesprächskreisen gekommen sind, haben wir in der Silvesternacht gesehen", ergänzte er. Die Berliner CDU forderte zudem vom Innenausschuss die Bekanntgabe der Vornamen der deutschen Tatverdächtigen.
Die Spitzenkandidatin der Berliner AfD, Kristin Brinker, sagte mit Blick auf die Staatsangehörigkeit der Gewalttäter: "Ein Teil sind Deutsche, aber wir wissen ja noch gar nicht, ob sie vor kurzem erst eingebürgert worden sind oder ob sie gebürtige Deutsche sind. Wenn solche jungen Straftäter tatsächlich auch die doppelte Staatsbürgerschaft haben, dann kann man auch den Weg mal gehen, jemanden zu entbürgern, auszubürgern. Warum denn nicht?" Zudem forderte sie ein härteres Durchgreifen des Staates.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.01.2023, 7:25 Uhr
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