Pauschales Kopftuchverbot nicht rechtens
Das Land Berlin kann Lehrerinnen nicht pauschal das Tragen eines Kopftuchs verbieten. So sagt es das Bundesverfassungsgericht. Der Senat will nun das Neutralitätsgesetz ändern. Das will auch die CDU - aber mit einem anderen Ziel.
Der Senat will sich das Berliner Neutralitätsgesetz, das Lehrerinnen pauschal das Tragen von
Kopftüchern verbietet, noch einmal vornehmen. Das teilte ein Sprecher am Donnerstag auf Nachfrage mit.
Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht schon Mitte Januar eine Beschwerde des Landes Berlin gegen ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen hat, wie ein Sprecher des Karlsruher Gerichts am Mittwochabend mitteilte.
Das Neutralitätsgesetz untersagt Lehrkräften und anderen Pädagogen an öffentlichen Berliner Schulen das Tragen religiöser Symbole im Dienst. Das kann ein Kopftuch sein, aber auch ein Kreuz oder eine Kippa.
Die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hat vorgeschlagen, das Neutralitätsgesetz ganz abzuschaffen. Das sagte sie am Donnerstag dem rbb. Die Abschaffung des seit 2005 gültigen Gesetzes sei "zeitgemäß", so Kreck. "Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft, und die staatliche Neutralität wird nicht darüber hergestellt, dass einzelne Kleidungsstücke verboten werden." Es gelte, Stigmata und Rassismen zurückzudrängen, so Kreck. "Eine Frau mit Kopftuch wird in gleicher Weise einen wunderbaren Staatsdienst vollbringen können, wie eine Person ohne Kopftuch."
Allerdings gebe es dazu bislang noch keine Entscheidung des Senats, die Linken-Politikerin. Klar sei derzeit auch nur, dass es ein pauschales Kopftuchverbot im Schuldienst nicht mehr geben dürfe. Für andere Bereiche des öffentlichen Dienstes sei die Sache weniger eindeutig. Allerdings habe man zum Beispiel in der Justiz keine schlechten Erfahrungen gemacht, wenn etwa Referendarinnen ihren Dienst mit Kopftuch versehen, so Kreck. "Da würde ich gerne prüfen, ob wir weiter gehen können."
Man werde die Entscheidung respektieren, sagte dagegen Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag dem rbb. "Das bedeutet, dass wir über die Veränderung des Gesetzes sprechen." Der Senat werde sich "zeitnah" damit befassen, so Giffey. Sie selbst hatte das Gesetz in der Vergangenheit wiederholt verteidigt. Als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin gehörte sie zu den ersten Unterzeichner:innen eines Aufrufs der Initiative "Pro Neutralitätsgesetz".
Die von der SPD geführte Bildungsverwaltung, die die Verfassungsbeschwerde vorangetrieben hatte, verwies auf den Koalitionsvertrag von 2021. Darin hatten sich SPD, Grüne und Linke bereits darauf geeinigt, das Neutralitätsgesetz gegebenenfalls anzupassen.
Auf die Koalitionsvereinbarung wies am Donnerstag auch die Sprecherin für Antidiskriminierung der Linksfraktion, Elif Eralp, hin. "Das durch das Neutralitätsgesetz bewirkte Bekleidungsverbot für Lehrpersonal an öffentlichen Schulen muss sofort abgeschafft werden." Frauen müssten beim Zugang zu Berufen des öffentlichen Dienstes die gleichen Chancen haben wie alle anderen auch. "Das Neutralitätsgesetz in seiner jetzigen Form verdrängt Frauen aus dem öffentlichen Leben."
Die Sprecherin für Antidiskriminierung der Grünen, Tuba Bozkurt, ergänzte, es sei an der Zeit, dass muslimische Frauen in Berlin nicht länger von Staats wegen diskriminiert würden. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein großer Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft, eine große Erleichterung in religiösen Communities."
Eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission hatte in einem im September 2022 vorgelegten Bericht unter anderem beklagt, dass das Neutralitätsgesetz die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch ohne sachliche Rechtfertigung fördere.
Das seit 2005 gültige Gesetz hat immer wieder zu Diskriminierungsklagen von Bewerberinnen für das Lehramt und zu Entschädigungszahlungen geführt. So hatte das Bundesarbeitsgericht im August 2020 einer Muslimin, die wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst übernommen worden war, eine Entschädigung von rund 5.159 Euro zugesprochen, weil sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei. Es bestätigte damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom November 2018, gegen die das Land in Revision gegangen war.
Die Berliner CDU will hingegen am Verbot religiöser Symbole im Unterricht festhalten. Nach dem Beschluss fordert die Partei eine Novellierung des Neutralitätsgesetzes. Das Votum der Karlsruher Richter sei ein klarer Auftrag, "dieses Gesetz so fortzuentwickeln, das es rechtssicher wird", erklärte die kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Cornelia Seibeld. Es könne nicht geduldet werden, "wenn religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch in staatlichen Einrichtungen demonstrativ zur Schau gestellt werden". Dies würde den Frieden und Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden, so Seibeld.
Seibeld kritisierte, es sei der Koalition von SPD, Grünen und Linken über Jahre nicht gelungen, eine gemeinsame Linie zum Berliner Neutralitätsgesetz zu finden. "Wir sehen diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als klaren Auftrag, dieses Gesetz so fortzuentwickeln, dass es rechtssicher wird."
Die AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sagte, religiöse Bekundungen hätten in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden wie Verwaltungen und Gerichten nichts zu suchen. "Der Senat muss jetzt eine rechtlich einwandfreie Möglichkeit finden, das Neutralitätsgesetz zu erhalten und Schüler vor religiöser Indoktrination zu bewahren."
Die AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sagte, religiöse Bekundungen hätten in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden wie Verwaltungen und Gerichten nichts zu suchen. "Der Senat muss jetzt eine rechtlich einwandfreie Möglichkeit finden, das Neutralitätsgesetz zu erhalten und Schüler vor religiöser Indoktrination zu bewahren."
Im Berliner Neutralitätsgesetz heißt es unter anderem, Lehrkräfte dürften in öffentlichen Schulen keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits im August 2020 einer Kopftuch tragenden Muslimin, die nicht in den Schuldienst übernommen worden war, eine Entschädigung von rund 5159 Euro zugesprochen, weil sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei. Es bestätigte damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom November 2018, gegen die das Land Berlin in Revision gegangen war. Nach dieser erneuten juristischen Niederlage hatte die damalige SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres dafür plädiert, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Im Berliner Neutralitätsgesetz heißt es unter anderem, Lehrkräfte dürften in öffentlichen Schulen keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits im August 2020 einer Kopftuch tragenden Muslimin, die nicht in den Schuldienst übernommen worden war, eine Entschädigung von rund 5159 Euro zugesprochen, weil sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei. Es bestätigte damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom November 2018, gegen die das Land Berlin in Revision gegangen war. Nach dieser erneuten juristischen Niederlage hatte die damalige SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres dafür plädiert, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Sendung: rbb24, 02.02.2023, 13:00 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen