Verbeamtung angestellter Lehrer
Berlin braucht Lehrer. Um attraktiv für sie zu sein, verbeamtet das Land nach langer Zeit wieder. Für neue Lehrkräfte geht das seit letztem Jahr, nun wird die Verbeamtung auch für viele bisher angestellte Lehrer möglich. Doch viele bleiben außen vor. Von Kirsten Buchmann
Nach fast zwei Jahrzehnten Pause will Berlin angestellte Lehrerinnen und Lehrer wieder verbeamten. 2004 war die damalige rot-rote Koalition aus der Lehrkräfteverbeamtung ausgestiegen – in Zeiten knapper Kassen. Verbeamtete Lehrer seien wegen der späteren Pensionslasten teurer als angestellte Pädagogen, so das Argument.
Die Erwartung Berlins lautete damals, auch andere Bundesländer würden von der Lehrerverbeamtung abrücken. Als schließlich jedoch Sachsen 2019 wieder zur Verbeamtung zurückkehrte, stand Berlin als einziges Bundesland da, das seine Lehrkräfte nicht verbeamtete.
Bundesländer wie Hessen oder Brandenburg lockten mit der Verbeamtung und warben Lehrkräfte aus Berlin ab. Pro Jahr kehrten 500 bis 700 von ihnen der Hauptstadt den Rücken – was die Diskussionen um die Verbeamtung auch in Berlin anheizte.
Angesichts des Lehrerbedarfs an den Schulen erklärte Bildungssenatorin Sandra Scheeres 2019, die Verbeamtung werde "ergebnisoffen" geprüft. Die damalige Bildungsexpertin der oppositionellen CDU-Fraktion, Hildegard Bentele, fand: "Berlin kann es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen ausgebildeten Lehrer ziehen zu lassen."
Die Probleme spitzten sich zu: Eine gewaltige Pensionierungswelle, aber zu wenige Lehramtsabsolventen an den Hochschulen, das führte zu einem Lehrermangel in Berlin. So bildeten fertig ausgebildete Pädagogen unter den im Sommer 2019 neu Eingestellten die Minderheit. Rund zwei Drittel waren dagegen Quer- und Seiteneinsteiger. Vor diesem Hintergrund sprach sich der SPD-Landesparteitag im Oktober 2019 für die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung aus. Denn nur so könne Berlin Lehrer an sich binden. Befürworter in der Partei hatten zudem schon länger argumentiert, dass Schluss sein müsse mit der Ungleichheit für Lehrerinnen und Lehrer etwa bei der Altersversorgung oder bei der Fortsetzung der Zahlung im Krankheitsfall.
Was folgte, war ein langes Hick-Hack. In ihrem Wahlprogramm 2021 pochte die Linke darauf, nicht zu verbeamten, denn die Verbeamtung sei "nicht geeignet, den Lehrermangel zu beheben". Schulleiterverbände dagegen schlugen Alarm: Ohne die Verbeamtung sei es schwer, ausgebildete Lehrkräfte zu finden.
Nach der Abgeordnetenhaus-Wahl 2021 einigten sich SPD, Grüne und Linke in ihrem Koalitionsvertrag, Lehrkräfte wieder zu verbeamten.
Neu eingestellte Lehrerinnen und Lehrer können sich seit dem Sommer vergangenen Jahres wieder verbeamten lassen. Mit dem Parlamentsbeschluss vom Donnerstag gilt das auch für bisher angestellte Lehrkräfte bis zu ihrem 52. Lebensjahr. Lehrkräfte, die in diesem Schuljahr 52 werden, fallen ebenso unter die Regelung.
Die Bildungsverwaltung geht davon aus, dass rund 16.000 bisher angestellte Lehrkräfte verbeamtet werden können. Einer von ihnen ist der 33-jährige Frederik Botthof. Dass Berlin ihn und viele andere angestellten Lehrkräfte verbeamten will, freut den Musik-, Ethik- und Philosophielehrer: "Für mich ist das große Thema Sicherheit wichtig, also die Jobsicherheit, natürlich auch die Pension, vor allem aber der Aspekt, wenn man eine Familie gründen will." Zugleich empfindet er die Verbeamtung als Ausdruck von Wertschätzung für Lehrkräfte, "dass sie vielleicht in der Gesellschaft wieder als ein bisschen wichtiger angesehen werden." Mit Wehmut denke er zugleich auch an die, die nicht Beamte werden.
Denn rund 5.000 Berliner Lehrkräfte erfüllen die Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht – weil sie die Altersgrenze überschritten haben oder auch den Gesundheitstest nicht bestehen. Zu alt ist auch Ilka Steinert. Seit mehr als 16 Jahren unterrichtet sie Englisch und Deutsch an einem Oberstufenzentrum, und zwar leidenschaftlich gerne, wie sie sagt. "Gleichzeitig werde ich mich wahrscheinlich oft daran erinnern, dass andere für den gleichen Job wesentlich bessere Konditionen haben." Als bitter und demotivierend empfindet die Lehrerin das für sich und andere ihrer Altersgruppe: "Der Appell an die Politik: sich in unsere Lage zu versetzen, wie sich das anfühlt für Kollegen, die jahrelang alles gegeben haben, jetzt so als B-Ware gelabelt zu werden."
Sie engagiert sich deshalb in der Initiative "Fairbeamtung 52+". Ilka Steinert findet, die Politik müsse die Unterschiede besser ausgleichen. Statt der vom Land beschlossenen 300 Euro müsse es 900 Euro im Monat als Kompensation für angestellte Lehrkräfte geben. Das fordert auch nach wie vor die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie pocht darauf, falls es nach der Wiederholungswahl zu einer Neuauflage der rot-grün-roten Koalition kommt, die Kompensationshöhe nachzuverhandeln.
Mit Spannung wird insgesamt erwartet, wie viele Lehrerinnen und Lehrer die heutige Parlamentsentscheidung zum Bleiben bewegt oder nach Berlin zieht. Aktuell sind an Berliner Schulen rund 1.000 Lehrerstellen nicht besetzt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.02.2023, 18:30 Uhr
Beitrag von Kirsten Buchmann
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