Umwidmung von Lehrerstellen
Mit 200 Assistenzstellen sollen Brandenburgs Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Der Haken: Dafür müssen Stellen umgewidmet werden. Das wird Einsparungen zur Folge haben, gegen die sich großer Widerstand formiert. Von Lisa Steger
Schon nach den Sommerferien könnte in Brandenburgs Bildungsbereich der Rotstift geschwungen werden. Einsparungen drohen nach rbb-Informationen bei Angeboten, die keine Pflicht sind - beispielsweise jahrgangsübergreifender Unterricht, das Lernen in geteilten Klassen mit unterschiedlichen Anforderungen und der Förderunterricht.
Ulrike Mauersberger, Sprecherin des Landeselternrats und zweifache Mutter, hält das für fatal. "Unter Umständen wird die Bildungsschere in den Klassen weiter, das beeinträchtigt die Inklusion", sagt die Wandlitzerin. Sie sei davon überzeugt, dass die Leistungsunterschiede immer größer würden. Damit wachse auch "die Unruhe in den Klassen". Es habe sich bewährt, Kinder, die mehr Unterstützung benötigen, in kleineren Gruppen gezielt zu fördern "und sie dann wieder in die Klasse hineinzugeben, wenn sie es gut verstanden haben", so Mauersberger.
Brandenburg muss für das nächste Schuljahr mindestens 1.800 Lehrkräfte einstellen, um freiwerdende Stellen zu besetzen. Es gibt aber zu wenige Bewerberinnen und Bewerber. Vor diesem Hintergrund weist das Bildungsministerium die Kritik an der Kürzung von Lehrerstunden bei den zusätzlichen Angeboten zurück.
Das Ministerium wolle nicht grundsätzlich in die Stundentafel eingreifen, sondern Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben entlasten und gezielter im Unterricht einsetzen, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.
Ziel sei, rund 200 Planstellen für Lehrkräfte für Schulassistenten und -sozialarbeit in Anspruch zu nehmen, sie also umzuwidmen. Dafür seien Spielräume bei der Bedarfsplanung genutzt worden.
Der Brandenburger Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, befürchtet, dass die geplanten Kürzungen vor allem die Grund- und Oberschulen treffen. Denn hier gebe es die meisten Kinder, die mehr Hilfe bräuchten, so der GEW-Chef. Außerdem: "Es gibt 800 Schulen, und wenn wir 200 Stellen für Verwaltungstätigkeiten erhalten, wird nicht jede Schule etwas abbekommen", rechnet Fuchs im rbb-Interview vor: "Es geht im Grunde genommen um eine Minusvariante." Für ihn ist der Plan des Ministeriums "eine Lösung zu Lasten der Schulen – zu Lasten der Kinder und der Lehrkräfte."
Der Gewerkschafter ist überzeugt, dass den Schulen besser geholfen wäre, wenn der Trend zur Frühverrentung gestoppt würde. "Wir haben das Ministerium aufgefordert, mit uns zu verhandeln. Es muss attraktiver werden, im System zu bleiben", so Fuchs. Sein Vorschlag: freiwillige Arbeitszeitkonten. "Wenn das gelingt, dann haben wir mehr Lehrerinnen und Lehrer im System und dann müssen diese Kürzungen nicht sein." Ein Arbeitszeitkonto bedeutet, dass ein Mitarbeiter vorübergehend mehr oder weniger arbeiten kann – die Bezahlung bleibt aber gleich.
Katrin Dannenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linken im Landtag, hat ausgerechnet, dass größere Schulen bis zu drei Vollzeit-Lehrerstellen einbüßen könnten: "Aber die Kinder sind ja da, sie müssen unterrichtet werden." Kinder, die Nachholbedarf hätten, beispielsweise die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen, "das sind die, die hinten runterfallen".
Die verbleibenden Lehrkräfte müssten demnächst entsprechend härter arbeiten, prophezeit Dannenberg, selbst studierte Lehrerin. "Es ist ein Unterschied, ob ich sechs Stunden am Tag mit 27 Kindern in einer Klasse unterrichte, oder ob ich zwischendurch mal kleinere Lerngruppen ermöglichen kann", sagt sie. "Wenn da jetzt noch mehr gekürzt wird, dann können wir damit rechnen, dass viele krank werden, aufgeben oder resignieren." Die Linken-Fraktion hat eine Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag beantragt. Ihr Ziel: den Plan zu stoppen.
Nach Angaben der Gewerkschaft GEW werden in den nächsten zehn Jahren rund 12.500 Lehrkräfte in Brandenburg in den Ruhestand gehen, das wären 60 Prozent des derzeitigen Personals. Mitte Februar hatte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) deshalb angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen. Lehrer, die mit 63 vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen – das sind derzeit 70 Prozent – sollen wenigstens einige Stunden pro Woche weiter unterrichten.
Mit den Gewerkschaften will Ernst besprechen, wie der hohe Anteil von Teilzeitkräften - derzeit 27 Prozent - gesenkt werden kann. Finanzielle Anreize sollen die Arbeit für pensionierte Lehrkräfte attraktiv machen. Und: Ältere Schüler sollen sich mehr Lernstoff zuhause aneignen.
Bereits jetzt kann der Schulbetrieb nur mit zahlreichen Seiteneinsteigern aufrechterhalten werden. In diesem Schuljahr machten sie 30 Prozent der neu eingestellten Lehrer aus.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.02.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Lisa Steger
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