rbb-Krise
Nach seinem Ausscheiden arbeitete Ex-Chefredakteur Singelnstein als Berater weiter für den rbb. Nun hat der Sender die Zahlungen dafür gestoppt - nach Kritik des Landesrechnungshofs Berlin. Von René Althammer, Jo Goll (rbb Rechercheteam) und Marcus Engert (NDR)
Eigentlich hatte sich Christoph Singelnstein im März 2021 in den Ruhestand verabschiedet. Doch gemeinsame Recherchen von NDR und dem rbb Rechercheteam ergaben im November 2022, dass der ehemalige Chefredakteur des rbb dank eines zusätzlichen Beratervertrags noch bis Ende April 2023 Gesamtbezüge in der Höhe seines Chefredakteursgehalts erhalten sollte.
Nach der Berichterstattung hatte der Landesrechnungshof den Vertrag geprüft und festgestellt, dass es in den vergangenen Monaten zu Zahlungen an Singelnstein kam, ohne dass diese durch rbb-Intendantin Vernau freigegeben worden waren. Katrin Vernau, so die rbb-Pressestelle, habe daraufhin die Überweisungen im Dezember 2022 gestoppt. Eine rechtliche Prüfung des Vertrags sei in Arbeit.
Der rbb hatte im Sommer 2020 mitgeteilt, dass Singelnstein im April 2021 in den Ruhestand treten würde. Die Mitteilung hatte damals viele überrascht, da sein Vertrag zuvor noch verlängert worden war. Zu den Gründen für das vorzeitige Aus hatte sich der Sender damals nicht geäußert.
Bei seiner offiziellen Verabschiedung in den Ruhestand ahnte kaum jemand, dass dem wohl ein "Goldener Handschlag" vorausgegangen war. Die im August 2022 fristlos gekündigte Ex-Intendantin wies bei Singelnsteins Abschied lediglich darauf hin, dass der umtriebige Chefredakteur dem Sender weiterhin beratend zur Seite stehen würde.
Dass Singelnstein vom rbb dafür zusätzlich zu seinem Ruhegeld (8.700 Euro monatlich) einen mit 6.300 Euro dotierten Beratervertrag erhielt, behielt die Senderspitze damals für sich. Konkret bedeutete das, dass er den Sender wohl genauso lange weiter beraten sollte wie sein ursprünglicher Vertrag als Chefredakteur lief – bis Ende April 2023.
Nachdem bekannt wurde, dass Christoph Singelnstein bis weit über seine Pensionierung hinaus in Summe rund 15.000 Euro monatlich vom rbb erhalten sollte, brach über den ohnehin schon krisengeschüttelten Hauptstadtsender erneut ein medialer Shitstorm herein. "So schön ist Ruhegeld" titelte genüsslich die FAZ, von einem "ausgefeilten Bereicherungssystem" war landauf landab die Rede. Die Aufregung über den "Schmuddelsender rbb" war groß.
Auch den Landesrechnungshof Berlin scheint die Berichterstattung nicht kalt gelassen zu haben. Nach Informationen des NDR und des rbb-Rechercheteams hat der Landesrechnungshof Berlin daraufhin den Vertrag überprüft und festgestellt, dass die Zahlungen formal durch die Intendantin hätten freigegeben werden müssen - was aber nicht geschehen ist.
Auf Anfrage teilte die neue Intendantin Katrin Vernau dazu mit, sie habe die Zahlungen an Singelnstein nach diesem Hinweis des Rechnungshofs Ende des Jahres 2022 gestoppt. Der rbb, so ist aus der rbb-Pressestelle zu erfahren, habe außerdem das Gespräch mit dem ehemaligen Chefredakteur gesucht. Dieser habe dann "den Verzicht von seiner Seite vorgeschlagen". Eine Anfrage zu den Vorgängen ließ Singelnstein bislang unbeantwortet.
Dass der Rechnungshof das Fehlen einer "entsprechenden Freigabe-Aufforderung" für die Zahlungen rügt, wirft weitere Fragen auf. Waren die Zahlungen für Singelnsteins Beratertätigkeiten rechtswidrig? Wer hat die monatlichen Zahlungen in Höhe von 6.300 Euro – verbucht als "Autor/sonstige Tätigkeit" – bis Dezember 2022 angewiesen und genehmigt?
Hinzu kommt eine weitere Auffälligkeit: Wie bei anderen leitenden rbb-Angestellten enthielt auch Singelnsteins Gehalt zuletzt einen sogenannten "leistungsabhängigen" Anteil, der nur dann ausgezahlt werden sollte, wenn bestimmte Zielvereinbarungen erreicht wurden.
Auffällig ist, dass Singelnstein bis Dezember 2022 Gesamtbezüge erhielt, die seinem letzten Gehalt inklusive eines solchen Bonus entsprachen. Legt man zugrunde, dass ein Teil seines Gehalts nur unter dem Vorbehalt ausgezahlt werden sollte, dass bestimmte Ziele auch erreicht werden, stellt sich die Frage, weshalb er offenbar die volle Summe erhielt.
Unterdessen haben am Freitag sowohl der Produktionsdirektor als auch der Verwaltungsdirektor des rbb nach Informationen von rbb24 eine fristlose Kündigung ihrer Arbeitsverträge erhalten. Der Grund für die Vertragsbeendigung soll eine Sonderzahlung von 1.700 Euro monatlich für den ARD-Vorsitz gewesen sein. Im Intranet des Senders bestätigte der rbb die Trennung von den beiden Direktoren, ohne weitere Details zu nennen.
rbb-Intendantin Kathrin Vernau sagte: "Das ist eine Zäsur und wird uns beim Neuanfang im rbb helfen." Die beiden Direktoren waren die letzten verbliebenen Führungskräfte aus der Geschäftsleitung der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger.
Zuvor hatte rbb24 exklusiv recherchiert, dass die Sonderzahlungen schon ab Juli 2021 für die beiden Direktoren des rbb gezahlt wurden, obwohl der Sender den ARD-Vorsitz erst ab dem 1. Januar 2022 übernahm. Laut Arbeitsvertrag des Produktionsdirektors und des Verwaltungsdirektors waren nach rbb24-Informationen mit den außertariflichen Gehaltszahlungen "alle Tätigkeiten für den Sender und Aufsichtsratsfunktionen abgegolten", die Sonderzahlungen somit unrechtmäßig.
Mit Informationen von Gabi Probst
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.02.2023, 12:00 Uhr
Beitrag von René Althammer, Jo Goll (rbb) und Marcus Engert (NDR)
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