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Quelle: dpa/L.Mirgeler

Fragen und Antworten

Worum es bei der Sozialwahl 2023 geht

Viele Menschen in Berlin und Brandenburg bekommen derzeit Wahlunterlagen zur Sozialwahl 2023. Oft werden die Schreiben gar nicht groß beachtet oder landen im Müll. Dabei eröffnet die Wahl Möglichkeiten, von denen kaum jemand etwas weiß. Von Frank Preiss

In diesen Tagen landen in Millionen von Briefkästen Wahlunterlagen der Deutschen Rentenversicherung zur Sozialwahl 2023. Mit mehr als 52 Millionen Wahlberechtigten ist sie nach der Europa- und Bundestagswahl die drittgrößte Wahl in Deutschland. Und doch wissen wohl nur die Wenigsten, worum es dabei eigentlich geht.

Entsprechend niedrig lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Sozialwahl im Jahr 2017: Lediglich rund 30 Prozent der Wahlberechtigten nutzten ihr Stimmrecht für eine Mitbestimmung der Geschicke ihrer Versicherungen. In den 1990er Jahren lag sie noch bei über 40 Prozent. Um die Wahlbeteiligung zu steigern, wollen die gesetzlichen Krankenkassen erstmals eine Online-Wahl ermöglichen.

Fragen und Antworten zur Sozialwahl 2023, die noch bis Ende Mai läuft:

Worum geht es bei der Sozialwahl 2023?

Rund 52 Millionen Versicherte und Rentnerinnen und Rentner entscheiden bei der Sozialwahl darüber, wer sie in der Rentenversicherung und bei den gesetzlichen Krankenkassen (TK, Barmer, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse) in den Versicherungsparlamenten vertritt. Mit Versicherungsparlamenten gemeint, sind die jeweiligen Gremien der Versicherungen. Bei der DRV und der gesetzlichen Unfallversicherung werden Vertreterversammlungen gewählt, bei den Krankenkassen geht es um die Verwaltungsräte.

Allein bei den Ersatzkassen werden seit April 2023 rund 22 Millionen wahlberechtigte Versicherte aufgefordert, ihre Stimme für ihre Vertreterinnen und Vertreter abzugeben. Sie sind selbst Mitglieder der jeweiligen Versicherung und üben ihr Amt ehrenamtlich aus.

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Was können diese Gremien bewegen?

Sie beschließen etwa den Haushalt der jeweiligen Versicherung und entscheiden damit über die Verwendung von Beitragsgeldern. Grundsätzlich verstehen sich die Versicherungsparlamente auch als Interessenvertretung und Sprachrohr ihrer Mitglieder auf gesundheitspolitischer Ebene.

Zudem gestalten die Gremien das Leistungsangebot der jeweiligen Versicherung, beispielsweise im Bereich der Rehabilitation der Rentenversicherung. Und sie sollen dafür sorgen, dass den Versicherten ein ansprechender Service geboten wird, beispielsweise durch Ansprechpartner vor Ort, mit denen Anträge und Widersprüche auch kurzfristig besprochen werden können. Wo in Berlin und Brandenburg diese Berater zu finden sind, zeigt eine Karte auf der Internetseite soziale-selbstverwaltung.de.

Zudem entscheidet die Vertreterversammlung über einen Widerspruch gegen einen Bescheid der Rentenversicherung, wenn man mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist. Sie kontrolliert zudem, dass die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber korrekt verwendet werden.

Bei den Ersatzkassen ist der Verwaltungsrat auch an vielen Entscheidungen beteiligt, die Versicherte direkt betreffen: Er beschließt Satzungsleistungen wie zum Beispiel Bonusprogramme oder Wahltarife, verantwortet wichtige Finanzentscheidungen und wählt die Mitglieder der Widerspruchsausschüsse.

Somit wirken die Versichertenparlamente bei Entscheidungen mit, die sich unmittelbar auf Leistungen und Finanzierung auswirken. Und sie sind dafür verantwortlich, dass sich die Versicherungsträger im täglichen Geschäft und bei der Umsetzung von Gesetzen an den Interessen und Bedürfnissen der Versicherten orientieren.

INFOBOX

Geschichte der Sozialwahl

Wann wird gewählt?

Die Wahlunterlagen werden seit dem 20. April 2023 versandt, Wahltag ist der 31. Mai. Bis dahin müssen die Wahlunterlagen zurückgeschickt werden.

Bei der Sozialwahl handelt es um eine reine Briefwahl, es gibt keine Wahllokale. Alternativ bieten in diesem Jahr die Ersatzkassen erstmals die Möglichkeit einer Online-Wahl an. Dazu später mehr.

Wer ist wahlberechtigt?

Wahlberechtigt bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sind Versicherte, die am 1. Januar 2023 das 16. Lebensjahr vollendet haben, sowie Rentner.

Bei den Ersatzkassen kann jeder mitwählen, der dort versichert ist, selbst Beiträge zahlt und das 16. Lebensjahr vollendet hat. Azubis dürfen damit wählen, familienversicherte Studentinnen und Studenten aber nicht.

Auch im Ausland lebende Personen können wählen. Wahlberechtigte, die in den Staaten der Europäischen Union sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und in der Schweiz leben oder arbeiten, werden angeschrieben. Alle anderen können die Teilnahme an der Wahl vorher im Wahlbüro der DRV, 10704 Berlin beantragen.

Wie läuft die Sozialwahl ab?

In diesen Tagen erhalten die Wahlberechtigten die Wahlunterlagen automatisch per Post, dafür muss man nichts tun. Auf dem Stimmzettel kann man ein Kreuz setzen, danach wird er in den roten bereits frankierten Umschlag gelegt und bis zum 31. Mai 2023 wieder zurückgeschickt.

Versicherte der Ersatzkassen können bei dieser Wahl auch erstmals online wählen. Wie genau das funktioniert, darüber informieren die Versicherungen auf ihren jeweiligen Internetseiten.

Die Sozialwahl 2023 ist barrierefrei: Alle Sozialversicherungsträger bieten blinden und sehbehinderten Wählern Hör-CDs, Wahlschablonen in Brailleschrift sowie barrierefreie Internetauftritte an.

Bei welchem Versicherungsträger kann ich wählen?

Für die Versicherten gilt: bei dem Versicherungsträger, bei dem man versichert ist. Theoretisch könnte man als Versicherter an drei Wahlen teilnehmen:

• bei der eigenen Rentenversicherung,
• bei der eigenen Krankenkasse,
• bei der zuständigen Unfallversicherung.

Für Arbeitgeber gilt: bei all den Versicherungsträgern, bei denen die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versichert sind. Sind diese zum Beispiel in 15 verschiedenen Krankenkassen versichert, könnte der Arbeitgeber an den Wahlen von allen 15 Krankenkassen teilnehmen.

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Wen kann ich wählen?

Bei der Sozialwahl stellen sich keine politischen Parteien, sondern Listen mit Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Die Personen in den Listen sind selbst Versicherte. Gewählt werden keine Einzelpersonen, sondern Wahllisten. Je mehr Stimmen eine Wahlliste erhalten hat, desto mehr Vertreter kann sie in die jeweiligen Gremien schicken.

Zur Wahl stehen Kandidatinnen und Kandidaten vor allem von Arbeitnehmerorganisationen, darunter Gewerkschaften. Es können sich aber auch Versicherte zu "freien Listen" zusammenschließen und antreten.

Bei den Arbeitgebern sind es in erster Linie Arbeitgeber-Organisationen. Aber auch dort können sich "freie Listen" bilden.

Unter den Kandidatinnen und Kandidaten sind auch acht aus Berlin und Brandenburg. Zu den prominentesten gehören dabei die Berlinerin Dagmar König (Mitglied im Verdi-Bundesvorstand), der Berliner Jan Otto (Geschäftsführer der IG Metall Berlin) sowie der Potsdamer Ronald Krüger,(Vorstandsmitglied des DRV Bund).

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Wie entscheide ich, wen ich wählen soll?

Da es keinen Wahlkampf gibt, müssen sich die Wahlberechtigten vorab selbst informieren, wofür welche Liste steht. Die Versicherungsträger sind verpflichtet, den kandidierenden Listen Selbstdarstellungsmöglichkeiten einzuräumen.

Informationen findet man in den Mitgliederzeitschriften und auf den Internetseiten der Versicherungsträger. Viele Listen haben auch eigene Internetauftritte.

Welche Listen stehen zur Wahl – und worin unterscheiden sie sich?

Bei jeder Krankenkasse stehen unterschiedlich viele Listen zur Wahl. Hier findet sich eine Übersichtsseite zu den unterschiedlichen Listen [sozialwahl.de]. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund treten zum Beispiel folgende 13 Listen zur Wahl an:

BfA DRV-Gemeinschaft - Die Unabhängigen - Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner in der Deutschen Sozialversicherung e. V.
Verdi – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
TK-Gemeinschaft, unabhängige Versichertengemeinschaft
Barmer Versicherten-Gemeinschaft - Die Unabhängigen
• Industriegewerkschaft Metall – IG Metall
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Deutschlands e.V. / Kolpingwerk Deutschland / Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen e.V.
DAK-VRV e.V.
DAK Mitgliedergemeinschaft e.V. – gewerkschaftsunabhängig
DBB Beamtenbund und Tarifunion
KKH-Versichertengemeinschaft e.V.
Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschlands – CGB
Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS)
Barmer Interessenvertretung der Versicherten

Die jeweiligen Listen setzen grundsätzlich ähnliche Schwerpunkte, vor allem bei den Themen Rentenentwicklung, Renteneintrittsalter, Rehabilitationsangebote für Berufstätige, Pflege und soziale Gerechtigkeit.

Allerdings setzen die Listen teils unterschiedliche Prioritäten. Während z.B. die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) ein Existenzminimum für alle sowie mehr Reha-Angebote für Post- und Long-Covid-Patienten fordert, setzt die DAK-VRV zwar auf Digitalisierung, "aber ohne Überforderung der Versicherten", wie es in der Selbstdarstellung heißt. Der DBB stellt in seiner Präsentation in den Mittelpunkt, dass die Regelaltersgrenze nicht weiter angehoben werden dürfe. Vielmehr gehe es um "einen gleitenden und flexiblen Übergang aus dem Erwerbsleben".

Die Kernpunkte aller 13 Listen hat die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Internetseite zusammengestellt.

Bei den Krankenkassen TK, BARMER, DAK-Gesundheit, KKH und hkk treten jeweils eigene Listen an. Für jede Krankenkasse gibt es zudem unterschiedlich viele Listen, die sich zur Wahl aufgestellt haben. Auf dieser Internetseite [sozialwahl.de] gibt es eine Übersicht zu den Listen, die bei den jeweiligen Krankenkassen antreten.

Wann steht das Wahlergebnis fest?

Direkt nach Ablauf des Wahltermins beginnt die Ermittlung des Wahlergebnisses. Dabei wird nach dem Verhältniswahlrecht verfahren. Außerdem werden nur Listen berücksichtigt, die mindestens 5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben.

Da die Zahl der Wahlberechtigten bei den Sozialversicherungsträgern unterschiedlich hoch ist, dauert die Stimmenauszählung unterschiedlich lange. Spätestens zwei Wochen nach Ende des Wahlgangs sind jedoch in der Regel alle Stimmen ausgezählt.

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 17. Februar 2023.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.02.2023, 10:25 Uhr

Beitrag von Frank Preiss

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