Geplanter Stadion-Neubau
Noch immer wartet Hertha BSC auf grünes Licht für sein geplantes neues Stadion. Bislang hat die Politik eher gemauert, nun könnte es bald eine neue Regierung geben. In den Koalitionsverhandlungen ist das Hertha-Stadion bereits Thema. Von Sebastian Schöbel
Eigentlich müssten im Olympiapark längst die Bagger rollen für das neue Hertha-Stadion. So jedenfalls war der ursprüngliche Plan des Bundesligisten: Man wolle die Arena im Juli 2025 eröffnen, hatte 2018 der damals zuständige Stadionmanager Klaus Teichert im Sportausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses erklärt. "Das bedeutet, dass wir Anfang des Jahres 2022 mit den Bauarbeiten beginnen müssten, um 2025 fertig zu sein", so Teichert im September 2018.
Teichert ist inzwischen weg und passiert ist seitdem wenig. Stattdessen müssen der Verein und der stadionbegeisterte Teil seiner Fans nun auf die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD hoffen. Lange warten müssen sie wenigstens nicht: Das Thema wird in der Arbeitsgruppe 13 - "Sport und Bürgerschaftliches Engagement" - besprochen. Sie soll als eine der ersten schon am Samstag ein erstes Ergebnis vorlegen.
Offen sprechen möchte über den Stadionbau vorab keiner der direkt Beteiligten, wohl auch aus verhandlungstaktischen Gründen. Im Hintergrund aber gab es nach rbb-Informationen bereits erste Gespräche. Die SPD wird mit dem Vorschlag ihrer Sportsenatorin Iris Spranger in die Verhandlungen gehen: Spranger hatte das Lindeneck im Nordwesten des Olympiaparks als Bauplatz vorgeschlagen. Der Verein nahm das dankend an und hat bereits Entwürfe für eine Arena mit 45.000 Plätzen vorgelegt, angelehnt an das Boca-Juniors-Stadion La Bombonera in Buenos Aires.
Gegen den Vorschlag gab es allerdings umgehend Bedenken, vor allem wegen des dort ansässigen Reitervereins, der verdrängt würde. Spranger selbst ließ auf Nachfrage des rbb nur knapp ausrichten, sie halte am Neubau eines Stadions für Hertha BSC fest und werde ihn "selbstverständlich in die Koalitionsverhandlungen einbringen". Eine Expertenkommission, die den Bauplatz prüfen soll, hat laut Sportverwaltung bislang vier Mal getagt, ein Zwischenbericht ist noch im Frühjahr geplant, das Endergebnis wird im September erwartet.
Vor allem die Mitglieder der Lobbygruppe Blau-Weißes Stadion machen sich seit Monaten für den Neubau im Lindeneck stark. Sie können auf mehrere Unterstützer bei den Koalitionsverhandlungen setzen. Spranger selbst leitet zwar eine andere Arbeitsgruppe, die zur Inneren Sicherheit, aber ihre Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ist ebenfalls mit an Bord. Für die CDU ist als Verhandlungsführer Stephan Standfuß dabei, der den Neubau eines Hertha-Stadions schon lange befürwortet. Zudem sitzt mit dem CDU-Abgeordneten Scott Körber ein Mitglied des Hertha-Aufsichtsrates in der Arbeitsgruppe.
Allerdings haben auch Kritiker des Stadionneubaus ein Wörtchen mitzureden. Auf Seiten der SPD ist das vor allem der Verhandlungsführer für die Arbeitsgruppe, Dennis Buchner. Er war, bevor er Präsident des Abgeordnetenhauses wurde, sportpolitischer Sprecher der SPD. Buchner hatte damals wenig Verständnis für Herthas Pläne, als dafür der Abriss von Genossenschaftswohnungen in der Sportforumstraße im Raum stand. Dieser Vorstoß war letztlich gescheitert – auch wegen massiver Bedenken im Abgeordnetenhaus. Ob Buchner den Alternativvorschlag Lindeneck unterstützt, ist unklar.
Gespalten in der Stadion-Frage ist auch die CDU-Verhandlungsgruppe. Der langjährige Charlottenburger CDU-Politiker Andreas Statzkowski lehnt den Stadionneubau im Olympiapark genauso ab wie Ariturel Hack, der 2021 den Staffelstab von Statzkowski übernahm. Beide repräsentieren die Bedenken auf Bezirksebene gegen den Stadionneubau: Bis zuletzt war das von der Grünen-Politikerin Kirstin Bauch geführte Bezirksamt strikt dagegen. Nach der Wiederholungswahl ist nun wieder die CDU stärkste Kraft. Was das für Herthas Pläne heißt, bleibt abzuwarten.
Spannend wird sein, ob sich der Koalitionsvertrag von CDU und SPD explizit für die Prüfung des Stadionneubaus im Lindeneck ausspricht. Möglich wäre nach rbb-Informationen auch eine allgemeinere Formulierung: Ein Neubau "im Olympiapark" solle geprüft werden. Das könnte man als indirekte Absage für das Lindeneck werten – und ließe wegen des Mangels an Alternativen nur wenige Optionen übrig. Das Maifeld selbst könnte dann wieder Thema werden – oder der Verbleib von Hertha BSC in einem umgebauten Olympiastadion. Pläne dafür gab es vor Jahren schon, zuletzt 2018.
Unklar ist zudem, ob Hertha BSC das kleine Stadion mit nur 45.000 Plätzen im Lindeneck überhaupt haben will. Im Verein gibt es längst auch Stimmen, die sagen, diese Arena sei zu klein, um dem Club wirtschaftlich zu helfen. Auch die Meinung des neuen Investors 777 Partners könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Dass Hertha-Präsident Kay Bernstein nun die Selbstwahrnehmung als "Big City Club" beendet hat, deutet darauf hin, dass der Ex-Ultra, der jahrelang in der Ostkurve stand, realistischere Ziele setzten will.
Angesichts der finanziellen Probleme des Vereins, rapide gestiegener Baupreise und hoher Zinskosten ist ohnehin fraglich, ob der mit 250 Millionen Euro veranschlagte Bau zu Herthas neuer Bescheidenheit passt.
Am Ende könnte der Koalitionsvertrag die Stadion-Frage natürlich auch auf den Abschlussbericht der Expertenkommission abschieben und Zeit schinden. Ähnlich wie im Fußball muss man nämlich auch in der Politik dafür fast keine Strafe fürchten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.03.2023, 19.30 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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