Koalitionsverhandlungen in Berlin
Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Berlin laufen auf Hochtouren. Die Dachgruppe sendet Friedenssignale an die aufgebrachte SPD-Basis – und führt vor, wie man inhaltliche Differenzen einfach umschiffen kann. Von Christoph Reinhardt
Mehr als sieben Minuten braucht der CDU-Landeschef Kai Wegner allein für seine Zusammenfassung der wichtigsten Verhandlungsergebnisse dieser Woche: mehr Geld für Integrationsprojekte und Kitas hat er auf dem Zettel. Zwei neue Frauenhäuser soll es geben, ein "Regenbogenhaus" für die queere Community.
Der Senat will auch das Amt eines Queerbeauftragten schaffen, und im Parlament soll eine Enquetekommission Rassismus und Diskriminierung in den Behörden und in der Gesellschaft beleuchten. "Diese Koalition, dieser Koalitionsvertrag feiert die Vielfalt Berlins", so formuliert es Wegner. "Wir sehen die Vielfalt dieser Stadt als absolute Bereicherung und werden sie fördern und pflegen, wo es nur geht."
Der SPD-Landesvorsitzende Raed Saleh lauert auf seine Gelegenheit, auf Wegner Ankündigungen noch etwas draufzulegen. Der im Westjordanland gebürtige Spandauer hat die "Arbeitsgruppe Stadt der Vielfalt" selbst geleitet. Ein klares Bekenntnis der Koalition zur Vielfalt in der Metropole habe er durchsetzen wollen, sagt Saleh. Dies sei gelungen. Den 15. März kündigt er als künftigen Gedenktag zum Thema Muslimfeindlichkeit an: "Der Tag steht für ein schreckliches Verbrechen, als ein Radikaler in Neuseeland in Christchurch Menschen ermordet hat, weil sie muslimischen Glaubens waren." Die Koalition wolle gemeinsam klarmachen, dass Berlin auch das Zuhause der vielen Muslime sei, die hier leben.
Dem Koalitionspartner auch etwas "gönnen können", das hatte die rot-grün-rote Koalition in den Sondierungen noch als ausbaufähige Eigenschaft identifiziert – zu spät für eine Fortsetzung allerdings. Schwarz-Rot wendet dieses Prinzip in den Koalitionsverhandlungen erstaunlich konsequent an: Wenn es irgend geht, bekommen beide Koalitionspartner ihre Wünsche erfüllt. Taser und Bodycams für die Polizei, mehr Videoüberwachung für die öffentlichen Plätze, hatte die CDU gefordert. Kein Problem für die noch Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, deren SPD die Innenverwaltung ohnehin am liebsten selbst weiter verantworten will. Der Koalitionsvertrag stehe für "ganz klare Rückendeckung für Polizei und Rettungskräfte", sagt Giffey, mit moderner Ausstattung, mehr Personal und sanierten Gebäuden. Auch um die Leitstellen und Wachen zu erneuern, werde das 5-Milliarden-Budget zum Klimaschutz benötigt, sagt Giffey. Über Finanzierungsdetails werde man aber erst in der Schlussrunde sprechen.
Auch beim zuletzt noch strittigen Thema Verwaltungsmodernisierung habe man eine Lösung gefunden, berichtet Wegner. Den Streit um das "politische Bezirksamt", das die SPD-Fachpolitiker gegen die CDU-Forderung nach einer Direktwahl der Bezirksbürgermeister durchsetzen wollten, hat die Dachgruppe für beendet erklärt. Es wird weder das eine noch das andere geben. Die Bürgermeister sollen "gestärkt" werden. Auf diese einvernehmliche Formel im Koalitionsvertrag wird der Konflikt reduziert. Ohnehin hätte Schwarz-Rot für beide Modelle erstmal eine Zweidrittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung organisieren müssen. Die Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken dagegen kann die Koalition mit einfacher Mehrheit selbst neu ordnen - ohne sich wegen der Inhalte in die Haare zu bekommen, denn die Eckpunkte dafür hatte bereits Rot-Grün-Rot kurz vor der Wiederholungswahl beschlossen. Das Papier werde Schwarz-Rot übernehmen und weiterentwickeln, sagt Wegner. Es sei "die Grundlage für die nächsten dreieinhalb Jahre".
Wer bei der Verwaltungsreform den Hut aufhaben soll, sei zwar noch nicht geklärt. Die SPD-Fachpolitiker wollen das Thema vollständig bei der Innenverwaltung ansiedeln, die CDU sieht die Verantwortlichkeit bei ihrem künftigen Regierenden Bürgermeister bzw. der Senatskanzlei. Aber über Ressortfragen werde man ja erst in der allerletzten Verhandlungsrunde am Freitag sprechen, wiegelt Wegner mögliches Konfliktpotenzial ab. Und Franziska Giffey gibt einen kleinen Hinweis, wie Schwarz-Rot das Entweder-Oder zwischen Senatskanzlei und Innenverwaltung auch entschärfen könnte: Indem alles beim Alten bleibt: "Im Moment ist das Thema ja sowohl in der Senatskanzlei als auch in der Innenverwaltung". Dies werde man ganz am Schluss klären.
Sendung: rbb24, 29.03.2023, 21:45 Uhr
Beitrag von Christoph Reinhardt
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