Abschiebungen und Unterkünfte
Dass die Kommunen bei den aktuell hohen Flüchtlingszahlen Unterstützung brauchen, darin sind sich die beiden Brandenburger Koalitionsparteien CDU und Grüne einig. Bei den Themen Abschiebungen und Unterbringung gibt es aber Streit. Von Markus Woller
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) ist verbal voll im Alarmmodus. In der jüngsten Landtagdebatte holt er zum Rundumschlag aus: Das Land stehe kurz vor dem Migrationskollaps, es drohe ein massives Integrationsversagen. Als Reaktion brauche es nun eine Rückführungsoffensive und eine Begrenzung in der Zuwanderung durch den Bund.
Objektiv kann man attestieren: Immer mehr Kommunen melden, dass sie beim Thema Aufnahme von Geflüchteten an die Grenzen kommen, sei es bei der Schaffung von Wohnraum oder bei der Integration in Schule, Kita oder Arbeit.
39.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr in den Landkreisen und kreisfreien Städten verteilt. 2023 haben die Zahlen zwar etwas an Dynamik verloren. Offiziell rechnet das Land aber immer noch mit rund 25.000 Geflüchteten bis Jahresende.
Die Debatte darum, wie das Land mit dem anhaltenden Zustrom umgeht, hat allerdings mächtig an Dynamik gewonnen. Vor allem die CDU legt da das Tempo vor - offenbar angefeuert durch steigende Umfragewerte im Bund und den Wahlerfolg in Berlin.
Beides erklären Experten unter anderem mit dem schärferen Ton der CDU gegenüber Migranten nach den Silvester-Krawallen in der Hauptstadt. Die Brandenburger CDU scheint daraus lernen zu wollen: Stübgens Rede vor dem Parlament ist dafür beispielhaft. Aber auch der kommende starke Mann in der Partei, Jan Redmann, bemühte sich bei seiner Bewerbungstour um die Parteispitze jüngst um eine Profilschärfung in der Geflüchteten-Debatte.
Die Linie der Partei: Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive nicht mehr auf die Landkreise verteilen, sondern in den Erstaufnahmeeinrichtungen halten. Außerdem soll konsequenter abgeschoben und die Zuwanderung beschränkt werden.
Als Widerpart dazu versteht sich in Brandenburg immer noch der Koalitionspartner von Bündnis 90/Grüne. Im Gebälk der Koalition knarzt es in diesem Zusammenhang deshalb gerade immer mal wieder laut. Fraktionschefin Petra Budke spricht von "unabgestimmten Vorschlägen" der CDU und macht klar, dass es mit den Grünen eine Abschiebe-Initiative nicht geben werde. "Brandenburg bleibt weltoffen", macht sie klar. Abschiebungen würden zudem kaum helfen, weil in die Hauptherkunftsländer Russische Föderation, Irak, Syrien und Afghanistan aus humanitären Gründen gar nicht abgeschoben werde.
Den schärferen Ton in der Debatte sieht man bei den Grünen gar als Gefahr für den sozialen Frieden im Land. Man dürfe die gesellschaftlichen Verwerfungen nicht befördern. "Das tut der Innenminister, wenn er Begriffe in den Mund nimmt wie ‚Asyltourismus‘. Das vergiftet das Klima und schürt Ängste", sagt Budke.
Die Fakten zeigen: Brandenburg hat weiter Potenzial für Abschiebungen. 10.700 Menschen waren laut Innenminister zum Ende des letzten Jahres offiziell ausreisepflichtig. Bei 4.500 davon sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft, was für die Abschiebung eine Voraussetzung darstellt. Nur rund 2.000 davon könnten aber tatsächlich abgeschoben werden, unter anderem, weil sie nicht aus Kriegsgebieten oder gefährlichen Regionen stammen. Tatsächlich ausgereist sind im vergangenen Jahr aber nur 480 Personen. 308 haben das Land freiwillig verlassen, 172 Personen wurden laut Innenministerium abgeschoben.
Noch CDU-Chef Stübgen nimmt, ob der angespannten Lage in den Kommunen, die Grünen aber in die Pflicht. Integrationsministerin Ursula Nonnemacher müsse Lösungen finden. Stübgen forderte sie jüngst auf, das Landesaufnahmegesetz zu ändern, um Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive länger in der Erstaufnahme unterbringen zu können. Dass Nonnemacher dies mitmacht, gilt als ausgeschlossen.
Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Andrea Johlige, sieht die grüne Ministerin in einer schwierigen Position. Die grüne Partei versuche, auf Ebene der Landespartei die humanitäre Flüchtlingspolitik als Ziel hochzuhalten. In der Koalition könne sich die Ministerin mit ihren Vorstellungen aber kaum Gehör verschaffen. Johlige spricht außerdem von einem Ping-Pong-Spiel zwischen CDU und Grünen, das dazu führe, dass wichtige Entscheidungen immer wieder verschoben würden.
AfD-Chef Hans-Christoph Berndt beklagt, die Koalition spiele mit unterschiedlichen Rollen. "Fakt ist: Sie tut nichts, um die Probleme zu lösen." Berndt fordert eine schnellere Abschiebung.
In der kommenden Woche hat der Innenminister nun zu einer Konferenz zum Flüchtlingsthema geladen. Mit dabei ist neben den Landräten auch die grüne Ministerin Nonnemacher. Hier muss sich zeigen, wie CDU und Bündnis90/Grüne trotz ihrer Differenzen zu wirksamen Lösungen kommen wollen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 01.03.2023, 08:00 Uhr
Beitrag von Markus Woller
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