Treffen in Potsdam
Obwohl viele Landräte seit Monaten vor Überlastung warnen, hatte das Brandenburger Kabinett sich nur mit Mühe auf ein Konzept zur Unterbringung weiterer Geflüchteter geeinigt. Bei den Kommunen blitzte es bei der Vorstellung am Mittwoch ab. Von Markus Woller
Direkt nach dem Ende der Konferenz am Mittwoch steckten Landräte und Oberbürgermeister erst einmal die Köpfe zusammen. Wie lässt sich die Enttäuschung am besten kommunizieren? Wie die als zum Teil dramatisch empfundenen Situation in Worte packen? Vor die Medien treten wollte anschließend trotzdem kein einziger von ihnen.
So blieb es den kommunalen Spitzenvertretern überlassen, auf der Pressekonferenz in Potsdam klare Worte zu finden: Dem Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes, Oliver Hermann, und dem Landkreistagschef Siegurd Heinze (beide parteilos). "Wir haben uns das anders vorgestellt", sagte Heinze. Die Ergebnisse seien "deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben." Hermann resümierte: "Es sind einfach zu viele Fragen offen geblieben."
Einig zeigten sich die Vertreter der Kommunen und der Landesregierung vor allem im Ziel, schnell 3.000 neue Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zu schaffen. Das soll Druck von den Kommunen nehmen. In diesen Einrichtungen sollen vor allem die Personen unterkommen, die keine konkrete Aussicht auf einen Aufenthaltstitel haben; für maximal 24 Monate.
Doch schon beim Wann und Wo gibt es Streit. Den Vertretern der Landkreise und kreisfreien Städte fehlt ein konkretes, möglichst frühes Datum dafür, wann sie mit zusätzlichen Plätzen rechnen können, sagen sie. Bis zum dritten Quartal könnte es erste Einrichtungen geben, mehr dann bis Ende des Jahres. Genauer wurde der Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch nicht.
Auch zur Frage wo die Plätze geschaffen werden sollen, brachte die Konferenz am Mittwoch keinerlei Antworten. Vor allem das Sozialministerium fordert, dass die zusätzlichen Einrichtungen zukünftig von Kommunen getragen werden. Gemeldet hat sich bisher keine. Und liest man bei Hermann und Heinze zwischen den Zeilen, wird das so schnell auch nicht passieren. Das Sozialministerium kündigte am Mittwoch dennoch an, ein Unterbringungskonzept für diese Art von Einrichtung zu erarbeiten. Der Plan: Geflüchtete sollen dort auch auf einen sogenannten "Spurwechsel" vorbereitet werden - also auf den Arbeitsmarkt. Heinze sagte: "In einem Monat muss Frau Nonnemacher da ein Konzept liefern. Wenn nicht, kann man das Thema beerdigen."
Die Kommunen schlugen vor, stattdessen lieber die bestehenden Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) zu erweitern. Der Innenminister Stübgen betonte, dass man 3.000 neue Plätze nicht in kurzer Zeit bereitstellen könne. Zunächst müssten Details geklärt werden. Man sei auf der Suche nach geeigneten Unterkünften und werde eine Liste zunächst mit den Gemeinden abstimmen, die dafür infrage kämen.
Deutlich mehr hatten sich die Landräte und Oberbürgermeister auch beim Thema soziale Infrastruktur gewünscht, wie sie sagten. Kitas und vor allem Schulen liefen gerade voll, hieß es. Viele seien bereits an ihre Grenzen gelangt. Es brauche schnelle Lösungen. Vorschläge wie ein Anbauprogramm für Schulen und Kitas, wie es manche Landräte vorschlugen, blieben am Mittwoch erstmal ungehört.
Im Flüchtlingskompromiss der Landesregierung war bisher vor allem von Beratungsangeboten die Rede. Das reiche nicht aus, hieß es am Mittwoch. Oliver Hermann regte an, die Unterbringungsstandards von Geflüchteten zu senken "Die Standards aus Vorkrisenzeiten können nicht funktionieren", sagte Hermann. Er sehe in der Beschulung bei Angehörigen oder, wie im Fall der Ukraine, aus den Heimatländern heraus Ansätze, die weiterverfolgt werden sollten.
Siegurd Heinze machte am Mittwoch deutlich, dass die Kommunen sich auch beim Thema Landesobhuteinrichtungen einen anderen Kurs gewünscht hätten. Diese Einrichtungen, in denen Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive für bis zu vier Jahre hätten unterkommen sollen, hatte der Innenminister ursprünglich vorgeschlagen. Sie waren in der Koalition allerdings heftig umstritten, so dass sie am Ende nicht mehr Teil des gefundenen Kompromisses der Landesregierung sind. Heinze sagte, dass viele Kommunen das System unterstützen würden.
Außerdem forderte Heinze, der Landrat von Oberspreewald-Lausitz, dass das Land und der Bund darauf hinwirken sollen, dass Menschen ohne Aufenthaltsrecht konsequenter abgeschoben würden. In den Orten, in denen neue Geflüchtetenunterkünfte gebaut werden müssten, sei das Unverständnis oft groß darüber, dass nicht zuerst alle Maßnahmen unternommen würden, ausreisepflichtige Menschen in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Auch Kommunen, die in den vergangenen Jahren laut für die Aufnahme von Geflüchteten und eine Willkommenskultur gestanden hätten, seien ob der enormen Herausforderungen des letzten Jahres still geworden, sagte Heinze. Brandenburg hatte 2022 39.000 Geflüchtete aufgenommen, für dieses Jahr werden etwas weniger Menschen erwartet, bis zu 25.000.
Die Zeiten der offenen Arme seien vorbei, sagte Heinze am Mittwoch. "So wie in den vergangenen Jahren geht es nicht weiter. Wer das nicht sieht, ist nicht in der Realität angekommen", so Heinze. Er sehe auch die Landesregierung, die seit 2019 für die Abschiebungen zuständig sei, in der Pflicht. Der Innenminister Michael Stübgen verwies darauf, dass vor allem der Bund hier bessere Arbeit leisten und mehr Länder zur Rücknahme ihrer Staatsbürger bewegen müsse.
Als gescheitert wollten Heinze und Hermann die Konferenz am Ende öffentlich nicht bezeichnen. Zumindest habe man Klarheit darüber erhalten, dass durch die Maßnahmen, die das Land ergreifen will, keine zusätzlichen Kosten auf die Kommunen zukommen würden. Diese Zusage habe die Finanzministerin gegeben. Auch würden die Kosten nicht auf die bereits zugesicherten 700 Millionen Euro für die Kommunen aus dem sogenannten Brandenburg-Paket der Landesregierung angerechnet. Das Land habe in den kommenden zwei Jahren rund 100 Millionen Euro für Maßnahmen aus dem Landesaufnahmegesetz zugesagt. Dazu zählen zum Beispiel die Herrichtung von Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünften.
Trotzdem sei man bei vielen entscheidenden Punkten am Mittwoch nicht zusammengekommen, sagten die beiden kommunalen Spitzenvertreter. Mit dieser Begründung wollen sie nun den Ministerpräsidenten darum bitten, das Thema im April oder Mai zum Anlass eines Gipfelgespräches zu machen, wie sie sagten.
Dass es nun schnelle und konkrete Entscheidungen brauche, daran ließen die Vertreter der Kommunen am Mittwoch keine Zweifel. Nach der Pressekonferenz, verabschiedete sich Siegurd Heinze vom Innenminister mit nachdrücklichem, fast drohendem Tonfall: "Wir werden uns wiedersehen - sehr bald".
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.03.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Markus Woller
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