Kann das Berlin-Ticket doch noch verlängert werden?
Zum 30. April läuft das 29-Euro-Ticket aus - dann kommt das Deutschlandticket. Doch das günstige Berlin-Ticket steht bei der VBB-Aufsichtsratssitzung am Donnerstag erneut auf der Tagesordnung. Die SPD will es weiterlaufen lassen. Ist das realistisch? Von Oda Tischewski
Eine Weiterführung des 29-Euro-Tickets über den April hinaus scheint unwahrscheinlich
Berlin und Brandenburg müssten sich im Verbund einigen – und zwar schnell
Laut BVG wäre ein lückenloser Anschluss beim 29-Euro-Ticket schon rein zeitlich nicht mehr machbar
Die Zeit zwischen zwei Regierungen ist fast immer eine Hängepartie: Aus den Projekten des alten Senats wird unter Umständen nichts mehr und der Neue kann noch gar nicht richtig loslegen. So ist es auch beim 29-Euro-Ticket.
Verantwortlich für Ticket-Fragen aller Art ist der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg, kurz VBB. Und der hatte Mitte Dezember beschlossen: Bis zum 30. April 2023 bietet Berlin das 29-Euro-Ticket für die Tarifbereiche A und B an, das ab dem 1.Mai vom 49-Euro-Ticket abgelöst wird. Das gilt dann für ganz Deutschland, ist aber nicht übertragbar, beinhaltet keinerlei Mitnahmeregelungen - und wird eben auch deutlich teurer.
Lange wurde über den Starttermin verhandelt, nun ist klar: Das 49-Euro-Monatsticket im Nahverkehr soll zum 1. Mai gelten. Darauf haben sich Bund und Länder verständigt. Ab Anfang April soll es erhältlich sein - auch als Jobticket.
SPD will das 29-Euro-Ticket weiterführen
Für die SPD ist die Weiterführung des günstigen Berlin-Tickets eine ihrer "politischen Prioritäten", so Franziska Giffey, die sie zu ihrem Wahlkampfthema gemacht hat. Die Finanzierung hatte der alte Senat noch gesichert. Und auch ihr wahrscheinlicher Koalitionspartner, die CDU, hat bereits in den Sondierungen Zustimmung signalisiert. Allein: Es könnte zu spät sein. Denn Berlin kann nicht allein entscheiden.
Grüne wollten günstige Tickets durch Rabatte
Denn der alte Senat - genauer: die Verwaltung von Noch-Verkehrssenatorin Bettina Jarasch - hat dem VBB bislang keine neue Vorlage zur Entscheidung präsentiert. Auch, weil die Grünen von Anfang an eine andere Lösung angestrebt hatten: Statt eines separaten Berlin-Angebots für 29 Euro wollten sie das Deutschlandticket durch Rabatte für verschiedenen Kundengruppen preislich absenken. Etwa 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner hätten so die Möglichkeit, Job-, Schüler-, oder andere vergünstigte Tickets zu nutzen – dieselbe Leistung für deutlich weniger als 49 Euro. Zumindest die Verlängerung des 9-Euro-Sozialtickets für den AB-Bereich bis zum Ende des Jahres soll am Dienstag im Senat beraten werden.
Anders beim 29-Euro-Ticket: Weil derzeit keine Grundlage für eine neue Abstimmung beim VBB vorliegt, gilt nach wie vor der alte Beschluss und das Ticket-Angebot läuft damit Ende April aus. Trotzdem steht das 29-Euro-Ticket bei der VBB-Aufsichtsratssitzung am Donnerstag erneut auf der Tagesordnung: Ein Vertreter des Landes Berlin will dort noch einmal für eine Fortführung des Angebots werben.
Bei Brandenburg dürfte er damit auf wenig Gegenliebe stoßen: Schon im Herbst war das Land vom Berliner Alleingang wenig begeistert – schließt das 29-Euro-Ticket die Brandenburger Pendler doch von der günstigen Lösung aus. Wenn das, was damals als Brückenlösung bis zur Einführung des Deutschlandtickets gedacht war, nun eine Dauerlösung werden soll, ist mit Widerstand zu rechnen. Da wird viel Überzeugungsarbeit nötig sein.
Studierende in Berlin und Brandenburg müssen für das geplante Deutschland-Ticket den vollen Preis abdrücken - selbst wenn sie bereits für das obligatorische Semesterticket bezahlt haben. Das löst Unmut aus, Studentenvertretungen fordern Nachbesserungen.
Weiterführung sprengt den Zeitplan
Die "Berliner Morgenpost" zitierte bereits aus einem internen Papier, das in den Koalitionsverhandlungen diskutiert wird. Darin stellt die BVG klar, dass eine nahtlose Weiterführung des 29-Euro-Tickets aus ihrer Sicht auch aus praktischen Gründen gar nicht mehr möglich wäre: Weil schon mehr als 100.000 BVG-Kundinnen und -Kunden das Deutschlandticket vorbestellt und viele ihre 29-Euro-Tickets im Abonnement zum Stichtag gekündigt haben, würde eine Weiterführung die BVG vor erhebliche personelle und technische Schwierigkeiten stellen. Realistisch sei lediglich eine Wieder-Einführung des Angebots – etwa zum Jahresbeginn 2024. Die entstehende Lücke wolle die BVG nutzen, um die Einführung des Deutschlandtickets zu evaluieren.
Dazwischen liegen acht Monate, in denen die Kundinnen und Kunden zunächst aufwändig in ein anderes Angebot wechseln und dann wieder zum 29-Euro-Ticket zurückkehren müssten. Mit einer einheitlichen und günstigen Lösung, die den Nahverkehr – innerhalb der Länder und über deren Grenzen hinweg – attraktiver macht, hat dieses Ticket-Chaos derzeit wenig zu tun.