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Audio: rbb24 Inforadio | 19.04.2023 | Angela Ulrich | Quelle: dpa/Michael Kuenne

Debatte über "Letzte Generation" in Berlin

Längere Präventivhaft oder "Maß und Mitte"?

Nicht nur in der Bevölkerung wird über den Umgang mit den Klima-Protesten der "Letzten Generation" diskutiert, auch die Parteien im Abgeordnetenhaus sind sich uneins. Während einige härtere Strafen fordern, mahnen andere zu Besonnenheit.

Bei den Berliner Abgeordneten Vasili Franco und Alexander Herrmann offenbaren sich die unterschiedlichen Meinungen zu den polarisierenden Klima-Protesten der "Letzten Generation" in Berlin. Während der Grünen-Politiker Franco sagt: "Ich würde erstmal dazu raten, die Ruhe zu bewahren", findet CDU-Politiker Herrmann: "Am Ende sind es Straftäter, die unsere Stadt in Geiselhaft nehmen."

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Bis Anfang Mai hat die "Letzte Generation" zahlreiche Protestaktionen in Berlin angekündigt. Dabei dürfte es unter anderem wieder zu Straßenblockaden kommen, aber nicht nur. Die Politik ist uneins über den Umgang mit den Aktivisten. Wie sehen Sie es?

CDU fordert längere Präventivhaft, Grüne mahnen zu "Maß und Mitte"

Herrmann will, wie er sagt, schneller und härter durchgreifen, wenn sich Aktivisten auf die Straße kleben oder an Brücken festketten. "Ganz wichtig ist es hier, dass wir von den Möglichkeiten, die wir als Rechtsstaat haben, Gebrauch machen", sagt Herrmann und fordert ausdrücklich den "vorbeugenden Präventiv-Gewahrsam" - also Haft ohne Prozess. Derzeit ist dieser bis zu 48 Stunden möglich in Berlin. Mit dem künftigen Regierungspartner in spe SPD sei aber vereinbart, den Präventiv-Gewahrsam im Einzelfall auf fünf Tage auszuweiten, "um abzuschrecken, um eine Wiederholung zu verhindern", wie Herrmann sagt.

Nicht als einziger bedient Herrmann sich drastischer Worte und Forderungen, wenn es um die Aktionen der Klima-Aktivisten geht, vor allem bei Blockaden von Straßen. Auch die AfD wünscht sich mehr Präventivhaft, allerdings noch deutlich länger: Die Berliner Vorsitzende Kristin Brinker könnte sich sogar vier bis sechs Wochen vorstellen für Aktivisten, die sich immer wieder auf Straßen festkleben und spricht von einem "erzieherischen Wert".

Erste Aktionen in Mitte und Kreuzberg

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Bis Anfang Mai hat die "Letzte Generation" zahlreiche Aktionen in Berlin geplant, zuletzt war sogar von "unbefristeten" Protesten die Rede. Erste Proteste gab es am Mittwoch in Mitte und Kreuzberg, nahe der Spree.

Linke: Blockaden als Protestform legitim

Der Grünen-Politiker Vasili Franco mahnt dagegen zu mehr Besonnenheit. Er sieht einige populistische Betitelungen der Aktivisten kritisch. "Wir verlieren Maß und Mitte, wenn wir über Extremismus reden, gar von Terrorismus oder Klima-RAF - all das schadet nicht nur insgesamt der Debatte über diese Aktionsform, sondern letztendlich fällt damit auch der Klimaschutz hinten runter", sagt Franco und unterstellt den "konservativen Parteien", dass sie vielleicht genau das beabsichtigen würden.

Auch für die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus gehen die Forderungen nach härteren Strafen zu weit. Der Rechtspolitiker Sebastian Schlüsselburg sagt, es gelte, die Versammlungsfreiheit zu schützen. "Straßen und auch öffentliche Kommunikationsräume sind vollumfänglich für die Versammlungsfreiheit da", so Schlüsselburg und verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt habe, dass das "Stellungbeziehen", also Hinsetzen, und das Wählen anderer Versammlungsformen "vollumfänglich von der Versammlungsfreiheit" gedeckt sei.

Er habe deshalb einen Brief an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschrieben, in dem er darauf verwiesen habe, dass es nicht darum gehen dürfe, Blockaden und Aktionen von Protestierenden zu verhindern, sondern er forderte, friedliche Aktionen im Sinne des Versammlungsrechts zu schützen.

Viele Aktionen bis Ende April geplant

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Spranger sieht keinen Schutz durch Versammlungsfreiheitsgesetz

Eine Position, mit der die Innensenatorin offenbar nicht viel anfangen kann. Sie schließt sich diesbezüglich der CDU-Linie an und sagt, dass die Stadt in "Geiselhaft" genommen werde. "Straftaten bleiben Straftaten", so Spranger. "Wir sehen es ja: Es wird festgeklebt, es wird bewusst in Kauf genommen, dass Berlinerinnen und Berliner nicht von A nach B kommen, und das schützt das Versammlungsfreiheitsrecht nicht."

Bei der Berliner Polizei laufen wegen Klima-Protesten in den vergangenen Monaten insgesamt bereits rund 3.000 Ermittlungsverfahren wegen Nötigung oder gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Auch Strafgebühren sind bereits verschickt worden - jeweils in Höhe von 241 Euro. Innensenatorin Spranger rief wartende Autofahrer allerdings dazu auf, nicht zur Selbstjustiz zu greifen, sondern die Polizei zu rufen.

"Letzte Generation" fordert Politik zum Handeln auf

Die Gruppe "Letzte Generation" hatte diese Woche "unbefristete" Aktionen angekündigt, um die Stadt "lahmzulegen". Am Mittwoch hatte es erste Aktionen gegeben.

Sprecherin Aimée van Baalen wertete diese als Erfolg. Der rbb24 Abendschau sagte van Baalen am Mittwoch, es hätten sich Passanten spontan den Aktionen angeschlossen. Auch habe es viel mehr Teilnehmer gegeben als in der Vergangenheit. "Und trotzdem muss man sagen, es ist nicht unsere Aufgabe, die Mehrheiten zu gewinnen, sondern die Aufgabe der Politik, sich ehrlich zu machen, und sich wirklich mal hinzustellen und zu sagen: Wir sind in einer riesigen Katastrophe. Erst dann kann man davon ausgehen, dass man die Leute eben auch vom Klimaschutz mehr überzeugt." Van Baalen forderte, einen Gesellschaftsrat einzurichten. Dieser solle ausarbeiten, "wofür die Menschen sind, also wofür es Mehrheiten gibt und wofür nicht".

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.04.2023, 6 Uhr

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