Designierter Brandenburger Bildungsminister
Ganz schnell hatte Dietmar Woidke einen Nachfolger für die zurückgetretene Bildungsministerin gefunden: Der Staatssekretär Steffen Freiberg übernimmt das Ressort. Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schülern haben hohe Erwartungen an ihn. Von Thomas Bittner
Der Terminkalender von Steffen Freiberg dürfte in den nächsten Tagen sehr voll werden. Überall im Land warten Menschen auf ein Treffen mit dem designierten Bildungsminister und SPD-Politiker. Lehrer, Schüler, Eltern - sie alle sind schließlich von dieser Personalie betroffen.
Vor der Astrid-Lindgren-Schule in Cottbus steht am Dienstag Susanne Jung, um ihr Kind von der Schule zu holen. Als Elternsprecherin kennt sie das wichtigste Problem in den Klassenräumen: den Lehrermangel. Sie verstehe, dass es schwerfalle, junge Menschen zum Lehrerstudium zu kriegen. Den Einsatz von Quereinsteigern finde sie "bedingt gut". Um die Richtigen auszuwählen, sagt Jung, müsse es mehr Auswahlmöglichkeiten für die Schulen geben.
Das scheint eines der wichtigsten Themen zu sein: Die Menschen in den Schulen wollen mitreden, ernst genommen worden. Paula Baumgarten vom Landesschülerrat wünscht sich vom neuen Minister, dass er zuhört, wie sie sagt. Dass er mit den Betroffenen rede und nicht nur über sie. Da gebe es noch Luft nach oben. Das Thema psychische Gesundheit beschäftige die Schülerinnen und Schüler schon seit Jahren, deshalb seien mehr Schulsozialarbeiter wichtig. Genau das hatte Freibergs Vorgängerin Britta Ernst (SPD) vor - bis sie am Montag überraschend zurücktrat. Von den wahrscheinlich nicht zu besetzenden Lehrerstellen wollte sie 200 umwidmen, um wenigstens Assistenten und Sozialarbeiter dafür einzustellen.
Gegen zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen hat niemand etwas. Das sagt auch Dagmar Graefe vom Pädagogen-Verband. Sie aber könne sich diese Stellen nur zusätzlich vorstellen. Die geplante Umwidmung anderer Jobs müsse zurückgenommen werden. Man sei in den Schulen mitten in den Planungen für das nächste Schuljahr. Durch die Kürzungen bei den Lehrerstellen zugunsten von Assistenzen und Sozialarbeit seien funktionierende Ganztagskonzepte oder Konzepte für das gemeinsame Lernen in Gefahr. Wenn jemand über Umwidmungen entscheiden solle, dann seien es die Schulen selbst. Sie könnten schnell und befristet reagieren. Lehrkräfte sollten sich um die pädagogische Arbeit kümmern.
Die Personalratsvorsitzende des Schulamts Cottbus, Birgt Szesny, sagt, sie sehe das ähnlich. Sie erinnert an die 16 Forderungen, die Lehrkräfte vor kurzem bei einer Personalversammlung im Süden des Landes ans Bildungsministerium schickten. Bürokratie solle abgebaut werden, die Schulleitungen müssten spürbar entlastet werden, hieß es. Die Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte dürfe nicht erhöht werden. Es müsse weiter Teilzeitregelungen und die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands geben.
Wie soll ein Bildungsminister so kurzfristig das Personalproblem lösen? Es scheint fast aussichtslos. Die Schülervertretungen waren alarmiert, als es jüngst aus dem Ministerium hieß, man denke wieder über Distanzunterricht oder "Hybridlernen" nach. Was nichts anderes bedeutet, als dass es Unterricht auch ohne Lehrerin oder Lehrer geben soll. Nach den Corona-Erfahrungen lehnen das die Schülerinnen und Schüler strikt ab. "Da fehlt jede Interaktion", begründet Paula Baumgarten vom Landesschülerrat die Kritik.
Jeder, der für diesen Artikel gefragt wird, sagt: Auf lange Sicht ist das Gewinnen von Lehrkräftenachwuchs das Wichtigste. Das Studium müsse aber praxisorientierter sein, am besten dual, fordert die Schülervertreterin Baumgarten. Dann würden öfter und länger Lehramtsstudierende in den Schulen sein. Das würde ja auch gegen den Personalmangel helfen.
Dieses Personal fehlt nicht nur in den Schulen. Auch die Eltern von Kita-Kindern äußern die Sorge, dass die Erzieherinnen und Erzieher in der Prioritätenliste des neuen Ministers nach unten rutschen könnten. "Wenn manche Kitas derzeit wegen Personalmangels nicht zur Verfügung stehen, dann gibt es ein Problem für Eltern, aber auch für Unternehmen, was wir nicht wegschieben können", sagt Sören Gerulat vom Landeskinderelternbeirat. Seine beiden Kinder gehen in Prenzlau in eine kommunale Kita, wie er sagt. Die Kindertagesbetreuung müsse in allen Landkreisen verpflichtend funktionieren, fordert Gerulat. Und auch die Standards müssten gleich sein. Eine Ausbildungsoffensive auch für Kita-Erzieherinnen und -Erzieher erwarte er vom Bildungsministerium. Und auch er will schnell ins Gespräch kommen, sagt er. Ein Runder Tisch sei nötig, an dem alle Beteiligten zu Wort kämen. Die Elternvertreter würden ihre Terminkalender schnell freiräumen, wenn Minister Freiberg einlade. Wie gesagt: An Leuten, die beim neuen Minister anklopfen, fehlt es derzeit nicht. Am 10. Mai soll er vereidigt werden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.04.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Thomas Bittner
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