Cannabis soll noch in diesem Jahr legal werden - aber vorerst kein freier Verkauf
Im Oktober legte Bundesgesundheitsminister Lauterbach erste Pläne für die Cannabis-Legalisierung in Deutschland vor. Nach Rücksprache mit der EU hat er diese nun zusammen mit Landwirtschaftsminister Özdemir konkretisiert.
Die Bundesregierung hat die teilweise Legalisierung von Cannabis auf den Weg gebracht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte am Mittwoch zusammen mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Pläne für die kontrollierte Abgabe über Vereine sowie den privaten Eigenanbau vor.
Erst in einem zweiten Schritt soll in Modellregionen der Verkauf über lizenzierte Fachgeschäfte getestet werden.
Die Pläne der Bundesregierung im Einzelnen:
Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.
Der Eigenanbau von maximal drei "weiblichen blühenden Pflanzen" wird erlaubt.
"Noch in diesem Jahr" soll der Konsum laut Özdemir legal werden.
"Nicht-gewinnorientierte" Vereine dürfen Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder abgeben. Mitglieder müssen volljährig sein. Die Clubs dürfen keine Werbung machen und müssen den Plänen zufolge zudem "Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte" benennen.
Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden.
In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.
Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.
In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
Cannabis-Fachgeschäfte sollen erst in einem zweiten Schritt in Modellprojekten zu "kommerzielle Lieferketten" ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf im Shop. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, sind auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt. Dies ist laut Bundesregierung aber "voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig". Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf und damit im Moment unklar ist, ob daraus am Ende etwas wird.
Es gehe um "die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen", erläuterte Lauterbach. Er erklärte die bisherige Cannabis-Politik für "gescheitert". Denn die Droge sei ein weit verbreitetes Suchtmittel, das in Deutschland "oft illegal angeboten und genutzt" werde. Schwarzmarktware sei dabei "häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren". Dies wolle die Bundesregierung nicht länger hinnehmen.
"Der Schwarzmarkt wird sich schwarz ärgern", sagte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Ihm zufolge soll der Konsum "noch in diesem Jahr" legal werden.
Auch der Koalitionspartner FDP signalisierte Zustimmung: "Das Verbot von Cannabis kriminalisiert unzählige Menschen und drängt sie in kriminelle Strukturen", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). "Es ist Zeit für einen neuen Ansatz."
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Neuer Vorschlag nach Bedenken der EU-Kommission
In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP noch verabredet, die "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Lauterbach hatte dazu bereits im Herbst Vorschläge vorgelegt. Von Anfang an gab es aber Bedenken, dass die Pläne an internationalem und EU-Recht scheitern könnte.
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte nun, die Regierung habe sich "nach Gesprächen mit der EU-Kommission" auf den neuen Vorschlag geeinigt.
Lauterbach: Modellprojekt könnte Vorbild für europäische Cannabis-Politik sein
Dass der Erwerb vorerst nur über Cannabis-Vereine, statt über lizenzierte Shops vonstattenginge, führt Lauterbach auf diese Gespräche mit der EU-Kommission zurück. Welche Einwände die EU mit seinem ursprünglichen Plan hatte, wollte Lauterbach mit Verweis auf die "vertraulichen Gespräche" nicht mitteilen.
Die Modellprojekte in bestimmten Regionen mit dem Verkauf in dann lizenzierten Shops könnten bei einem Erfolg für Lauterbach aber auch "Vorbild für eine europäische Cannabis-Politik" sein. Sein Ziel sei es immer noch, "den Schwarzmarkt wegzukriegen". Orte für Modellregionen wurden nicht genannt.
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Özdemir hofft auf Gesetz ohne Bundesratsbeteiligung
Laut Özdemir möchte die Bundesregierung das Vorhaben nun zügig voranbringen. "Wir schauen, dass wir nicht durch den Bundesrat müssen", sagte er. Bei dem ersten Schritt sei es auch das Ziel, dass dieser nicht bei der EU notifiziert werden muss. "Denn wir wollen ja, dass sich was ändert", so Özdemir.
Bezüglich des zweiten Schritts, der den Verkauf in Shops vorsieht, wolle die Bundesrepublik Deutschland parallel zum Modellprojekt versuchen mit “anderen Staaten, die das ähnlich sehen” eine Mehrheit zu organisieren, um die Politik in der EU zu ändern.
Zwiespältige Reaktion aus Brandenburger Gesundheitsministerium
Brandenburgs Gesundheitsministerium schätzt die geplante Freigabe weiterhin kritisch ein, auch wenn diese mengenmäßig begrenzt werden sollen. Es müsse festgestellt werden, dass der Missbrauch von Drogen "zu schweren gesundheitlichen, sozialen und materiellen Folgen führen kann", teilte ein Sprecher des Ministeriums dem rbb mit. Dies gelte auch für legale Drogen wie Alkohol und Tabak.
Es gebe allerdings eine zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz für den Cannabis-Konsum. Dahingegen führe eine "Illegalisierung" von Cannabis dazu, dass Konsumenten kriminalisiert würden. Brandenburg unterstütze eine Entkriminalisierung zugunsten der Konsumenten, da diese derzeit nur in Subkulturen und ohne Qualitätskontrolle an die Rauschmittel gelangen könnten.
Präventionsmaßnahmen, Beratung und Therapieangebote seien jedoch unabdingbar. Zu den Plänen der Bundesregierung werde sich Brandenburg positionieren, sobald ein Referentenentwurf mit konkreten Regelungsinhalten vorliege.
Ein Sprecher der Berliner Gesundheitsverwaltung verwies am Mittwoch auf die Stellungnahme vom Oktober zu dem Thema. Damals hieß es, die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung des Cannabis-Konsums seien gesundheitspolitisch sinnvoll und zu begrüßen. Zu den aktuellen Details wollte die Senatsverwaltung keine Stellung nehmen.
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Bayern kündigt Widerstand an
Die bayerische Staatsregierung hat die neuen Pläne scharf angegriffen und will die Legalisierung im Freistaat möglichst verhindern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das Vorhaben auf Twitter einen "Irrweg". Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte: "Die Ampelkoalition versucht jetzt krampfhaft, mit juristischen Winkelzügen Schlupflöcher für ihr ideologisches Legalisierungsprojekt zu finden." Gesundheitsrisiken würden verharmlost.
Die Argumentation, die Legalisierung führe zu mehr Jugendschutz, bezeichnete Holetschek als "schlechten Witz". Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schrieb sarkastisch auf Twitter: "Endlich können Bahnhofsdealer größere Päckchen für die Jugend packen u Polizei kann zuhause bleiben."
Polizeigewerkschaft warnt vor "Wallfahrtsorten"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Pläne der Ampel-Koalition hingegen kritisiert. Man erkenne darin deutlich mehr Klientelpolitik als einen deutlichen Fortschritt hin zu einer besseren Drogenprävention, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Poitz erwartet, dass der Entwurf auf Schwarzmarkthandel "keinen bedeutenden Einfluss entfalten" wird. Das gelte ebenso für den riskanten Cannabis-Konsum von Minderjährigen, kritisierte der Polizeigewerkschafter. Für die Polizei ergebe sich durch die Pläne keine nennenswerte Arbeitsentlastung.
Insbesondere die Schaffung von Cannabis-Konsumclubs eröffne neuen Möglichkeiten, unter dem Deckmantel vermeintlicher Vereinsarbeit die vorgeschriebene Abgabe von Cannabis zu unterlaufen, kritisierte der GdP-Vize. Der Besitz von maximal drei Pflanzen oder 25 Gramm Cannabis pro Person sei in der Praxis "prinzipiell nicht kontrollierbar". Die lizenzierten Geschäfte "könnten sich zu wahren Wallfahrtsorten von Konsumenten entwickeln", mahnte Poitz.