Proteste in Berlin
Große Randalen, wie es sie in früheren Jahren gab, sind am 1. Mai in Berlin dieses Jahr ausgeblieben. Innensenatorin und Polizei zeigen sich zufrieden mit dem eher ruhigen Verlauf. Festnahmen und Gewalt hat es dennoch gegeben.
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und die Berliner Polizei haben sich zufrieden mit dem Verlauf der Demonstrationen am 1. Mai gezeigt. "Im vergangenen Jahr haben wir vom friedlichsten Mai seit langem gesprochen. Diese Aussage kann ich heute wiederholen", twitterte Spranger am Dienstag.
"Und auf diejenigen, die Gewalt ausgeübt haben bzw. ausüben wollten, waren wir sehr gut vorbereitet", schrieb sie außerdem. Auch die Polizei sprach in ihrer Bilanz der Einsätze von einem weiteren friedlichen 1. Mai. Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einer "taktischen Meisterleistung" der Polizei. Es habe ein Gewaltpotenzial gegeben, "er habe auch durchaus Sorgen gehabt", sagte Wegner am Dienstag. Letztlich sei der Tag aber "sehr, sehr erfolgreich" gewesen.
Über den Tag hinweg begleitete die Polizei eigenen Angaben zufolge 19 Versammlungen. Insgesamt waren bei diesen Veranstaltungen laut Polizei rund 28.000 Teilnehmende. Rund 7.100 Polizisten waren dabei im Einsatz, mehr als im vergangenen Jahr. Davon kamen etwa 2.600 aus Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Schleswig-Holstein. Auch Beamte der Bundespolizei unterstützten die Berliner Polizei.
Einsatzkräfte nahmen Angaben der Polizei zufolge 67 Menschen fest. 21 davon kamen demnach für weitere Maßnahmen in Polizeigewahrsam. Die Polizei leitete 99 Ermittlungsverfahren ein, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Gefangenenbefreiung, Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung. Neun Einsatzkräfte wurden laut Darstellung der Polizei leicht verletzt, dabei habe es sich vor allem um Prellungen gehandelt.
Ein Großteil der Festnahmen, eingeleiteten Ermittlungsverfahren und verletzten Beamten stand im Zusammenhang mit der "Revolutionären 1. Mai Demonstration", die um 18 Uhr in Neukölln startet und an der etwa 12.000 Menschen teilnahmen, wie die Polizei weiter mitteilte. Die Veranstalter sprachen von 20.000 bis 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Ein israelfeindlicher Ruf für Palästina zu Beginn der Demonstration sei dokumentiert worden, nun werde geklärt, ob es sich um eine antisemitische Straftat handele, sagte die Polizeipräsidentin Slowik.
Trotz des ausdrücklichen Verbots der Polizei, zündeten Teilnehmer laut Polizeibericht etwa eine halbe Stunde nach dem Start der Demo Pyrotechnik, einige vermummten sich und skandierten polizeifeindliche Parolen. Vereinzelt warfen Teilnehmer Flaschen und Farbbeutel. Noch vor dem Erreichen des Endplatzes am Oranienplatz erklärte der Veranstalter die Demonstration für beendet.
Zu einem Video von einer aggressiven Polizeieinheit aus Mecklenburg-Vorpommern, die mit Schlagstöcken und Pfeffersprayflaschen die mit feiernden Menschen gefüllte Oranienstraße räumen wollte und dabei einen Mann auf die Straße stieß, sagte Slowik: "Wir nehmen die Hinweise sehr ernst. Wir werden den Vorfall sehr gründlich aufarbeiten, ganz sicher." Weiter könne sie aber so kurz nach dem Abend noch nichts zu dem Thema sagen.
Mit Blick auf eine zweite problematische Situation verteidigte Slowik das Vorgehen der Polizei. Gegen 20 Uhr stand die Demonstration mit 12.000 Teilnehmern am Kottbusser Tor still. Die dortige neue Polizeiwache im Hochhaus wurde mit vielen Polizisten geschützt. Nach vorne kamen die Demonstranten nicht weiter, hinten warteten tausende Menschen, rechts und links hatte die Polizei mit Stoßstange an Stoßstange stehenden Mannschaftswagen alles abgesperrt. Über einen längeren Zeitraum konnte fast niemand den Bereich verlassen.
Veranstalter und Unterstützer kritisierten, die Polizei habe einen "Kessel" gebildet, mehrere Menschen hätten Panikattacken bekommen. "Das Kottbusser Tor einzukesseln war mehr als fahrlässig." Auch Reporter des rbb und anderer Medien, die vor Ort waren, sahen die Polizeitaktik der seitlichen Abriegelungen kritisch. Slowik wies diese Kritik zurück. "Von einer Massenpanik wurde bei uns noch nichts erkannt. Es waren durchaus Möglichkeiten, auch sich auf den Weg zu machen raus aus diesem Engpaß", sagte Slowik.
Sendung: Radioeins, 02.05.2023, 15:03 Uhr
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