Anmeldung an Oberschulen
Für einige Berliner Bezirke ist es eine Herausforderung, ausreichend Plätze an Oberschulen bereitzustellen. Im vergangenen Jahr fehlte lange Platz für 180 Siebtklässler. Ein Jahr später sind einige Bezirke optimistischer, andere weniger. Von Kirsten Buchmann
Der Pankower Schulstadtrat Jörn Pasternack hat eine Tabelle vor sich. Rot gedruckt sind die Zahlen der Schülerinnen und Schüler, für die noch Oberschulplätze gefunden werden müssen: 141 an Gymnasien und 134 an Sekundarschulen. Insgesamt 275 Plätze fehlen Pankow damit, um sie zu versorgen.
Gemeinsam mit anderen Bezirken sei er auf der Suche nach Angeboten für die künftigen Siebtklässler, sagt Pasternack: "Ob wir das jetzt in Reinickendorf zustande bekommen oder ob das zum Beispiel im schlimmsten Fall von der Entfernung her Neukölln wird, wo man durch die ganze Stadt muss, das wollen wir natürlich vermeiden."
Er wollen die Wege möglichst kurz halten. Gegenüber dem vergangenen Jahr habe die Zahl der Anmeldungen für die siebten Klassen allerdings nochmals deutlich zugenommen. Pasternack hofft daher, an einem Pankower Gymnasium eine weitere Klasse aufmachen zu können. Diese neue Klasse sei bei den Pankower Schulplätzen auch schon mit eingerechnet. Mehr sei angesichts der Raumkapazitäten nicht drin.
Nicht möglich sei es etwa an seiner Schule, auf die Schnelle zusätzliche Plätze zu schaffen, sagt auch Sven Zimmerschied, Leiter der Friedensburg-Oberschule in Charlottenburg und Vorsitzender der Sekundarschulleitervereinigung. Damit Schulen zusätzliche Schüler aufnehmen könnten, bräuchten sie zumindest Ergänzungsbauten. "Denn das ist ja immer ein Verlust an Schulqualität, muss man sagen, da werden pädagogische Konzepte der Schulen mit kaputt gemacht, wenn man alles nur noch zusammenpfercht und jede Ecke nutzt."
Es gibt auch Bezirke, die nach dem Ende des Anmeldezeitraums im Februar noch freie Plätze hatten. So errechneten das Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln und Reinickendorf sowohl für Gymnasien als auch Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. Tempelhof-Schöneberg verzeichnete demnach freie Plätze noch an ISS und Gemeinschaftsschulen.
In Lichtenberg gibt es zwar an den Sekundarschulen einen Puffer von rund 80 Plätzen. Doch fehlen laut dem Schulamt 203 Plätze an Gymnasien. Der Leiter des Immanuel-Kant-Gymnasiums, Arnd Niedermöller, spürt den Engpass an den vielen Anmeldungen, die sich auf seinem Schreibtisch stapeln: "Für Eltern ist die Situation unzumutbar, dass man immer vor der Sorge steht, wo kommt mein Kind jetzt hin und dass es nicht so viele Schulen gibt, dass man sagen kann, in Lichtenberg sind alle Kinder mit Schulplätzen abgedeckt."
In diesem Jahr seien zu den vermutlich ohnehin zu knapp geplanten Schulplätzen ukrainische Schülerinnen und Schüler mit dazugekommen, sagt Niedermöller, der auch Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, also der Gymnasialschulleiter, ist. Mit dem Schulbau gehe es zu langsam voran, kritisiert er.
Die neue Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) will so schnell wie möglich Schulen bauen und erweitern. Beschleunigen wolle sie das durch klarere Zuständigkeiten und Entbürokratisierung. Sie findet die Schulplatzsituation ebenfalls unbefriedigend für alle, auch für die Pädagoginnen und Pädagogen: "Auch Schulleitungen brauchen verlässliche Zahlen, um den Stundenplan für das kommende Schuljahr zu machen", so Günther-Wünsch.
Gerade laufen der Bildungssenatorin zufolge letzte Abstimmungen zwischen ihrer Verwaltung und den zwölf Bezirken. Es soll herausgefunden werden, wo Schülerinnen und Schülern noch Plätze angeboten werden können: "Bei den weiterführenden Schulen gilt kein Einzugsgebiet mehr, sondern jeder hat für die weiterführende Schule drei Wünsche frei. Und wenn man die nicht erfüllen kann, wird geschaut, wie können sich die Bezirke untereinander helfen." Es ist ein Verfahren, das dauert.
Das gemeinsame Ziel sei aber, so Günther-Wünsch, dass es dieses Jahr nicht wie im vergangenen die Situation geben dürfe, "dass wir Schulbescheide ohne Schulplatzzuweisungen rausschicken. Da stecken wir momentan noch alle Anstrengungen rein."
Perspektivisch wollen CDU und SPD das Oberschul-Aufnahmeverfahren in Berlin ändern. In ihrem Koalitionsvertrag ist die Rede von einer neuen Eignungsfeststellung, "die gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler den Herausforderungen am Gymnasium gewachsen sind".
Der Blick geht dabei nach Brandenburg. Dort gibt es teils eine Eignungsprüfung für Schülerinnen und Schüler, die aufs Gymnasium wollen. Bei einem eintägigen Probeunterricht erledigen sie unter anderem Aufgaben in Deutsch und Mathematik.
Nicht nötig ist das, wenn eine Gymnasialempfehlung der Grundschule vorliegt und im Halbjahreszeugnis der sechsten Klasse die Noten in Mathe, Deutsch und der ersten Fremdsprache zusammen nicht über sieben liegen. Ob mit einem solchen Verfahren Berliner Schülerinnen und Schüler schneller Bescheid bekommen könnten, auf welche Oberschule sie kommen, will momentan niemand vorhersagen.
In zwei Berliner Bezirken hat sich die Schulplatzsituation diesmal entspannt. Mitte hatte zwar zunächst den Anmeldungen zufolge eine Lücke von 60 Plätzen genannt. Laut einem Sprecher richtet der Bezirk nun aber jeweils eine zusätzliche Klasse am Gymnasium Tiergarten und am Diesterweg-Gymnasium ein, damit alle einen Schulplatz erhalten.
Wie Mitte und Pankow hatte auch Treptow-Köpenick im vergangenen Jahr Schwierigkeiten, alle Schülerinnen und Schüler unterzubringen. Nach den diesjährigen Anmeldungen hieß es aus dem Bezirk, weitere Plätze stünden durch ein neu gegründetes Gymnasium zur Verfügung, so dass das rechnerische Defizit weitgehend ausgeglichen werden könne.
Zudem macht es sich aus Sicht des Bezirks zahlenmäßig bemerkbar, dass die Früheinschulung mit fünfeinhalb Jahren zum Schuljahr 2017/18 aufgehoben worden sei. Schon ein Schuljahr davor hätten die Eltern ihre Kinder leichter von der Einschulung zurückstellen können. Bei der aktuellen sechsten Jahrgangsstufe handele es sich "um einen vergleichsweise statistisch unterrepräsentierten Jahrgang".
Am 14. Juni sollen laut der Bildungsverwaltung die Bescheide über Aufnahme oder Nichtaufnahme an die Eltern der künftigen Siebtklässler versandt werden. Bis spätestens 5. Juli soll es Alternativvorschläge für Kinder geben, die nicht an einer ihrer Wunschschulen aufgenommen werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.05.2023, 19.30 Uhr
Beitrag von Kirsten Buchmann
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