Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie
Kohlroulade im Styroporsarg, Salat aus der Plastikschüssel: Wer sein Essen "to go" bestellt, erhält es oft in Einmalverpackungen. Seit Jahresbeginn muss die Gastronomie auch Mehrweg anbieten. Kontrolliert wird das bislang kaum. Von Oliver Noffke
Ein neues Gesetz zur Vermeidung von Verpackungsmüll in der Gastronomie wird in der Region offenbar nur in geringem Maße umgesetzt und bislang so gut wie gar nicht kontrolliert.
Seit Januar gilt die sogenannte Mehrwegangebotspflicht. Seitdem müssen viele Restaurants und andere gastronomische Betriebe Mehrwegbehälter bereitstellen, wenn sie Speisen und Getränke zum Mitnehmen in Einwegverpackungen anbieten. Ausgenommen sind kleine Betriebe mit höchstens fünf Angestellten und einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern [bundesregierung.de].
In Berlin wurde bislang lediglich in zwei von zwölf Bezirken gezielt kontrolliert, ob sich Gastronomen an das neue Gesetz halten. In Brandenburg haben diesbezüglich offenbar noch gar keine gezielten Überprüfungen stattgefunden. Das geht aus den Antworten auf einen Fragenkatalog hervor, den der rbb an sämtliche Kommunalverwaltungen in der Region gesendet hat. Zu prüfen, ob das Gesetz eingehalten wird, liegt in ihrer Zuständigkeit.
In den Bezirken Mitte und Reinickendorf haben bereits Rundgänge der Ordnungsämter stattgefunden, bei denen explizit kontrolliert wurde, ob Betriebe Mehrwegverpackungen vorhalten. Bei den ersten Rundgängen sei das Ergebnis recht ernüchternd gewesen, sagte die zuständige Bezirksstadträtin in Mitte Almut Neumann (Bündnis 90/Die Grünen) dem rbb. "Die Kolleg:innen sind in die Betriebe rein und tatsächlich ist keiner dieser Mehrwegangebotspflicht nachgekommen."
Bislang sei in solchen Fällen über die Änderung aufgeklärt worden, etwa durch Broschüren, so Neumann. Bußgelder habe man noch nicht verhängt. Das werde sich bald ändern, sagte die Bezirksstadträtin. "Wir werden ab Mitte Mai jetzt tatsächlich auch mit scharfen Kontrollen anfangen. Natürlich vor allem bei den Betrieben, bei denen schon einmal kontrolliert worden ist." Laut Gesetz kann bei Nichteinhaltung ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro verhängt werden. Der Bezirk Mitte werde anfangs eine Strafgebühr von 55 Euro erheben, sagte sie.
In den übrigen Bezirken haben noch keine gezielten Überprüfungen stattgefunden, was meist mit Personalmangel begründet wird. Aus den Rathäusern von Neukölln und Treptow-Köpenick hieß es auf Nachfrage des rbb, dass Abstimmungsbedarf mit der Senatsverwaltung bestehe, beziehungsweise dass die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt seien. Auch deshalb sei bislang nicht kontrolliert worden. Die Senatsverwaltung für Umwelt teilte auf Anfrage mit: "Die Kontrolle der Mehrwegangebotspflicht ist in jedem Fall Bezirksangelegenheit."
In den Brandenburger Landkreisen und kreisfreien Städten sollen sich die Unteren Abfallbehörden um die Kontrollen der Mehrwegangebotspflicht kümmern. Passiert ist das bisher offenbar nicht. Zehn der angefragten Kommunen teilten mit, dass sie bisher nicht gezielt auf das neue Gesetz hin Betriebe überprüft hätten. Entsprechend wurden auch noch keine Bußgelder in dieser Sache ausgestellt. Mehrere Landkreise wichen einer klaren Antwort aus, drei beantworteten die Fragen des rbb auch auf Nachfrage nicht.
Lediglich die Stadtverwaltung von Frankfurt an der Oder teilte mit, dass "sporadische Gelegenheitskontrollen bei Backstuben und Imbissen" stattgefunden hätten. Dabei sei festgestellt worden, dass viele dieser Betriebe bereits Mehrweglösungen bereithielten; wo Nachholbedarf bestanden habe, seien Beratungsgespräche durchgeführt worden. Für mehr fehle schlicht das Personal, hieß es. Knapp mehr als die Hälfte der angefragten Kommunen in Brandenburg nannten Personalmangel ebenfalls als Grund für die fehlende Kontrolle.
Der Hotel- und Gastronomieverband Berlin (Dehoga), geht davon aus, dass viele Wirte, Café- oder Gaststättenbetreiberinnen und andere betroffene Unternehmer nach wie vor gar nicht wissen, dass sie nun eventuell Mehrwegverpackungen bereitstellen müssen. "Kontrollen müssen sein", sagte Thomas Lengfeld, Dehoga-Hauptgeschäftsführer, dem rbb. "Scharfe Kontrollen" seien jedoch nicht zielführend. "Ich finde, wir sollten kommunizieren und letztendlich den Gewerbetreibenden auffordern, das Gesetz einzuhalten."
Dass Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche von dem Gesetz nicht betroffen sind, sieht Lengfelder kritisch. "Wenn man ehrlich ist: Gerade diese Betriebe sind natürlich die Hauptverursacher dieses Mülls, wenn man an das 'To go'-Geschäft denkt", sagte er. "Wenn die letztendlich nicht mit inbegriffen sind, dann macht das Gesetz wenig Sinn."
Laut Umweltbundesamt ist das Aufkommen von Verpackungsabfällen in den vergangenen drei Jahrzehnten massiv angestiegen. Zuletzt fielen demnach in Deutschland jährlich knapp 19 Millionen Tonnen Verpackungsmüll an [umweltbundesamt.de].
Wie viel Einweg- und Verpackungsmüll in der Gastronomie anfällt, wird in Berlin und Brandenburg nicht zentral erfasst. Die Betriebe müssen die Entsorgung selbst beauftragen. Als größte Verursacher gelten große Fast-Food-Ketten, aber auch Supermärkte, Kinos, Tankstellen und ähnliche.
Die Deutsche Umwelthilfe hat unterdessen Klage gegen eine Reihe von Konzernen und großen Franchisenehmern innerhalb großer Ketten eingereicht. Diese würden sich nicht an das neue Gesetz halten, heißt es zur Begründung am Montag. "Nachdem die [Deutsche Umwelthilfe] im Januar bei Testbesuchen zahlreiche Verstöße festgestellt hatte, wollten sich die Unternehmen nicht zur Einhaltung der gesetzlichen Mehrwegangebotsregelung verpflichten", teilte der Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzverein mit.
Konkret richtet sich die Klage gegen Edeka, Rewe, Starbucks und Yormas. Andere Unternehmen wie Cinestar, Cineplex oder Backwerk hätten ihr Mehrwegangebot nach Testbesuchen der Deutschen Umwelthilfe zu Jahresbeginn nachgebessert und sich verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben künftig einzuhalten, hieß es.
Der rbb hat sämtliche kommunale Verwaltungen in Berlin und Brandenburg zur aktuellen Lage der Kontrollen befragt. Antworten aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf sowie den Landkreisen Märkisch-Oderland, Ostprignitz-Ruppin und Uckermark blieben bis Redaktionsschluss aus.
Mitarbeit: Bärbel Lampe, Caroline Neubert und Henrike Reintjes
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.05.2023, 19.30 Uhr
Beitrag von Oliver Noffke
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