Kulturausschuss berät Gesetzentwurf
Neue gesetzliche Regelungen in Brandenburg sollen helfen, dass Denkmalschutz nicht den Ausbau Erneuerbarer Energien ausbremst. Einem Gesetzentwurf zufolge werden Schutzgebiete reduziert - die Windkraft-Industrie ist trotzdem nicht zufrieden. Von Torsten Mandalka
Der Ausbau der Windkraft in Brandenburg erfolgt zu langsam, bleibt bürokratisch und wird zu teuer - das zumindest ist die Befürchtung der Windkraft-Industrie vor der Anhörung an diesem Mittwoch im Kulturausschuss des Brandenburger Landtags. Dort wird die Novelle des Denkmalschutzgesetzes beraten. Neue Regeln sollen den Ausbau von Windenergie im Umfeld von denkmalgeschützten Gebäuden oder Anlagen eigentlich beschleunigen und entbürokratisieren - doch: Der Teufel steckt im Detail.
"Der Errichtung oder Veränderung von Windenergieanlagen stehen Belange des Denkmalschutzes nicht entgegen", heißt es beispielsweise im Gesetzentwurf - aber auch weiter: "soweit die Windenergieanlagen nicht in der Umgebung eines besonders landschaftsprägenden Denkmals errichtet (…) werden". Nur: Was ist ein "besonders landschaftsprägendes Denkmal"? Und wann ist die Beeinträchtigung eines solchen Denkmals "nicht erheblich", wie es im Entwurf weiter heißt?
Das brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege hat dazu eine Liste vorgelegt, die voraussichtlich Grundlage für die zukünftigen Standortplanungen sein wird. Die Liste liegt rbb24-Recherche vorab vor. Aufgeführt sind dort – unumstritten – die Brandenburger Weltkulturerbestätten, aber auch etliche Schlossanlagen oder Gutshäuser und deren Parkanlagen. Auch die umstrittene verfallene Gutsanlage in Damitzow in der Uckermark ist weiter Bestandteil der Liste.
Bei all diesen Denkmälern sieht die Behörde einen "besonderen Raumbezug" im Umkreis und definiert einen Radius von bis zu zwölf Kilometern, in dem Windräder weiterhin nur nach besonderer Prüfung errichtet werden dürfen. Nach Berechnungen des Windkraft-Projektierers WPD betreffen diese Flächen eine Million Hektar, ein Drittel der Landesfläche in Brandenburg.
Das sei "völlig unverhältnismäßig", sagt Ulf Sieberg von WPD. Die Landesregierung müsse dafür sorgen, "dass die Prüffälle auf maximal 25 Denkmäler begrenzt werden", fordert er. Ansonsten sei eine Klagewelle vorprogrammiert, "wenn Windenergieanlagen im Wirkungsraum von Denkmälern reihenweise über Jahre blockiert oder ganz verhindert werden".
Auch Jan Hinrich Glahr, Vorsitzender des Landesverbands Windenergie Brandenburg, befürchtet, dass durch die Denkmalschutz-Verordnung der "im besonderen öffentlichen Interesse" des Klimaschutzes liegende Ausbau der Windenergie ausgebremst werden könnte. "Wir denken vor allen Dingen an die kommenden Jahre, wo der Ausbau der Erneuerbaren massiv gesteigert werden muss. Und bereits heute wissen wir, dass bundesweit ungefähr zehn Prozent der Windkraftanlagen Projekte durch den Denkmalschutz blockiert sind." Glahr setzt weiterhin auf den Dialog mit der Landesregierung und dem Parlament und hofft, "dass die Menschen verstehen, dass das keine problematische Landschafts-Verschandelung ist, sondern eine wertvolle Unterstützung für die Energieversorgung der Zukunft".
Im Haus von Kulturministerin Manja Schüle (SPD) versteht man die ganze Aufregung nicht. "Bislang war das ganze Land beim Bau von Windkraftprojekten denkmalfachliche Prüffläche", sagt Schüles Sprecher Stephan Breiding. Jetzt werde es in weiten Teilen des Landes überhaupt keine Denkmal-Prüfung mehr geben. "Damit schaffen wir Transparenz und entlasten Windkraft-Planer und -Betreiber deutlich."
Auch von Seiten der SPD-Fraktion heißt es, es sei "das erklärte Ziel des Gesetzentwurfes, dass künftig Anlagen zur Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien an bzw. auf Denkmälern und in deren Umgebung in der Regel ermöglicht werden sollen." Dieses Ziel teile man uneingeschränkt. Und der Koalitionspartner CDU gibt zu Protokoll, Klimaschutz, Ausbau der erneuerbaren Energien und Denkmalschutz seien gleichermaßen wichtige Ziele, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften: "Wir sind überzeugt, dass Denkmalschutz und der Ausbau der Windkraft sinnvoll in Einklang gebracht werden können." Wie genau das erreicht werden kann, werde jetzt das parlamentarische Verfahren ergeben.
Selbst von Seiten der Opposition wird der Gesetzentwurf und seine Auslegung begrüßt. Das schaffe "planerische Klarheit", heißt es bei der Linken, "umgeht Einzelfallentscheidungen der Unteren Denkmalschutzbehörden und ist eigentlich sogar eine entbürokratisierende Vorleistung der Landesdenkmalschutzbehörde". Während die AfD mit der Aussage, bei kulturhistorisch besonders wertvollen Denkmälern, sehe man ein hohes Schutzbedürfnis, etwas vage bleibt, weisen die Freien Wähler die Kritik der Windkraftbetreiber deutlich zurück: "Nach unserer Auffassung müsste noch mehr Denkmälern eine Raumwirksamkeit zugesprochen werden", heißt es in der Erklärung der Fraktion. Schon jetzt produziere die Windkraft in Brandenburg Überkapazitäten. "In dieser Situation ist es für uns nicht nachvollziehbar, wenn die Windkraft-Industrie fordert, für noch mehr subventionierte Windräder den Anwohner-, Arten- oder Denkmalschutz zu opfern."
Wie zugespitzt der Konflikt um Windkraft und Denkmalschutz sein kann, erfährt man in aller Deutlichkeit erst in Hintergrundgesprächen. Da ist auf der einen Seite von "Wald- und Wiesenpolitikern" die Rede, von denen ja jetzt jeder kommen könne, um sein Dorfdenkmal auf die Liste zu setzen. Auf der anderen Seite heißt es, die Windkraft-Industrie wolle einen Freifahrtschein für ein Millionen-Geschäft, den werde es aber nicht geben. Irritiert ist man beim Windenergie-Verband, dass kein Vertreter der Branche zur Anhörung im Landtag eingeladen wurde. Aus der Windkraft-Szene kommt dann noch der süffisante Hinweis: Wenn der Klimaschutz nicht gelänge, würden wohl auch die Gartendenkmäler bald austrocknen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.05.2023, 06:55 Uhr
Beitrag von Von Torsten Mandalka, rbb24 Recherche
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