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Brandenburgs Parteien nach dem AfD-Landratswahlsieg
Die Wahl eines AfD-Kandidaten zum Landrat im thüringischen Sonneberg ist ein Warnsignal für die Politik. Brandenburgs Parteien reagieren, indem sie erklären, ihr eigenes Profil schärfen zu wollen. Und das heißt: härtere Auseinandersetzungen. Von Andreas B. Hewel
Chemische Versuche im Reagenzglas sind klein und ihre Folgen sind überschaubar. Und dennoch sind sie aufschlussreich und zeigen symptomatisch, wie prinzipiell Reaktionen ablaufen. So wie es im Kleinen ist, so ist es auch im Großen. Genau so kann man auch die Landratswahl im thüringischen Sonneberg einordnen. Der Landkreis ist einer der kleinsten der gesamten Bundesrepublik. Gerade mal 48.000 Wahlberechtigte kann er aufweisen. Der AfD-Kandidat Robert Sesselmann erreichte dort in der Stichwahl mit knapp 53 Prozent die Mehrheit, was in der Summe der gültigen Stimmen heißt: rund 15.000 Wähler sprachen sich für ihn aus. Damit gewann er die Wahl gegen den CDU-Kontrahenten Jürgen Köpper.
Der erste Sieg bei einer Landratswahl, damit ein erster gewählter AfD-Landrat: Die Partei hofft nun auf weitere Erfolge, im Kleinen wie im Großen.
Diesen Sieg nun feiert die AfD-Bundesspitze, als habe sie mindestens eine Landtagswahl gewonnen. Der Wahlsieg "sei erst der Anfang", orakelt der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Und Brandenburgs AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin sieht in dem Wahlergebnis vor allem eine Reaktion auf die Politik der Bundesregierung. "Das Ergebnis in Sonneberg zeigt natürlich ganz klar, dass die Wähler auf diese Ampelbevormundung, auf Preisexplosion, Inflation, Genderirrsinn, Bürgerferne und die ganzen Krisen, dem Dauerkrisenmodus, in dem wir uns befinden, dass die Menschen keine Lust mehr darauf haben", interpretiert Bessin den Wahlausgang. "Sie sehen weder bei CDU, SPD, Linken, Grünen Lösungsansätze, sondern sie erkennen, dass die Alternative für Deutschland eine Alternative zu dieser Politik bietet mit guten Lösungsansätzen." Bessin sagt, sie sei zuversichtlich, dass man "auch unsere AfD in Zukunft bei jeder Wahl ernst nehmen sollte".
Dass bei der Landratswahl in Sonneberg vor allem die Bundespolitik den Ausschlag gab, glaubt auch der Generalsekretär der Brandenburger SPD David Kolesnyk. Er glaube nicht, dass die Wähler dort tatsächlich der Meinung seien, der AfD-Kandidat sei auch der bessere Landrat. "Sie haben eher ihren Missmut über bundespolitische Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, über die politische Großwetterlage, und sie haben offensichtlich auch nicht bei der oppositionellen CDU ihr Vertrauen setzen wollen", erklärt Kolesnyk und verpasst damit vor allem der Union einen Seitenhieb, die zusammen mit SPD und Grünen immerhin Koalitionspartner ist in Brandenburg.
Neben den Streitereien in der Bundesregierung stünden eben auch die Oppositionsparteien im Bund nicht gut da, sagt Kolesnyk. "Die Linke beschäftigt sich ja mit Frau Wagenknecht und Herr Merz streitet sich mit Herrn Wüst, wer der nächste Kanzlerkandidat wird."
Nach einem Schulterschluss der demokratischen Parteien sieht das nicht aus. Den will auch kaum jemand. Im Gegenteil, die eigene Profilierung über politische Themen wollen die meisten Parteien jetzt vor allem betreiben. "Wir müssen auch kontroverse Meinungen zwischen den Parteien zulassen, die mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, ohne sich dann gegenseitig gleich vorzuwerfen, man würde an irgendwelchen Rändern fischen oder dergleichen", gibt der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann die Richtung für seine Partei vor.
Redmann will eine konservativere Ausrichtung seiner Partei gerade in der Migrations- oder Flüchtlingspolitik und wehrt sich gegen Vorwürfe, damit der AfD nachzulaufen. "Hier in der Sache auch hart miteinander zu diskutieren, um eine bessere Lösung zu finden, das ist das, was die Menschen von der Politik und von der Demokratie erwarten", fordert er.
Auch die Linke will deutlich klarer zeigen, wofür sie steht. Mehr Profil und weniger taktische Debatten fordert ihr Landesvorsitzender Sebastian Walter. "Allein immer nur das Gerede über Schulterschluss oder andere Debatten, wie es die CDU tut, wird nicht helfen", klagt Walter. "Wir dürfen rechte Narrative, rechte Erzählungen nicht übernehmen. Wir setzen nicht auf Spaltung, wir setzen nicht auf Abschottung, sondern wir setzen auf Solidarität und das löst die Probleme und nicht weitere Politikdebatten."
So sind es vor allem die Grünen, die noch offen für einen Schulterschluss werben. "Gerade jetzt müssen wir zusammenstehen als demokratische Parteien, demokratische Vielfalt darlegen und eng zusammenstehen gegen rechtsradikale Parteien", mahnt die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl an und wirft der AfD vor, keine Lösungen für Probleme zu haben. "Die AfD spielt mit den Sorgen der Menschen, lebt von den Sorgen der Menschen, hat aber keine Antworten darauf. Und wir als demokratische Parteien müssen in unserer Vielfalt als demokratische Parteien dann die entsprechenden Antworten und Lösungen liefern."
Grundsätzlich sei das Verständnis der Grünen, den Menschen zuzuhören, ihre Sorgen ernst zu nehmen und eine klare Sprache zu sprechen. Dazu gehöre dann auch, die AfD ganz klar als rechtsradikale, demokratiefeindliche Partei zu demaskieren.
Ob der AfD-Erfolg bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg ein Einzelfall bleibt, wird sich schon bald auch in Brandenburg zeigen. Denn wessen Parteikonzept am besten aufgeht, dafür wird die nächste Landratswahl im Landkreis Dahme-Spreewald am 8. Oktober ein Gradmesser sein. Der bisherige Amtsinhaber Stephan Loge, SPD, war 2015 mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt worden.
Loge war drei Jahre zuvor bundesweit bekannt geworden, als er wegen Baupfuschs am neuen Flughafen BER den Eröffnungstermin platzen ließ - ein zwar richtiger und unumgänglicher, aber dennoch mutiger und entschlossener Schritt des Landrates. Jetzt tritt er aus Altergründen nicht mehr an. Seine Stellvertreterin Susanne Rieckhof geht nun für die SPD ins Rennen. Noch bis August können sich weitere Kandidaten melden. Zwei weitere Kandidaten stehen bereits fest. Die Union und die FDP unterstützen zusammen den parteilosen Sven Herzberger. Und die AfD wird mit dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré antreten.
"Man muss natürlich die Entwicklung in Sonneberg beobachten und man muss das sehr ernst nehmen", warnt die SPD-Kandidatin Rieckhof. Monatelang sei man von einem Krisenmodus in den nächsten gekommen. "Da ist es natürlich verlockend, wenn da jemand kommt und sagt, dass alles ganz einfach ist, wir haben keine Klimakrise, wir brauchen keine Energiewende. Wir kriegen das alles irgendwie hin. Alles kann so bleiben, wie es ist.“ Doch Rieckhof baut darauf, dass die Menschen wüssten, was die Stunde geschlagen hat. "Sie brauchen ja nur übers Land zu fahren. Wenn die Landwirte mit ihren Traktoren draußen sind auf den Äckern, sieht das eher so aus, als würden sie in der Wüste Namib pflügen. Das heißt, wir müssen uns dem Thema Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energie widmen."
Die AfD, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, gibt sich kämpferisch. "Unser Ziel ist nicht nur Wahlkampf zu machen", sagt die Landesvorsitzende Bessin. "Unser Ziel ist ganz klar, überall, wo wir antreten, auch gewählt zu werden. Und selbstverständlich ist auch unser Ziel, den nächsten Landrat im Landkreis Dahme-Spreewald zu stellen."
Die AfD will SPD-Generalsekretär Kolesnyk vor allem thematisch stellen, also klar machen, worum es bei der Landratswahl geht. Und er will um eine hohe Wahlbeteiligung kämpfen. "Es wird darum gehen, dass die Demokratinnen und Demokraten auch zur Wahl gehen, und dass deutlich gemacht wird, dass entschieden wird, wer diese große Verwaltung dort vor Ort führt - und dass da nicht entschieden wird, wann wer eine neue Heizung einbauen muss."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 26.06.2023, 19.30 Uhr
Beitrag von Andreas B. Hewel
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