Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin
Die Regierungschefs der Länder haben sich am Donnerstag mit Bundeskanzler Scholz zur Ministerpräsidentenkonferenz getroffen. Brandenburg forderte eine gerechtere Kostenverteilung für den Netzausbau der Öko-Energien.
Die Länder machen Druck auf den Bund, die Voraussetzungen für eine schnellere Planung und Genehmigung von Infrastrukturprojekten zu schaffen.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), kritisierte am Donnerstag in Berlin, dass der Pakt zur Beschleunigung bei den Bund-Länder-Beratungen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut nicht entschieden werde. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz zu diesem Thema. Nach den Beratungen im eigenen Kreis trafen sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten am Donnerstag mit dem Kanzler.
Der Bedarf für schnellere Genehmigungen sei unbestritten da, sagte Weil nach den Gesprächen im Länderkreis. Das zeige der Bereich der erneuerbaren Energien mit einer ganzen "Welle" von neuen Gesetzen. "Aber zu langsam, zu umständlich und zu kompliziert und deswegen auch zu teuer sind wir natürlich in vielen anderen Bereichen", sagte der SPD-Politiker.
Wüst ergänzte: "Auch da lähmt der Streit innerhalb der Ampel." Deutschland brauche schnellere Genehmigungen, um ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort zu bleiben. Wenn der Bau zum Beispiel von Straßen, Autobahnen oder Radwegen zu lange dauere, dann verlören die Menschen das Vertrauen in den Staat. Schon im März habe er zusammen mit Weil den Kanzler dazu angeschrieben. "Deutschland-Tempo ist gut, aber es funktioniert nicht, wenn der Tempomat auf null km/h eingestellt ist", sagte der CDU-Politiker.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Bundeswirtschaftsminister (Robert) Habeck hat angekündigt, konkrete Vorschläge zu machen. Sie müssen jetzt auf den Tisch." Ihm gehe es insbesondere um die klimaneutrale Mobilität und den Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne." Die Projekte sollten konkret benannt werden. "Es darf nicht sein, dass Planung und Bau einer Bahnstrecke 25 Jahre dauert und unterwegs ständig beklagt wird."
Bei den Beratungen der Länderregierungschefs mit dem Kanzler ging es erneut auch um die Flüchtlingspolitik. Weil sagte, es gehe weiterhin um die Grundsatzfrage der Kostenverteilung.
Der Bund hatte beim Flüchtlingsgipfel vor rund einem Monat eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten wird derzeit in einer Arbeitsgruppe beraten. Im November soll entschieden werden.
Der EU-Asylkompromiss stößt bei den Ländern auf breite Zustimmung. Es habe unter ihnen eine "nahezu einhellige Zustimmung" gegeben, sagte Weil.
Nach den jüngsten EU-Plänen ist unter anderem ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. So sollen Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Einrichtungen kommen - auch Familien mit kleinen Kindern. Das EU-Parlament kann noch Änderungen durchsetzen.
Wüst nannte die Absicht, Zentren für Asyl-Entscheidungen an den EU-Außengrenzen einzurichten, eine "große Aufgabe". Das heiße aber, dass die Verabredungen der EU-Innenminister in diesem und wohl auch im nächsten Jahr noch keine Entlastungen für die Kommunen brächten.
Besorgt zeigten sich die Ministerpräsidenten über die Energiepreise für die deutsche Industrie, insbesondere für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Sie seien oft nicht mehr konkurrenzfähig. Sie erhielten oft keine Aufträge mehr, ausländische Eigentümer stellten Investitionen in Deutschland infrage, sagte Weil. Es gehe nicht nur um ganz große Unternehmen, sondern auch um den industriellen Mittelstand.
"Da droht ein Substanzverlust für Deutschland", warnte Weil. Man werde die Bundesregierung eindrücklich bitten, "entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die industrielle Substanz in Deutschland zu sichern". In EU-Staaten wie Italien oder Spanien geschehe dies auch, beispielsweise über Steuergutschriften. "Und meine Erwartung ist, dass Deutschland auch in der Lage sein muss, seine Interessen so zu vertreten, wie dies eben andere Länder tun."
Brandenburg drang zudem mit neun weiteren Bundesländern auf eine gerechtere Verteilung der Kosten für die Netze zum Ausbau der Öko-Energien. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen fordern nach Informationen aus Potsdam in einer Protokollerklärung über den Ausbau der erneuerbaren Energien faire Netzentgelte. Die derzeitigen Regelungen führen nach ihrer Auffassung dazu, dass Stromverbraucherinnen und -verbraucher in Regionen mit einem starken Ausbau benachteiligt werden.
"In Brandenburg haben viele das Windrad vor dem Wohnzimmer und die hohe Stromrechnung im Briefkasten", kritisierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der die Forderung initiiert hatte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versicherten nach Angaben aus Brandenburg, dass sie sich des Themas annehmen wollen. Scholz signalisierte, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Bei der Ausarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie fühlen sich die Bundesländer von der Bundesregierung übergangen. Leider sei das Konzept ohne die Beteiligung der Länder ausgearbeitet worden, betonte Wüst. Dabei hätten die Länder auch Zuständigkeiten bei innerer Sicherheit, Cyber-Sicherheit und beim Katastrophen- und Zivilschutz.
Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch eine Sicherheitsstrategie beschlossen, in der erstmals alle sicherheitsrelevanten Themen von der Ausrüstung der Bundeswehr über den Kampf gegen den Klimawandel bis zum Katastrophenschutz verknüpft werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.06.23, 19:30 Uhr
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