Fünf Jahre Berliner Regenwasseragentur
Alles Gute kommt von oben: Wertvolles Regenwasser zu speichern, soll Berlin gegen Überhitzung und Überflutung helfen. Die Bilanz der dafür gegründeten Regenwasseragentur aber fällt nach fünf Jahren überschaubar aus. Von Sabine Müller
Der Regen kommt heute aus der Kanne. An einer kleinen Teststation begießt die Regenwasseragentur-Chefin Darla Nickel gemeinsam mit Berlins Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) und dem Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe, Christoph Donner, verschiedene Oberflächen. Die bepflanzte Erde speichert das Wasser wunderbar, auch der sandige Boden nimmt es sehr gut auf, aber von der glatten Betonfläche läuft es sofort in den Gulli, der hier ein Eimer ist.
Berlin soll zur Stadt werden, die Regenwasser wie ein Schwamm speichert, um in Zeiten von Hitze, Dürre und Unwettern kühler zu bleiben und Überflutungen zu entgehen. Dafür soll Regenwasser dort versickern oder gesammelt werden, wo es fällt, und nicht durch die Kanalisation rauschen. Bei der Umsetzung soll die Regenwasseragentur Behörden, Planern und Bürgern helfen. Dafür wurde sie 2018 von Land und Wasserbetrieben gegründet. Am Mittwoch zogen die Verantwortlichen eine erste Bilanz - und die fällt, was konkrete Verbesserungen angeht, mäßig aus.
Die neue Umweltsenatorin Manja Schreiner erklärt bei dem Pressetermin am Mittwoch, sie sehe in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte in Berlin. "Wir haben inzwischen einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir Regenwasser als eine wertvolle Ressource begreifen", sagt sie und nennt Beispiele. Am Mauerpark etwa sei ein riesiger unterirdischer Regenwasserspeicher entstanden, aktuell werde der Gendarmenmarkt mit unterirdischen Speichern, sogenannten Rigolen, umgebaut.
Die Regenwasseragentur-Chefin Darla Nickel erzählt, bei neuen Stadtquartieren sei es inzwischen Standard, so zu planen, dass Regen lokal versickere. Schreiner nennt den Blankenburger Süden, Karow-Süd oder die "Alte Gärtnerei" in Heinersdorf als Beispiele für abflusslose Quartiere. Im Neubau gehe es gut voran, sagt Nickel, das Sorgenkind seien die Bestandsgebäude - und vor allem sei es der Umbau des öffentlichen Raums, wo die Flächenkonkurrenz am größten sei.
Denn auch andere Akteure in der Stadt melden Wünsche für Flächen an, die die Regenwasseragentur gerne entsiegeln würde. Nickel berichtet vom alltäglichen Kampf darum, dass Regenwasser und Klimaanpassung bei der Stadtplanung gewännen. Aber: "Ganz oft passiert es immer noch, dass sie nicht gewinnen", sagt sie.
Um bei der Entsiegelung spürbar voranzukommen, setzt Nickel ihren Worten zufolge unter anderem darauf, private Wohnungsunternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Bei deren Außenanlagen etwa sehe sie viel Potential, damit mehr Regenwasser versickere.
Auch die Senatorin Schreiner, die vorher Hauptgeschäftsführerin beim regionalen Arbeitgeberverband Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg war, spricht davon, die "Privaten" müssten zunehmend einbezogen werden. "Deren Engagement wollen wir stärker fördern," kündigt sie an. Wie genau der Staat private Unternehmen dazu bewegen will, führt sie am Mittwoch nicht aus. Schreiner räumt ein, dass es "noch ein langer Weg" sei, bis Berlin eine echte Schwammstadt sei.
Um zum Jubiläum der Regenwasseragentur die Fortschritte der vergangenen Jahre zu bewerten, wären Zahlen hilfreich gewesen. Zum Beispiel: Wie viele Kubikmeter Regenwasser fließen nun nicht mehr in die Kanalisation, sondern versickern oder werden gespeichert? Aber die Agenturchefin Darla Nickel kann keine liefern, denn Daten zur versiegelten Fläche Berlins wurden zuletzt vor 23 Jahren ermittelt. Erst jetzt sei man dabei, neue zu erheben, sprich: Bilder aus der Luft zu machen, räumt Nickel ein.
Beim Thema Kosten nennt Christoph Donner, der Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe, konkrete Zahlen. Er rechnet vor, dass Entsiegelung zwischen neun und 210 Euro pro Quadratmeter koste, der Bau von unterirdischen Speichern bis zu 13.000 Euro pro Kubikmeter.
Die Gesamtkosten für den Umbau Berlins zur Schwammstadt beziffert er auf mindestens fünf bis zehn Milliarden Euro. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: So viel Geld hat der schwarz-rote Senat insgesamt in seinem geplanten sogenannten Sondervermögen für mehr Klimaschutz vorgesehen – für alle Projekte. Deshalb denkt Donner auch über andere Finanzierungswege für "blau-grüne Infrastruktur" nach.
Er stellt die Frage, ob alle bereit seien, "ein bis zwei Euro im Monat für diese Infrastruktur zu investieren." Auf Nachfrage, ob er damit eine Regenwassersteuer oder -gebühr meine, antwortet der Chef der Wasserbetriebe: "Am Ende müssen wir darüber sprechen, wer zahlt den Umbau der Infrastruktur, wer ist Nutznießer?" Es müsse geklärt werden, so Donner, ob man auch Bürger oder Immobilienbesitzer an der Finanzierung beteiligen könne und ob es um eine "steuerliche" oder "gebührenanteilige Betrachtung" gehe.
Als Umweltsenatorin Schreiner nach ihrer Einschätzung gefragt wird, reagiert sie zurückhaltend und verweist nur auf die laufenden Haushaltsberatungen. Eine Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe stellt später klar, Donners Aussagen seien nicht als politische Forderung zu verstehen. Er habe nur die Summe, um die es geht, veranschaulichen wollen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.06.2023, 15 Uhr
Beitrag von Sabine Müller
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