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Video: rbb|24 Abendschau | 29.06.2023 | T. Rostek / F. Drescher / C. Winterhagen | Quelle: dpa/J. Carstensen

Sparkurs in Berlin angekündigt

Bezirke sollen Listen erstellen, "was wirklich wichtig ist"

Die Berliner Bezirke müssen voraussichtlich massive Einsparungen vornehmen. Das gehe vor allem zu Lasten sozialer Einrichtungen, warnen die Bezirke. Finanzsenator Evers will nun Kompromisse finden - Sparen sei aber unumgänglich.

Nachdem mehrere Berliner Bezirke aufgrund des Senats-Haushaltsplans für 2024/25 massive Kürzungen vor allem im Sozialbereich angekündigt haben, signalisiert Finanzsenator Stefan Evers (CDU) Gesprächsbereitschaft. Dem rbb sagte Evers, er habe "Verständnis, dass es eine gewisse Unzufriedenheit gibt." Die von den Bezirken kritisierten Haushaltszahlen gingen aber noch auf den rot-grün-roten Vorgängersenat zurück, so der CDU-Politiker.

Mehrere Bezirksbürgermeister hatten davor gewarnt, dass beispielsweise Sozialarbeit, Obdachlosenprojekte und die Suchthilfe wegfallen müssten, wenn es ab dem kommenden Jahr nicht mehr Geld gebe.

Streit über Geld für Berliner Bezirke

Neukölln rechnet mit Kürzungen - und legt Streichliste vor

Der Bezirk Neukölln rechnet damit, im neuen schwarz-roten Haushalt weniger Geld zu bekommen. Soziale Projekte könnten daher wegfallen. Gekürzt werden müsste auch bei der Pflege von öffentliche Anlagen wie Schulen oder Parks.

Evers: "Die Haushaltslage ist angespannt"

"Ich habe den Bezirken signalisiert, dass wir darüber noch einmal sprechen werden", sagte Evers und betonte zugleich: "Die Haushaltslage ist angespannt." Das habe mit allgemeinen Preissteigerungen zu tun, während gleichzeitig die Steuereinnahmen nicht Schritt hielten. Von dieser Entwicklung seien Senatsverwaltungen und Bezirke gleichermaßen betroffen.

Bei Personal- und Energiekosten sei den Bezirken bereits eine Kompensation zugesagt worden, betonte Evers. "Bei den Sachausgaben muss man sich das noch einmal genau anschauen." Für den Doppelhaushalt 2024/25 sieht der Finanzsenator aber die klare Notwendigkeit, zu sparen. "Unter dem Strich wird es nur gehen, wenn alle in ihren Zuständigkeitsbereichen priorisieren." Konkret müsse nun geschaut werden, "was ist einem wirklich wichtig und wo setzt man persönliche Schwerpunkte."

Neue Schulden durch Corona- und Energiekrise

In den vergangenen Jahren hatte Berlin wegen der Corona- und der Energiekrise mehrere Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Ohne diese Kredite würde im Haushalt eine beträchtliche Finanzierungslücke klaffen. "Wir haben das Ziel, den Haushalt so zu konsolidieren, dass er in wenigen Jahren auch strukturell ausgeglichen ist", sagte Evers und bekräftigte, dass die Koalition jetzt den Konsolidierungspfad einleiten werde.

Der Entwurf des neuen Doppelhaushalts sollen Mitte Juli vom Senat beschlossen werden. Mehrere Bezirke haben kritisiert, dass ihnen zweistellige Millionensummen besonders für soziale Projekte fehlen würden, wenn die bisher bekannten Zahlen sich im Etatentwurf wiederfinden.

Hikel sieht alternative Sparmöglichkeiten

Der Bezirksbürgermeister von Neukölln, Martin Hikel (SPD), begrüßte Evers' Gesprächsbereitschaft. Er sehe durchaus noch Potentiale für alternative Sparmöglichkeiten, sagte Hikel dem rbb. Als Beispiel nannte er den 60 Millionen Euro teuren Umbau vorhandener Fußgängerampeln zu Countdown-Ampeln. Es müsse unter den aktuellen Sparvorgaben abgewogen werden, ob das noch richtig sei.

Hikel wies in der der rbb24 Abendschau erneut darauf hin, dass die Bezirke frei verfügbare Mittel in den vergangenen Jahren dort eingesetzt hätten, wo der Schuh gedrückt habe - das sei im Bereich Schule und Jugendarbeit, Obdachlosigkeit und Suchthilfe der Fall gewesen. Wenn diese Mittel nun wegfallen würden, könne man sie auch nur an diesen Stellen wieder abziehen, da alle anderen Mittel durch gesetzliche Vorgaben gebunden seien.

Außerdem müssten auch Personalausgaben drastisch reduziert werden, so Hikel. Sein Eindruck sei aber, dass die Bürgerinnen und Bürger schon jetzt mit den Dienstleistungen dieser Stadt nicht zufrieden seien.

Oltmann spricht von "richtig, richtig großem Problem"

Der Bezirk Neukölln hatte bereits Sorge geäußert, bei sozialen Angeboten massiv sparen zu müssen. Ähnliche Äußerungen kamen aus anderen Bezirken. Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) sagte dem "Tagesspiegel"-Newsletter "Checkpoint" vom Donnerstag, es gebe ein "richtig, richtig großes Problem" für ganz Berlin. "Auch wir in Tempelhof-Schöneberg werden gehalten sein, beim Personal und bei den freiwilligen sozialen Ausgaben zu kürzen." Nach seiner Einschätzung werden alle Bezirke darüber nachdenken müssen, Einrichtungen zu schließen.

Ähnlich lautet die Einschätzung aus Friedrichshain-Kreuzberg. Auch dort drohen demnach Einsparungen etwa bei Suchthilfe, Straßensozialarbeit, Angeboten für Obdachlose, oder der Reinigung der Parks. Der Bezirk müsse rund 20 Millionen pro Jahr einsparen.

Igel beklagt "finanziell stürmische Zeiten"

Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick Oliver Igel (SPD) sieht "insgesamt finanziell stürmische Zeiten auf die Bezirke zukommen", sagte er dem "Checkpoint". Auch in seinem Bezirk fehlten 20 Millionen Euro. In Charlottenburg-Wilmersdorf wird die Lage ähnlich eingeschätzt. Ohne massive Kürzungen im Bereich der freiwilligen sozialen Leistungen und beim Personal könne ein ausgeglichener Haushalt nicht realisiert werden, heißt es dort.

Der schwarz-rote Senat bereitet derzeit den neuen Doppelhaushalt 2024/2025 vor. Dieser soll voraussichtlich Mitte Juli im Senat beschlossen und in der zweiten Jahreshälfte im Abgeordnetenhaus behandelt werden soll.

Etwa jedes vierte Kind in Berlin von Armut bedroht

Abgehängt

Jedes vierte Berliner Kind gilt als armutsgefährdet. In den vergangenen sechs Jahren sollte eine Kommission die Lage verbessern, ihre Konzepte aber blieben vage und Fördergelder wurden nicht abgerufen. Von Bernadette Huber

Wohlfahrtsverbände warnen vor Sparkurs

Auch die großen Wohlfahrtsverbände in Berlin warnen vor einem Sparkurs zu Lasten sozialer Einrichtungen. In einem am Donnerstag veröffentlichten offenen Brief der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege heißt es, die geplanten Einsparungen im Landeshaushalt seien eine ernste Gefahr für die soziale Infrastruktur und den Zusammenhalt in der Stadt.

Die Sparvorgaben der Senatsfinanzverwaltung ignorierten "elementare sozialpolitische Notwendigkeiten". Der soziale Frieden sei in Gefahr. Als Beispiele möglicher Sparopfer wurden etwa Obdachlosen- sowie Jugendhilfeeinrichtungen und Beratungsstellen genannt. Zur Liga gehören AWO, Caritas, Diakonie, Paritätischer, Deutsches Rotes Kreuz und die Jüdische Gemeinde.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.2023, 13:30 Uhr

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