Zahlen an Einwohner je Vertragsarzt liegen deutlich über Bundesdurchschnitt
Viele Ärzte können nicht mehr wie geplant in Rente gehen, weil Nachwuchs fehlt
20 Brandenburger Städte gelten bereits als bedrohlich unterversorgt
Die Wartezeiten in vielen Praxen von Haus- und Fachärzten in Brandenburg könnten schon bald noch länger werden. Vielen Praxen droht die Schließung, sollte es in den kommenden Jahren keine Nachfolger für die in Rente gehenden Mediziner geben. Bereits heute liegt die Zahl der Einwohner je Vertragsarzt in der Mark bei 726 und damit um 5,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 686 Einwohnern, wie aus der Antwort des Gesundheitsministeriums in Potsdam auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Daniela Oeynhausen (AfD) hervorgeht.
In Brandenburg gehen in den nächsten Jahren viele Ärzte in den Ruhestand und es fehlt Nachwuchs. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemancher (Grüne) will auf medizinische Versorgungszentren setzen - doch die Probleme seien vielfältig.
Viele gehen gar nicht erst in Rente
Bereits jetzt sind auffallend viele Ärzte im Rentenalter berufstätig. Bei den Hausärzten waren es Ende 2022 den Angaben des Ministeriums zufolge gut 14 Prozent, bei Augenärzten, Urologen und Gynäkologen 11 Prozent und bei Neurologen sogar knapp 25 Prozent.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung Brandenburg (KVBB) liegt das Durchschnittsalter der meisten Fachrichtungen niedergelassener Ärzte deutlich über 50 Jahren. Nur die Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten liegen im Schnitt mit 49,3 Jahren knapp darunter.
Bei der Vertragsarztdichte schneiden nur Rheinland-Pfalz mit 731 und Baden-Württemberg mit 735 Einwohner je Arzt noch schlechter ab als Brandenburg. Wegen der Überalterung der Hausärzte gelten in der Mark bereits heute mehr als 20 Städte als bedrohlich unterversorgt.
In Lauchhammer arbeitet ein 79-Jähriger noch immer als Arzt, sonst wäre die Versorgung der Patienten gefährdet. In Werben dagegen wird eine Praxis übergeben - mit Glück. Zwei Perspektiven auf den Ärztemangel in Südbrandenburg. Von Florian Ludwig
KVBB: 3.000 Hausarztstellen unbesetzt
Auch bei Frauen-, Kinder-, Augen- und Hautärzten, Neuro- und Psychologen sowie bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten droht in mehr als 20 Städten eine Unterversorgung. Derzeit ist die Arztdichte nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) noch in allen Kommunen, die in sogenannten Mittelbereichen zusammengefassten werden, ausreichend.
Laut KVBB sind bundesweit mehr als 3.000 Hausarztstellen frei. Das Problem der unbesetzten Hausarztsitze bestehe nicht nur in ländlichen Regionen. Zunehmend finden demnach auch Patienten in größeren Städten keinen Hausarzt. Der bisher ausgebildete Nachwuchs reiche nicht aus, die freien Stellen zu besetzen, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Immer weniger Nachwuchsärzte ließen sich als Hausärzte nieder. Junge Ärzte bevorzugten zunehmend Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle.
Bei der Finanzierung der Notaufnahme und der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus Finsterwalde gab es offensichtlich Probleme. Nach einem Hinweis aus der SPD teilte der Kreis mit, er helfe mit "erheblichen finanziellen Mitteln" aus.
Behandlung bedeutet inzwischen mehr
Gleichzeitig verändere sich der medizinische Bedarf der Bevölkerung, so das Ministerium. Es werde immer mehr ältere Menschen mit chronischen und Mehrfacherkrankungen geben. Diese brauchten häufig eine individuelle Unterstützung in allen Lebensbereichen, die über die medizinische Versorgung hinausgehe. Es genüge nicht, nur die Zahl der Hausärzte zu erhöhen.
Nach Ansicht der AfD-Abgeordneten und Humanmedizinerin Daniela Oeynhausen könnte bald auch in weiteren Städten Brandenburgs eine medizinische Unterversorgung drohen. "Doch die Landesregierung schaut tatenlos zu, kürzt sogar das Landärzte-Förderprogramm und Stipendien für den Nachwuchs", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Brandenburg müsse für junge Mediziner wieder attraktiv werden, fordert Oeynhausen.