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Audio: rbb24 Inforadio | 23.06.2023 | Gespräch mit Ed Koch | Quelle: dpa/akg

Interview | Zeitzeuge Kennedy-Rede

"Es war, als ob irgendein großer Popstar kommt"

Als John F. Kennedy am 26. Juni 1963 den Satz "Ich bin ein Berliner" sagte, stand Ed Koch in der jubelnden Menge vor dem Rathaus Schöneberg. Damals war er 14 Jahre alt. Im Interview erinnert er sich an das historische Ereignis.

rbb: Herr Koch, sie waren 14 Jahre alt, als Kennedy seine berühmte Rede vor dem Schöneberger Rathaus hielt. Was hat sie damals als Jugendlichen bewogen, zu dieser Veranstaltung zu gehen?

Ed Koch: Es gab natürlich ein großes Interesse an Amerika. Und ich habe im amerikanischen Sektor gelebt, hatte ständig mit den Amerikanern in irgendeiner Art und Weise zu tun. Wir haben den Unabhängigkeitstag gefeiert, waren oft eingeladen. Also es gab eine sehr emotionale Verbindung zu den Amerikanern. Und da ich auch schon mit 14 politisch sehr interessiert war, habe ich natürlich auch den Wahlkampf Nixon-Kennedy verfolgt. Und als es dann endlich so weit war, dass Kennedy Berlin besuchte - wir haben ja lange darauf gewartet - war vollkommen klar, dass sich an vorderster Linie dabei sein muss. Ich wollte mich nicht irgendwo an die Straße stellen, wo die Kolonne innerhalb von drei Sekunden vorbeifährt. Wenn schon, dann richtig.

zur person

Ed Koch

Wie haben Sie die Stimmung erlebt an diesem Tag in Berlin und speziell auf dem Platz?

Es war euphorisch. Man soll ja solche Vergleiche nicht machen, aber es war, als ob der Messias persönlich kommt oder irgendein großer Popstar. Die Stadt war emotionell aufgeladen, schon vorher, auch durch die Presseberichterstattung. Es herrschte also Feiertagsstimmung. Es war zwar ein Mittwoch, aber es war im Grunde genommen ein Sonntag. Es war schulfrei und ich glaube, viele Leute haben sich auch freigenommen und sind dann zum, damals noch, Rudolph-Wilde-Platz gegangen.

Was haben Sie von der Rede in Erinnerung? Und war dieser berühmte Satz "Ich bin ein Berliner" etwas, wo die Leute schon damals aufgehorcht haben?

Ja, natürlich. Innerhalb seiner Rede hat Herr Weber, der Dolmetscher, immer alles direkt übersetzt. Kennedy hat natürlich in Englisch gesprochen. Also mit gut 14 habe ich schon so ein bisschen Englisch verstanden. Aber dann kam er eben der Break in seiner englischen Ansprache mit "Ich bin ein Berliner". Und diesen Satz hat er zwei Mal gesagt, da war natürlich ein großes Aufhorchen, und es brach ein unheimlicher Jubel aus im englischen Teil der Rede. Der Dolmetscher hat das dann nochmals übersetzt, also insgesamt ist der Satz vier Mal gesagt worden, und vier Mal gab's Riesenjubel.

"Ich bin ein Berliner"

Als John F. Kennedy die Stadt in Ekstase versetzte

Am 26. Juni 1963 wurde US-Präsident Kennedy von hunderttausenden Berlinern empfangen. Knapp acht Stunden dauerte sein Besuch. In Erinnerung blieb er dennoch mit einem kurzen Satz, der die Geschichte geprägt hat. Von Sebastian Hampf

Was haben Sie von dieser Rede mit nach Hause genommen? Haben Sie die Zusammenhänge voll begriffen?

Wir lebten hier in einer Zeit in Berlin, die recht kritisch war. Das Chruschtschow-Ultimatum von 1958 war noch nicht allzu lange vorbei. Und dann all die anderen Probleme, die es in Berlin gab. Wir fühlten uns schon, muss man ehrlicherweise sagen, durch die Sowjetunion bedroht. Wir hatten immer die Angst, dass sie sich dann doch irgendwie mal West-Berlin greifen. Und wir haben nicht einschätzen können, ob die West-Alliierten das einfach so hinnehmen, oder ob sie irgendetwas dagegen unternehmen. Also dass ein Dritter Weltkrieg wegen West-Berlin begonnen werden könnte, das war uns allen klar. Und die Reaktion nach dem Mauerbau war von amerikanischer Seite ziemlich soft. Uns ging es natürlich um eine Garantieerklärung, also darum, dass uns die Amerikaner erzählen: Leute, macht euch keine Sorgen, ihr seid sicher.

Kennedy ist ja nach dem Mauerbau nicht gekommen, sondern ein paar Tage später ist der Vize-Präsident Johnson nach Berlin gekommen und hat uns erst mal beruhigt. Interessant ist auch, dass Johnson kam, bevor sich Herr Adenauer hier mal in der Stadt blicken ließ. Der ist ja auch erst einmal auf Tauchstation gegangen.

Ich würde gerne den Bogen schlagen in die Gegenwart. Sie sind jetzt Mitte 70 und wir haben gerade wieder eine sehr komplizierte Situation: Russland führt Krieg gegen die Ukraine Zwischen dem Westen und Russland herrscht sozusagen offene Feindschaft. Lässt sich aus Kennedys Rede und ihren Erfahrungen von damals für heute irgendetwas lernen?

Naja, also zumindest ist es nach wie vor wichtig, dass es Garantien der USA gibt, mit denen wir sicher leben können. Und wenn man sich anschaut, wie die nächsten amerikanischen Präsidentschaftswahlen ausgehen könnten - mit einem Präsidenten, der doch, sagen wir mal, eher russlandaffin ist - dann ist es schon eine gefährliche Situation. Nachdem es wieder Krieg in Europa gibt, habe ich so im Inneren das Gefühl, es könnte also wieder brenzlig werden.

Berlin war immer im Mittelpunkt. Und es war immer so, dass, wenn irgendwo ein Krieg ausbricht und irgendeiner auf den berühmten roten Knopf drückt, dann wären wir hier vermutlich diejenigen gewesen, auf die diese Bombe runtergegangen wäre. Und diese Gefahr bis jetzt im Grunde genommen wieder da.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Ed Koch sprach Dietmar Ringel für rbb24 Inforadio. Der Text ist eine gekürzte und bearbeitete Version. Das Originalgespräch können Sie mit Klick auf das Audiosymbol im Header nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2023, 09:28 Uhr

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