Senats-Entwurf für 2024/25
Der Senat zieht noch einmal die Spendierhosen an. Statt Kürzungen steht in fast allen Bereichen ein dickes Plus vor den Haushaltszahlen. Schwarz-Rot hält damit Wort, geht aber auch voll ins Risiko. Von Jan Menzel
Chancen-Haushalt! Zukunfts-Haushalt! Ermöglichungs-Haushalt? Dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und seiner Stellvertreterin, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), fiel gleich ein ganzer Strauß an Überschriften für das frisch vorgelegte Zahlenwerk ein. Und alle diese Überschriften für den Berliner Doppelhaushalt 2024/25 sind durchaus zutreffend. Sie beschreiben aber nur die eine Seite der Medaille. Denn Berlin lebt auch die nächsten beiden Jahre kräftig auf Pump.
Der Senat hat nun aber nach den Vorarbeiten der Vorgängerregierung und mit einer neuerlichen Finanzspritze eine echte Chance, der Digitalisierung der Verwaltung einen Schub zu verpassen. Wenn noch mehr Geld in Schulen und Köpfe investiert wird, sind das Ausgaben, die sich in Zukunft auszahlen werden. Schwarz-Rot würgt zudem nirgends etwas ab. Die Ausgaben steigen fast ungebremst und deshalb ist es für Verwaltungen und Bezirke in den kommenden beiden Jahren weiter möglich, Schwerpunkte zu setzen.
Ein Blick in die Einzel-Etats zeigt: Fast überall wird kräftig draufgesattelt. Bausenator Christian Gaebler (SPD) bekommt einen Zuschlag in seinem Einzeletat von knapp 29 Prozent, vor allem um damit den Wohnungsbau anzukurbeln. Im Wohnraumförderfonds steht 2024 und 2025 mit jeweils 1,5 Milliarden Euro doppelt so viel Geld wie bisher zur Verfügung.
Regelrecht abgeräumt hat Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU). Sie kann in ihrem Einzelplan ein Plus von fast 39 Prozent verbuchen. Darin enthalten sind 300 Millionen Euro für das 29-Euro-Ticket, sobald es eingeführt werden kann. Baukostensteigerungen und Investitionen in die Verkehrswende werden ebenfalls berücksichtigt. Beim Radwege-Bau sind die Kürzungs-Ideen vom Tisch. Mit knapp 30 Millionen Euro pro Jahr bleibt der schwarz-rote Senat ganz auf der Linie, die die rot-grün-rote Vorgängerregierung vorgezeichnet hatte.
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) wird im nächsten Jahr 700 Millionen mehr haben als noch in diesem Jahr. Das liegt einerseits daran, dass sie ein neu zugeschnittenes, größeres Ressort leitet. Zum anderen bekennt sich der Senat zu Projekten wie den Integrationslotsen und 24-Stunden-Unterkünften für obdachlose Menschen, die künftig aus Landes- und nicht mehr aus EU-Mitteln finanziert werden. Einer der größten Posten ist für Versorgung und Unterbringung Geflüchteter vorgesehen.
Wenn Schwarz-Rot nun einen "Haushalt für alle" vorlegt, setzt das Regierungsbündnis Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um. Darin war von "Chancen für alle", "neuem Zusammenhalt" und "sozialem Ausgleich" die Rede. Befürchtungen, wonach Berlin vor einem einschneidenden Sparkurs stehen könnte, stellen sich nun als verfrüht heraus.
Auch die Bezirke bluten nicht aus, wobei in einigen Bezirksrathäusern der Druck größer ist und in anderen geringer. Das liegt vor allem daran, wie in der Vergangenheit gewirtschaftet wurde. Mehrere Bezirke konnten im letzten Jahr Überschüsse erzielen. Sie haben deshalb auch nicht mit der Schließung sozialer Einrichtungen gedroht. Insgesamt hatten die zwölf Bezirke am Jahresende 2022 rund 336 Millionen Euro Guthaben auf der hohen Kante.
Möglich werden die Rekordausgaben für Land und Bezirke aber nur, weil der Senat sämtliche Sparkonten leerräumt. Dort liegen noch milliardenschwere Rücklagen, die seit der Corona-Krise gebildet wurden. Dafür wurden seinerzeit Kredite aufgenommen, die nun – mit zeitlicher Verzögerung – verwendet werden. Im Doppelhaushalt 2024/25 stecken insgesamt 4,6 Milliarden Euro aus diesen kreditfinanzierten Rücklagen. Der neue Haushalt ist somit auch ein Schuldenhaushalt.
Der Regierende Bürgermeister Wegner und Wirtschaftssenatorin Giffey begründen ihren Ausgaben-Kurs damit, dass sie die überdurchschnittlich gute wirtschaftliche Entwicklung Berlins trotz Corona-Pandemie, Ukraine-Krise und Inflation nicht abwürgen wollen. Der Senat – so viel darf man unterstellen – will so kurz nach Amtsantritt auch die Bürgerinnen und Bürger nicht vergrätzen. Deshalb werden noch einmal die Spendierhosen angezogen und unbequeme Diskussionen (noch) nicht geführt.
Wenn zwischenzeitlich kein Wunder geschieht, kann sich Berlin das bisherige Niveau ab 2026 aber nicht mehr leisten. Der Landeshaushalt wird gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen. Neue Kredite in nennenswerter Höhe sind aufgrund der Schuldenbremse kaum möglich, während die anhaltende Inflation und hohe Tarifabschlüsse für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes die Ausgaben weiter nach oben treiben werden.
Nach Jahren des billigen Geldes ziehen die Zinsen wieder an. Berlin trifft das besonders hart, weil nach einer Phase der Konsolidierung der Schuldenberg inzwischen rekordverdächtige 66 Milliarden Euro erreicht hat. Mit dem Doppelhaushalt 2024/25 geht der schwarz-rote Senat daher hart ans Limit und sehr viel spricht dafür, dass dieser Wohlfühl-Haushalt auf absehbare Zeit der letzte seiner Art gewesen sein wird.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.07.2023, 6:00 Uhr
Beitrag von Jan Menzel
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