Digitalisierung
Die Pandemie hat die Gesundheitsämter überfordert. Nun stellt der Bund Milliarden für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung. Nun soll auch die Kommunikation zwischen den Behörden verbessert werden. Von Katrin Neumann
Im Gesundheitsamt Oberhavel in Oranienburg lief während der Pandemie das Faxgerät heiß. Meldezahlen, Kontaktverfolgungen und Testergebnisse wurden zum großen Teil darüber versendet und empfangen.
Heute sucht man ein Faxgerät hier vergeblich. Befunde und Arztmeldungen würden jetzt ausschließlich digital versendet, sagt Sachbearbeiter Marvin Böhm. "Mittlerweile sind wir so weit, dass man den Rechner morgens anmacht und die Meldungen alle auf dem Desktop hat.“ Man sei viel schneller bei der Arbeit und schaffe jetzt mehr. "Das ist sehr zeitsparend", so Böhm.
Möglich wurde die technische Aufrüstung vor allem durch den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), ein Bundesförderprogramm, das seit 2021 bislang zwei Tranchen ausgeschüttet hat. Davon wurden Software und Hardware in brandenburgischen Gesundheitsämtern angeschafft.
Eine rbb-Umfrage unter den 18 Gesundheitsämtern zeigt, dass sie in Sachen moderne Arbeitsplätze, papierloses Arbeiten und digitale Kommunikation einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht haben. Außerdem konnten in Spezialprojekten ganze Serviceangebote digitalisiert und somit zeitlich flexibler und ortsunabhängig gestaltet werden.
Im Gesundheitsamt Oberhavel in Oranienburg beispielsweise soll es ab September möglich sein, Hygienebelehrungen online abzuwickeln. Von der Anmeldung bis zum Zertifikat ist für Gastronomen und Mitarbeitende in der Lebensmittelbranche kein Besuch im Gesundheitsamt mehr nötig. Insgesamt stehen 104,5 Millionen Euro aus dem Pakt für den ÖGD zur Verfügung. Wieviel davon schon ausgegeben worden ist, konnte das Ministerium nach Aussage eines Sprechers aktuell nicht beziffern.
Der Pakt für den ÖGD fördert neben der technischen Ausstattung auch den Personalaufbau in den Gesundheitsämtern. So wurden seit dem Förderstart unter anderen mehr Hygienekontrolleure, IT-Mitarbeitende, Gesundheitsberichterstatter und Ärzte eingestellt. Letztere sind allerdings heiß umkämpft. Die Brandenburger Gesundheitsämter haben große Not, offene Stellen mit neuen Ärztinnen und Ärzten zu besetzen.
Die Potsdamer Amtsärztin, Kristina Böhm, spricht von einem "Haifischbecken", in dem alle Gesundheitsämter unterwegs sein. Erschwerend komme neben dem allgemeinen Ärztemangel hinzu, dass Ärzte in Kliniken deutlich besser verdienen würden. Außerdem stehe man in direkter Konkurrenz zu Berlin bei der Anwerbung von Ärzten für die Gesundheitsämter.
Mit der nun vorgestellten Digitalisierungsstrategie soll die Vernetzung der Gesundheitsämter untereinander und zu anderen Behörden verbessert werden. "Digitalisierung beschränkt sich nicht auf eine Übertragung bestehender analoger Abläufe in ein digitales Umfeld, sondern hinterfragt bestehende Prozesse, identifiziert Medienbrüche, bei denen Daten manuell übertragen werden, und ermöglicht eine sichere und komfortable Kommunikation zwischen den eingesetzten Anwendungen, den beteiligten Akteuren und der Bevölkerung", sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grünen).
Brandenburg sei nach Bayern und Niedersachsen das dritte Bundesland, das eine solche Strategie erarbeitet habe, so Nonnemacher. Die Strategie umfasse sieben Maßnahmenbündel, die "die digitale Vernetzung stärken" und "eine erhöhte Krisenfestigkeit in hoffentlich nicht so bald wieder eintretenden pandemischen Lagen herstellen", begründet die Ministerin ihre Strategie. Von der Harmonisierung von IT-Strukturen und Prozessen über reibungslose Übernahme von Daten durch Standardisierung bis zur Schulung für Mitarbeitende wurden insgesamt 28 Einzelmaßnahmen identifiziert.
So soll zum Beispiel die Schuleingangsuntersuchung in Zukunft deutlich einfacher und schneller organisiert werden können, wenn Einwohnermeldeamt, Schulverwaltungsämter, Schulen und Gesundheitsämter digital kommunizieren. Datensendungen auf dem Postweg und händische Mehrfacheingaben fielen dann weg.
Bis zum Jahr 2026 haben die 18 Brandenburger Gesundheitsämter nun die Möglichkeit, innerhalb der strategischen Vorgaben des Ministeriums die Digitalisierung, Vernetzung und Personalbeschaffung voranzutreiben. Wie die neu besetzten Stellen danach finanziert werden, ist im Moment unklar. Nonnemacher dazu: "Diese Bundesprogramme sind natürlich sehr hilfreich, aber wenn sie auslaufen, werfen sie auch große Fragen auf."
Im Gesundheitsamt Oberhavel beispielsweise wurden Mitarbeitende unbefristet angestellt. Ihre Bezahlung stehe dann in erste Linie in der Verantwortung der Kommunen, sagt Nonnemacher. "Inwieweit das Land durch Eigenanteile unterstützen kann, wird Gegenstand der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2024 sein", sagt sie mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im September kommenden Jahres.
Die Digitalisierung im Öffentlichen Gesundheitsdienst wird also auch noch die nächste Landesregierung beschäftigen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.07.2023, 17.20 Uhr
Beitrag von Katrin Neumann
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