Jagdgesetz in Brandenburg
Im dritten Anlauf hat Brandenburgs Umweltminister doch noch einen verabschiedungswürdigen Entwurf für ein Jagdgesetz vorgelegt. Zermahlen von Lobby-Interessen ist der große Wurf ausgeblieben. Eine Analyse von Markus Woller
Politik ist die Kunst des Machbaren – ein Zitat, das vielen Politikern zugeschrieben wird. Für Brandenburgs Umwelt- und Forstminister Axel Vogel (Grüne) scheint das zum Leitmotiv seiner ausgehenden Amtszeit zu werden. Zweimal hat er es in der Legislaturperiode mit einem Vollgesetz zur Jagd versucht – schlanker, bürokratieärmer, klarer auf den klimafreundlichen Waldumbau ausgerichtet. Zweimal ist er am enormen Widerstand der Lobbyverbände und seiner Koalitionspartner gescheitert.
Nun also: Die Kunst des Machbaren: Eine deutlich kleinere Novelle, vorher abgestimmt mit allen relevanten Playern. Jeder habe eine Kröte schlucken müssen, heißt es. Das Umweltministerium und Umweltverbände mussten hinnehmen, dass kleine Waldbesitzer weiterhin nur eingeschränkt Einfluss auf die Jagd in ihren Arealen nehmen können. Jäger müssen andererseits dafür geradestehen, wenn der Verbiss von Jungbäumen durch Rehe überhandnimmt. Außerdem sollen nun auch Forstbetriebsgemeinschaften das Jagdrecht ausüben dürfen.
Darüber hinaus sollen Jagdzeiten angepasst werden, eine jährliche Schießübung für Jäger etabliert, Abschussplanzeiten verändert werden – viele kleine Maßnahmen. Kein großer Wurf.
Welcher Seite der Kompromiss besser schmeckt, dürfte spätestens klar sein, wenn man auf die ersten Reaktionen blickt. Der Landesjagdverband feiert die eingedampfte Novelle gar als Sieg für die Demokratie. Seit der erste Entwurf eines neuen Brandenburger Jagdgesetzes geleakt wurde, hat der Verband mit allem mobil gemacht, was er zur Verfügung hatte. Das Beschneiden des Einflusses von Jagdgenossenschaften, die Eigenjagd auf kleinen Parzellen. Für die Jäger galt es, einen bundesweiten Präzedenzfall zu verhindern. Die Mitglieder des Jagdverbandes sprachen in Massen bei Landtagsabgeordneten vor, eigene Gutachten wurden erstellt, eine bundesweite Kampagne gegen das Gesetz gefahren. Es hilft zudem offenbar, wenn der Ministerpräsident selbst Jäger ist.
Die Umweltverbände auf der anderen Seite beklagen, was alles nicht geschafft wurde. Die Grüne Liga sieht maximal punktuelle Verbesserungen. Der Umgang mit Dam- und Rotwild sei mit dem Kompromiss "homöopathisch". Der BUND sieht gar die wichtigste Klimaanpassungsmaßnahme in Brandenburg, den Waldumbau, durch eine Besitzstandswahrer-Front aus Jägern und SPD in Gefahr. Der Umweltminister habe erreicht, was unter diesen Bedingungen zu erreichen war.
Für Axel Vogel ist es schon der zweite spektakuläre Formelkompromiss binnen einer Woche. Auch die Einigung mit den Bauern beim Moorschutz auf eine Halbvernässung war geprägt durch Pragmatismus. Die Bauern wollten die von ihnen beackerten Moore nicht komplett vernässen, der Umweltminister hätte ohnehin nicht erklären können, wo das Wasser und das Geld für die Entschädigungen herkommen soll. Schon stand der Kompromiss.
Ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl hat Axel Vogel offenbar seine Strategie gefunden: Dort wo es mit der "Mit dem Kopf durch die Wand"-Attitüde nicht geklappt hat, werden nun die Alternativen ausgelotet. Am Ende könnte er dafür eine ordentliche Bilanz vorweisen: Forstreform, Jagdreform, die erste Klimaanpassungsstrategie des Landes.
Was aber heißt der neue Pragmatismus nun für die letzten große Gesetzesvorhaben der Legislatur, das Agrarstrukturgesetz, das Waldgesetz und den Klimaplan? Auf jeden Fall scheint die Zeit für Lobbyisten jetzt günstig. Denn nicht nur der Minister weiß: Politik am Ende der Legislaturperiode ist die Kunst des Machbaren.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.07.2023, 01:00 Uhr
Beitrag von Markus Woller
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