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Audio: rbb24 Inforadio | 21.07.2023 | Jan Menzel | Quelle: dpa/Zacharie Scheurer

Mobilitätspolitik des Senats

Stop and Go bei den Berliner Radwegen

Nach ihrem lauten Prüf-Stopp für alle Radprojekte Berlins hat die Mobilitätsverwaltung nun weitere Vorhaben freigegeben. Dazu zählen etwa Radwege im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Andere Radstreifen aber bleiben außen vor. Von Jan Menzel

Mit der Überprüfung des Radwegebaus in Berlin geht es voran. Die von Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) veranlasste große Bestandsaufnahme ist abgeschlossen. Schriftlich teilt die Senatorin mit: "Es war ein Kraftakt." Und widersprechen würde Schreiner da wohl niemand. Selbst diejenigen nicht, die sich in den letzten Wochen sehr gewundert hatten.

Für besonders großes Unverständnis hatte der Schreinersche Radwege-Stopp in Tempelhof-Schöneberg gesorgt. Dort war lange vor ihrem Amtsantritt an einem fahrradgerechten Umbau der Grunewald- und der Hauptstraße gefeilt worden. Das Verfahren galt als mustergültig, wurden doch alle Akteure in die Debatte mit einbezogen.

Verkehrspolitik in Berlin

Senat gibt sechs Radverkehrsprojekte wieder frei - und legt fünf auf Eis

Nachdem die neue Verkehrsverwaltung in Berlin eine Reihe an Radfahrprojekten überprüft hat, sollen nun für einige Radwege gebaut werden - auf fünf Hauptstraßen allerdings sollen die Projekte vorläufig gestoppt werden.

Unklarheit über den Umfang der Prüfungen

Dass diese beiden Großvorhaben mit kleinen Änderungen doch starten können, freut den Vizepräsidenten der IHK, Robert Rückel. Für die Gewerbetreibenden sei damit ein guter Weg gefunden, erklärte er, denn ihre Park-Bedürfnisse seien berücksichtigt worden.

"Wünschenswert aus unserer Sicht ist nun, dass die Erfahrungen aus dem umfangreichen Beteiligungsprozess als Grundlage dienen für die Beteiligung bei künftigen Straßen-Umbauplänen", erklärt Rückel. Das Schöneberger Modell könnte Blaupause für ganz Berlin sein.

Im schriftlichen Statement von Tempelhof-Schönebergs Verkehrsstadträtin Saskia Ellenbeck (Bündnis 90/Die Grünen) schwingt ebenfalls Erleichterung mit, dass der Weg für mehr Verkehrssicherheit frei ist. "Die Anpassungen zusätzlicher Ampelschaltungen in der Hauptstraße begrüße ich sehr, da diese einen weiteren Grundstein für ein sicheres Miteinander von Fuß, Rad, ÖPNV und Kraftfahrzeugen bilden." Ob für diese überschaubaren Änderungen allerdings eine wochenlange Prüfung erforderlich war oder ob die Mobilitätsverwaltung übers Ziel hinausgeschossen ist, lässt Ellenbeck offen.

Unklarheiten über das "Was genau?" der Optimierung

Die Frage dürfte sich aber auch für die anderen frisch freigegebenen Radwege stellen. Dazu zählen die Siegfriedstraße im Bezirk Lichtenberg auf einer Länge von knapp 500 Metern. Auch hier gab es schon einen jahrelangen Planungsvorlauf. Auf der Sonnenallee kann auf einer Länge von 1,13 Kilometern ebenfalls der Radwege-Bau beginnen. Für das Adlergestell in Treptow-Köpenick erfolgte die Freigabe auf einer Länge von 2,64 Kilometern.

Die Mobilitätsverwaltung spricht davon, dass an diesen Straßen nach der Überprüfung "optimierte Radwege" entstehen. Was genau "optimiert" wurde, wurde nicht mitgeteilt. Insgesamt handelt es sich um 16 Großvorhaben, die weiterverfolgt werden können. Bei allen war ein Baustart innerhalb der kommenden drei Monaten vorgesehen – die Zeit drängte also.

Kommentar | Radwege-Politik in Berlin

Das "neue Miteinander" darf nicht das alte Gegeneinander sein

Die Verkehrssenatorin hat erste Radwege-Projekte freigegeben, die sie zuvor gestoppt hatte. Das ist positiv - aber ob es die CDU wirklich ernst meint mit einem besseren "Miteinander" im Verkehr, bleibt zweifelhaft, kommentiert Thorsten Gabriel.

Radwege Roedernallee und Blankenfelder Chaussee unberücksichtigt

Außen vor bleiben dagegen die Roedernallee in Reinickendorf sowie die Blankenfelder Chaussee in Pankow. "Hier ist eine Neubetrachtung der Planungen notwendig", teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt schon vor einigen Tagen mit.

Neu auf dieser "Negativ"-Liste ist nach Abschluss der Überprüfung die Neuköllner Stubenrauchstraße. Hier sollten auf einer Länge von 1,2 Kilometern sichere Radwege gebaut werden. Daraus wird bis auf Weiteres nichts. Sehr wahrscheinlich ist die Liste der Rad-Projekte mit ungewisser Zukunft sogar deutlich länger als das, was die Mobilitätsverwaltung nach Abschluss ihrer Überprüfung veröffentlicht hat.

Weiteren Radwegen droht das Aus

Das legt eine Abfrage der Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei allen Bezirken nahe. Sieben von ihnen haben darauf reagiert. Aus den Antworten geht hervor, dass vier weiteren Radwegen das Aus drohen könnte. Dabei handelt es sich um Vorhaben, die noch in diesem Jahr fertig werden sollten. Gelingt das nicht, drohen Fördergelder des Bundes zu verfallen. Laut DHU sind die Beusselstraße im Bezirk Mitte, die Thielallee und Filandastraße in Steglitz-Zehlendorf sowie ein Abschnitt der B96a in Treptow-Köpenick betroffen.

Sie sind womöglich aber nur die besonders prominenten Wackelkandidaten beim Radwege-Ausbau. Das legt eine parlamentarische Anfrage der grünen Abgeordneten Oda Hassepaß nahe. Die Mobilitätsverwaltung stuft demnach das Risiko als "hoch" ein, dass Vorhaben mit einer Gesamtlänge von 19,7 Kilometern in den nächsten Jahren nicht wie geplant realisiert werden. Dabei handelt es sich um geschützte und ungeschützte Radstreifen, Radwege sowie Lückenschlüsse.

Alle diese Projekte mit einem hohen Realisierungs-Risiko haben zusammen ein Volumen von knapp 19 Millionen Euro. Dass diese Mittel nicht in vollem Umfang ausgegeben werden, sei jedenfalls nicht auszuschließen. Welche Auswirkungen das auf den Radwegebau habe, sei "derzeit noch nicht abschätzbar", heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Grünen-Verkehrspolitikerin Hassepaß kritisiert, dass nach wochenlanger Prüfung Vieles im Unklaren sei. Ihr Urteil zum Stop and Go beim Radwege-Bau: "Das Chaos kann nicht geordnet werden."

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.7.2023, 7:20 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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