Beide Gesetzentwürfe scheitern
Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben steht jedem zu. So urteilte das Bundesverfassungsgericht 2020. Mehr als drei Jahre später beriet nun der Bundestag über zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung - aber beide lehnte das Parlament ab.
Die Gesetzesvorschläge für eine Neuregelung der Sterbehilfe sind im Bundestag gescheitert.
In namentlichen Abstimmungen verfehlten die beiden vorliegenden Entwürfe am Donnerstag im Plenum die Mehrheit. Damit bleibt es dabei, dass die Sterbehilfe in Deutschland auf Grundlage eines Urteils des Verfassungsgerichts legal ist, dass es aber kein Gesetz gibt, das dafür verbindliche Regelungen vorschreibt.
Zwei Gruppen von Bundestagsabgeordneten aus SPD, Grünen, FDP und Linken hatten sich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt, so dass zuvor von vielen damit gerechnet wurde, dass dieser Vorschlag die Mehrheit bekommt. Das allerdings gelang nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Seitdem hat der Bundestag kein entsprechendes Gesetz beschlossen.
Das höchste deutsche Gericht leitete damals aus dem Grundgesetz ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ab. Die Richterinnen und Richter gaben dem Gesetzgeber aber die Möglichkeiten, ein Schutz- und Beratungskonzept zu entwickeln. Vor allen Dingen sollten damit Menschen geschützt werden, deren Sterbewunsch nicht ganz so freiwillig erscheint, weil sie zum Beispiel anderen schlicht nicht zur Last fallen wollen.
Abgelehnt hatte das Parlament zunächst einen Vorschlag für eine striktere Regelung im Strafgesetzbuch. Für den Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) stimmten 304 Parlamentarier, mit Nein votierten 363, es gab 23 Enthaltungen. Der konkurrierende Entwurf einer Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) bekam dann 287 Ja-Stimmen, es gab aber 375 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen.
Hintergrund für die Initiativen war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte - weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. "Geschäftsmäßig" hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf - aber ausdrücklich mit der Möglichkeit zur Regulierung. Diese Möglichkeit nutzte der Bundestag nun nicht.
Beide Vorstöße sollten Bedingungen und Voraussetzungen zu Fristen und Beratungspflichten festlegen, um eine Suizidhilfe für Volljährige zu regeln. Der Vorschlag der Gruppe Castellucci/Heveling sah dazu eine Neuregelung im Strafgesetzbuch vor. Dort soll es heißen: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser
hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Geregelt werden sollten aber auch Ausnahmen.
Der Vorschlag der Gruppe Künast/Helling-Plahr sah eine Regelung ausdrücklich außerhalb des Strafgesetzbuches vor. Kommen sollte ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung". Für den Vorstoß hatten sich zwei Gruppen zusammengetan. Im Entwurf heißt es: "Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen." Ärzte dürften Volljährigen dann Arzneimittel dafür verschreiben.
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Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2023, 06:40 Uhr
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