Mathe und Deutsch
Ein Großteil der Dritt- und Achtklässler in Berlin haben deutliche Schwächen in den Fächern Mathematik und Deutsch. Bildungssenatorin Günther-Wünsch kündigte eine Strategie an, mit der die Unterrichtsqualität verbessert werden soll. Von Efthymis Angeloudis
Berliner Dritt- und Achtklässler haben eklatante Defizite in den Kernfächern Mathematik und Deutsch. Das zeigen die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten durch das Institut für Schulqualität, die dem rbb vorliegen. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] berichtet.
Bei der Vergleichsarbeit (VERA) handelt es sich um einen bundesweit durchgeführten Test für die Jahrgangsstufen 3 und 8, mit dem man die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler misst.
Vier von zehn Drittklässlern haben laut der Auswertung kaum aufholbare Bildungslücken in Deutsch und Mathematik. Dies ist eine Verschlechterung um fünf Prozentpunkte. Noch schlechter steht es um Berliner Achtklässler aus Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. Hier scheitern 60 Prozent an den einfachsten Deutschaufgaben im Lesen und in der Grammatik. In Mathematik sind es sogar – je nach Stoffgebiet – 65 bis 77 Prozent.
Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nannte die Ergebnisse "nicht hinnehmbar" und kündigte Maßnahmen an den Grundschulen an. "Mir ist es ein Anliegen, die VERA-Daten künftig intensiver und auch schulscharf auszuwerten." Die Bildungssenatorin verwies dabei auf die Arbeit einer Qualitätskommission, die derzeit eine Gesamtstrategie erarbeite, mit der die Unterrichtsqualität verbessert werden soll.
"Bisher waren wir jedes Jahr entsetzt, wie die Zahlen sind", sagte Günther-Wünsch am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Pankow. "Wir haben zwei Drittel der Schüler, und es werden tendenziell mehr, die nicht die Basiskompetenzen erreichen." Günther-Wünsch kündigte an, Fachbereichsleitungen für Deutsch und Mathematik an den Grundschulen einzusetzen, um Förderstrukturen aufzubauen. "Der Fachbereichsleiter für Mathematik oder der Fachbereichsleiter für Deutsch muss sich dann überlegen, was fängt er mit den VERA-Ergebnissen in diesen zwei Hauptfächern an."
"Das klingt nett", sagt Philipp Dehne, Mitinitiator der Bildungskampagne "Schule muss anders", "aber das löst doch das Problem nicht". Fachleitungen gebe es schon an weiterführenden Schulen. "Das ist Teil dieser Denke: Wir testen mehr. Aber durch mehr Tests werden Schüler nicht besser."
Für Dehne sind die Ergbenisse dramatisch, vor allem für die Bildungsbiografien der Jugendlichen, aber wenig überraschend. "Es ist weiterer Befund für die Bildungskrise, in der wir uns seit Jahren befinden." Die Bildungskampgane weise wie auch die Bildungsgewerkschaft GEW seit Jahren darauf hin, dass die Schulen mehr Unterstützung brauchen und auch über mehr Personal verfügen sollten. "Und seit Jahren werden die Warnrufe ignoriert", sagt Dehne.
Die Vergleichsarbeiten waren die ersten flächendeckenden Untersuchungen für Dritt- und Achtklässler nach der Corona-Pandemie. Viele Kinder und Jugendliche sind durch die Schulausfälle in der Pandemie weiterhin im Lernrückstand.
"Ganz sicher haben die in Deutschland sehr langen Schulschließungen während der Pandemie, ebenso wie der Mangel an guten digitalen Alternativlösungen, negative Auswirkungen auf Schulleistungen gehabt, insbesondere für Schüler aus sozial ungünstigem Umfeld", sagte der OECD-Bildungsdirektor und Chef der Pisa-Studie, Andreas Schleicher dem rbb. "Auf der anderen Seite zeigen ja bereits Vergleichsstudien aus der Zeit vor der Pandemie große Leistungsdefizite auf, so dass man nicht alle Defizite der Pandemie zuordnen sollte."
Auch der Vorsitzende des Landeselternausschusses Norman Heise beschreibt die Ergebnisse als "katastrophal". "Das können wir uns definitiv nicht leisten." Auch vor Corona hätte Berlin im Bundesvergleich relativ schlechte Ergebnisse gehabt. "Aber man muss differenzieren, es gibt Schulen die besser durch die Zeit gekommen sind, es gibt Schulen, die nicht so gut durch die Zeit gekommen sind", fügte Heise hinzu. Vor allem mache sich der der Lehrkräftemangel massiv bemerkbar, gerade in den Kernfächern Mathematik und Deutsch.
Seit Jahren kämpfen die Schulen in Berlin mit dem Lehrkräftemangel. Mittelfristig erwartet die Bildungsverwaltung nach eigenen Angaben, dass sich die Lage noch weiter zuspitzt. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler steigt. Bis zum Schuljahr 2031/32, so die Prognose, wird die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die öffentlich allgemeinbildende Schulen in Berlin besuchen, um etwa 25.000 auf 372.280 ansteigen. Für den Lehrkräftebedarf heißt das: Es werden rund 2.000 zusätzliche Vollzeitstellen gebraucht.
Für das neue Schuljahr haben sich zwar mehr Lehrkräfte an den Berliner Schulen beworben als im Jahr zuvor. Bislang seien 3.225 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt worden, rund 150 mehr als im vergangenen Schuljahr, teilte Günther-Wünsch mit. Es könnte sein, dass das Defizit in diesem Jahr geringer ausfalle als zuvor. Wie viele Lehrkräfte zum Beginn des Schuljahres noch fehlen würden, lasse sich erst durch eine Schnellabfrage nach Schulbeginn verlässlich sagen. Die Ergebnisse dieser Abfrage lägen dann Ende September vor. Demgegenüber stehen mit rund 395.000 Schülerinnen und Schülern jedoch so viele wie nie zuvor.
"Wir müssen den Lehrerberuf attraktiver machen und vor allem den Arbeitsort Schule wieder attraktiver machen", so die CDU-Politikerin. Sie verwies darauf, dass Schulen mehrere Möglichkeiten hätten, flexibel auf ihre jeweilige Personalsituation zu reagieren. So könnten nicht besetzte Lehrkräftestellen, wenn nötig auch nur vorübergehend, in Stellen für andere Professionen wie etwa Therapeutinnen, Sprachlernassistenten oder Erzieherinnen umgewandelt werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.08.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Efthymis Angeloudis
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