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Audio: rbb24 Inforadio | 22.08.2023 | Ricardo Westphal | Quelle: dpa/Sven Käulen

Zahlen erstes Halbjahr 2023

Parteien werden in Berlin im Schnitt jeden zweiten Tag Ziel von Angriffen

Etwa jeden zweiten Tag wird in Berlin eine Attacke auf Politikerinnen und Politiker oder Parteibüros verübt. Das geht aus einer aktuellen Statistik der Polizei hervor, die der Deutschen Presse-Agentur (DPA) vorliegt.

Demnach zählte die Polizei im ersten Halbjahr 38 Angriffe auf Parteieinrichtungen. Das waren 20 mehr als im Vorjahreszeitraum (Gesamtjahr 2022: 61). In fast allen Fällen ging es um den Verdacht der Sachbeschädigung, am häufigsten betroffen waren Büros der Grünen (18) und der SPD (9).

Verbale Angriffe auf Politikerinnen und Politiker zählte die Berliner Polizei im ersten Halbjahr 66. Das waren deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum, als in 148 solcher Fälle ermittelt wurde (Gesamtjahr 2022: 283).

"Blut an Euren Grenzen"-Schriftzug

Fassade des SPD-Parteibüros in Lichtenberg beschmiert

Beleidigungen kommen besonders häufig vor

Bei den meisten Fällen 2023 handelte es sich laut Statistik um Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung. Vereinzelt ging es auch um andere Straftaten wie Volksverhetzung oder Bedrohung. Besonders betroffen waren Politikerinnen und Politiker von FDP (20) und Grünen (19).

Laut Polizei handelt es sich bei der Halbjahresstatistik 2023 um vorläufige Zahlen, in die noch nicht alle bekanntgewordenen Fälle eingeflossen sind. Die Statistik umfasst Attacken auf die Landes- und Bundesparteien und ihre Vertreterinnen und Vertreter in Berlin.

Betroffene sehen Grundwerte in Gefahr

Politikerinnen und Politiker sehen ein ernstes gesellschaftliches Problem. "Angriffe auf Parteien und politische Organisationen untergraben die Grundwerte unserer Gesellschaft, indem versucht wird, demokratische Prozesse auszuhöhlen und Angst unter politisch engagierten Menschen zu schüren", sagte die Grünen-Landesvorsitzende Susanne Mertens der dpa.

"Seit 2021 haben die Übergriffe und Vandalismus spürbar zugenommen", schilderte sie ihre Wahrnehmung. "Desinformation, Populismus und teilweise hetzerische Rhetorik vergiften die politische Debatte und befeuern so die gesellschaftliche Spaltung." Die aufgeheizte Stimmung sei besorgniserregend.

Bundesparteizentrale der SPD

Unbekannte werfen Pflastersteine auf Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg

Hasskommentare im Internet sind nicht miterfasst

Im ersten Halbjahr zählten Berlins Grüne selbst mehr als 20 Vorfälle, darunter Vandalismus und Schmierereien im Zusammenhang mit Partei- oder Abgeordnetenbüros und Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker. Anfeindungen im Netz seien nicht mitgezählt. "Besonders während des Wahlkampfs im Januar und Februar haben sich Vorfälle gehäuft, und mindestens 15 Prozent der Wahlplakate wurden beschmiert, beschädigt oder abgerissen", sagte Mertens. "Einmal kam es in diesem Jahr auf einer Parteiveranstaltung zu einem gewalttätigen Übergriff, bei dem der Täter festgenommen werden konnte."

Auch die Linke nannte einige Beispiele. In Spandau werde regelmäßig die Scheibe der Geschäftsstelle bespuckt, in Neukölln gebe es auf einem Schaukasten öfter Aufkleber zum Teil mit rechten oder Corona-leugnenden Inhalten. In Charlottenburg-Wilmersdorf habe jemand im März 2023 einen Stein auf die Schaufensterscheibe eines Parteibüros geschleudert, während dahinter der Bezirksvorstand tagte. Im April griff ein Unbekannter nach damaligen Angaben der Polizei einen Mitarbeitenden des Linke-Abgeordneten Niklas Schrader in dessen Wahlkreisbüro in Neukölln an, bedrohte, beleidigte und schlug ihn.

Tielebein: "Auf Hetze und Hassrede folgen Taten"

"Wir beobachten mit Sorge, dass der Ton rauer wird - ob im Netz oder am Infostand", sagte der stellvertretende Linke-Landesvorsitzende Bjoern Tielebein der dpa. "Die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung ist eine gefährliche Entwicklung und bedroht die Demokratie. Hier sind alle demokratischen Parteien gefragt." Auf Hetze und Hassrede im Internet folgten irgendwann auch Taten.

Auch bei der SPD gehören beispielsweise Farbanschläge oder zerbrochene Fenster nach den Worten von Landesgeschäftsführer Sven Heinemann fast schon zum Alltag. "Trotzdem ist jeder einzelne Vorfall zu verurteilen, weil er ein Angriff auf unsere Demokratie ist." Im Juni habe die Gewalt eine neue Dimension erreicht, so Heinemann. Damals wurde die Scheibe des Abgeordnetenbüros von Melanie Kühnemann-Grunow in Lichtenrade beschädigt. Die SPD vermutet, dass nachts jemand mit einem Druckluftgewehr auf das Büro gefeuert hat, in dem sich zu diesem Zeitpunkt niemand befand.

Bundesweit registrierten Ermittler im ersten Halbjahr laut Innenministerium 739 Angriffe auf Repräsentantinnen und Repräsentanten der im Bundestag vertretenen Parteien. Hinzu kommen 281 Angriffe auf Parteibüros.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.08.2023, 07:30 Uhr

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