"Natura 2000"-Schutzgebiete in Brandenburg
Viele Schutzgebiete in Brandenburg sind laut Umweltminister Axel Vogel in schlechter Verfassung. Spezielle Teams sollen sich nun um Flora, Fauna und Habitate kümmern - entscheidend ist aber die Mithilfe der Landbesitzer. Von Andreas B. Hewel
Kim Fromm vom "Natura-2000"-Team kommt fast ins Schwärmen, wenn sie im Krahner Busch der Gemeinde Kloster Lehnin in Potsdam-Mittelmark unterwegs ist. Besonders ein Areal, genannt Bärendunk, hat es ihr angetan. Schöne Bestände von Stieleichen- und Hainbuchenwäldern habe man dort, betont sie. Am besten aber sei es hier im Frühjahr. Dann sei das "ein echtes Frühjahrs-Eldorado mit Leberblümchen, Buschwindröschen und Lerchensporn", preist sie den Wald an. "Also da lohnt es sich im Frühjahr mal reinzugucken. Natürlich ohne dabei etwas platt zu treten."
Natürlich soll man hier nichts platt treten. Der Krahner Busch ist ein sogenanntes FFH-Gebiet, also ein Gebiet in dem Flora, Fauna und Habitat geschützt werden sollen - Letzteres sind Lebensräume für Tiere. Kim Fromm gehört zu einem von fünf sogenannten Natura-2000-Teams, die seit vergangenes Jahr die rund 600 FFH-Gebiete in Brandenburg betreuen.
Zusammen mit 27 Vogelschutzgebieten gehören diese zum Schutzgebiet "Natura 2000", einem EU-weiten Netz aus 27.000 Schutzgebieten, dem weltweit größten grenzüberschreitenden, koordinierten Schutzgebietsnetz. Rund ein Viertel der Landesfläche Brandenburgs wird zu den "Natura-2000"-Gebieten gezählt.
Während in den großen Biosphärenreservaten und Naturparks die Betreuung relativ gut ist, machen die übrigen FFH-Gebiete Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Grüne) große Sorgen, wie er sagt. "Wir stellen fest, dass sich der weit überwiegende Teil unserer FFH-Gebiete in einem sehr schlechten, einem schlechten, oder jedenfalls keinen guten Zustand befindet", sagt Vogel. "Über die letzten Jahrzehnte sind also deutliche Verschlechterungen eingetreten, obwohl wir durchaus auch Verbesserungsmaßnahmen in Angriff genommen haben."
Der Umweltminister will das seinen Worten zufolge nicht länger hinnehmen. Vergangenen Jahr begann Vogel die "Natura-2000"-Teams aufzubauen. Diese sollen gerade die Schutzgebiete außerhalb der großen Nationalen Naturlandschaften betreuen. Vier Teams mit je drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden dafür bislang aufgestellt -ein fünftes soll noch kommen.
Die Teams sollen laut Vogel "nicht nur feststellen, wie sich der Erhaltungszustand verändert, sondern sie sollen dafür sorgen, dass sich der Erhaltungszustand verbessert". Dafür müssen die Teams zunächst Ansatzpunkte finden, wie Verbesserungen erreicht werden können. "Es geht jetzt erstmal darum, tatsächlich Grund unter die Füße zu kriegen", räumt Vogel ein. Danach müssten Verbesserungsmaßnahmen zielstrebig vorangetrieben werden.
Viele der FFH-Gebiete aber werden genutzt, sind also in einer Bewirtschaftung. Eine Aufgabe der Teams ist daher, bei den Eigentümern oder Pächtern um Verständnis für den Schutz ihrer Gebiete zu werben. "Das wird nur funktionieren in Zusammenarbeit mit den Landnutzern", sagt der Umweltminister. "Also mit den Landwirten, mit den Förstern, mit den Eigentümern, denn die sind alle gefordert. Die müssen mit ins Boot geholt werden." Kosten sollen den Eigentümern durch den Umweltschutz nicht entstehen, jedenfalls nicht für die eigentlichen Maßnahmen. Die würden zu 100 Prozent gefördert, verspricht der Umweltminister.
Diese Beteiligung der Eigentümer ist für Vogel der Dreh- und Angelpunkt, wie der Naturschutz in den FFH-Gebieten verbessert werden kann, sagt er. Am besten sei es, so Vogel, wenn die Betroffenen bei ihrer Nutzung den Naturschutz gleich mitdenken. Wenn "also der Naturschutz nicht von außen dazukommt, sondern dass praktisch jeder, der hier Landwirt oder Forstwirt ist, das von vorneherein in seine täglichen Überlegungen und seine Planung miteinbezieht. Nur dann haben wir eine Chance, dass der Naturschutz effektiv umgesetzt wird."
Wie solche Maßnahmen aussehen können, schildert Kim Fromm vom "Natura-2000"-Team im Krahner Busch. "Ein Beispiel ist die Pfeifengraswiese", sagt sie. "Wenn man die aus der Pflege nimmt, dann geht es ruck zuck, dass die verbuscht - und dann reicht es vielleicht nicht, da ein paar Mal drüber zu mähen. Dann muss man erstmal die Gehölze großflächig runternehmen", sagt Fromm.
Die Erfolge von konsequenterem Naturschutz würden sich in einer höheren Artenvielfalt zeigen. Dem Naturschützer Christoph Buhr zufolge, ein Arbeitskollege von Kim Fromm, zeigt sich das unter anderem anhand eines kleinen Pflänzchens im Bärendunk im Krahner Busch. "Da gibt es die Süße Wolfsmilch", sagt er stolz. "Das ist besonders. Sie erreicht in Brandenburg eine natürliche Verbreitungsgrenze und hat hier so ziemlich ihr nördlichstes Vorkommen. Worüber wir uns freuen."
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.08.2023, 20:00 Uhr
Beitrag von Andreas B. Hewel
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