Cannabispläne im Kabinett
Die Legalisierung von Cannabis ist - zumindest teilweise - in Sichtweite. Die Brandenburger Grünen gehen davon aus, dass so weniger Gras auf dem Schwarzmarkt zur Verfügung stehen wird. Unter anderem Politiker aus der CDU bezweifeln das. Von Nico Hecht
Die Landtagsabgeordnete der Brandenburger Linken-Fraktion, Marlen Block, erlebt die Situation vor Gericht immer wieder, sagt sie. Sie arbeitet auch als Anwältin und müsse dabei auch oft Klienten vertreten, die sich für Kleinstmengen Cannabis verantworten müssen. Zuletzt war es am Gericht in Eberswalde um 3 Gramm gegangen, die Polizisten bei dem Angeklagten gefunden hätten. "Man sieht dann den Richtern an, dass sie das selbst nicht gerne verhandeln wollen. Sie müssen aber", sagt die Landtagsabgeordnete.
Das würden die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium ändern: Wer älter als 18 Jahre ist, soll danach künftig 25 Gramm kaufen oder besitzen dürfen. Außerdem sollen bis zu drei Cannabis-Pflanzen im Eigenanbau erlaubt sein. Alle, die nicht selbst gärtnern wollen, müssten Vereinen beitreten, die nicht mehr als 500 Mitglieder haben dürften. Diese Vereine sollen Cannabis anbauen und an die Vereinsmitglieder abgeben dürfen. Konsumieren dürfen die Mitglieder die Ernte in den Vereinsräumen aber nicht.
Teillegalisierung nennt das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Linken-Abgeordnete Marlen Block meint, die Pläne seien von der Zeit überholt. Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Brandenburg, Danny Eichelbaum, nennt es dagegen schlicht einen Fehler. "Hier wird von der Bundesregierung ein Dämon aus der Flasche gelassen, der dann nicht mehr kontrolliert werden kann."
Die Brandenburger Grüne finden es wichtig, die Kriminalisierung rund um Cannabis beendet wird. Außerdem könne der illegale Markt zurückgedrängt werden. Wenn Konsumenten einen legalen und unkomplizierten Zugang zu Cannabis erhielten, müssten sie nicht auf den Schwarzmarkt gehen, erklärt der Grünenfraktionsvorsitzende Benjamin Raschke.
Aber genau das bezweifeln viele, vor allem aus zwei Gründen: Die Erfahrungen von Teillegalisierungen in anderen Ländern, wie etwa den Niederlanden und den USA zeigen, dass die Nachfrage eher steige. Dass diese dann einzig von den Cannabis-Vereinen gedeckt werden könne, glauben viele nicht. Danny Eichelbaum von der CDU und auch die Gewerkschaft der Polizei erwarten zudem einen Drogen-Tourismus nach Deutschland aus Ländern, in denen diese Mittel weiter verboten sind. Für Kriminelle würden sich so eher neue Kundenkreise entwickeln.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion, Daniela Oeynhausen, nennt die Pläne absurd. Die Drogen-Lobby hätte sich durchgesetzt und will sich nun eine goldene Nase verdienen. Sie verweist darauf, dass die Droge besonders bei Jugendlichen zu psychischen Erkrankungen führen kann. Davor warnen alle Parteien im Brandenburger Landtag. Deswegen meint etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller, dass Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz für die geplante Legalisierung zwingend geboten seien.
Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sehen deshalb unter anderem eine Informationskampagne vor. Dabei müsse man auch schon mit Minderjährigen ins Gespräch kommen. "Wir werden zum Beispiel erklären, dass Kinder und Jugendliche, die beginnen zu kiffen [...], eine viel geringere Wahrscheinlichkeit haben, das Abitur noch zu schaffen. Sie werden weniger häufig studieren, sie werden oft mit der Sucht nicht klarkommen," sagt Lauterbach.
Allerdings warnt man im grün geführten Brandenburger Gesundheitsministerium, in Lauterbachs Plänen gebe es noch keine Zusagen, wer die Präventions- und Beratungsarbeit durchführen soll und wer sie bezahlt.
Für mehr Jugendschutz sehen die Pläne für die Teillegalisierung außerdem striktere Einschränkungen für Jugendliche vor. Erlaubt sein sollen für Unter-18-Jährige nur Cannabisprodukte mit einem niedrigen Wirkstoffgehalt. Kinder sollen zudem dadurch geschützt werden, dass alle beim Konsum einen Abstand von Jugendeinrichtungen von mindestens 200 Metern halten müssten.
Das müsse dringend präzisiert werden, meint Alexander Poitz, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Denn bisher sei nicht klar, wie die Polizisten solche Regeln überwachen sollten. "Ich hoffe nicht, dass das Bundesgesundheitsministerium glaubt, unsere Kolleginnen und Kollegen würden die geforderte 200-Meter-Distanz zwischen einem Konsumenten und einer Kita mit dem Zollstock nachmessen".
Auch die Linken-Abgeordnete Maren Block zweifelt, dass diese Regeln in der Praxis umgesetzt werden könnten. Würden Polizisten Jugendliche auf Cannabisbesitz kontrollieren, könnten sie mit bloßem Auge nicht erkennen, welchen Wirkstoffgehalt die Produkte haben. Das könnten nur Laboranalysen leisten. Aus ihrer Erfahrung als Anwältin wisse sie aber, dass die Labore der Polizei nahezu ausgelastet seien. Es würde wohl wenigstens Monate dauern, bis solche Untersuchungen durchgeführt werden könnten. Unterm Strich bedeutet das einerseits kaum eine Erleichterung für Polizei und Justiz. Andererseits müssten Jugendliche, die bei illegalen Händlern zu Produkten mit hohem Wirkstoffgehalt greifen, auch kaum befürchten, von Polizisten dabei erwischt zu werden.
Dabei hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach doch angekündigt, mit der Teillegalisierung den Konsum von Cannabis gerade bei Jugendlichen zurückdrängen zu wollen. Für alle, die nicht verzichten wollen, sollte es außerdem sicherer werden. Gerade das bezweifelt Marlen Block. Sie fordert deswegen ein flächendeckendes Drug-Checking in die Pläne aufzunehmen, also die Möglichkeit für Konsumenten, mitgebrachte Drogen auf Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung testen zu lassen. Erst damit könnten Nutzer sicher gehen, was wirklich in ihrem Joint ist.
Am nächsten Mittwoch werden die Cannabispläne von Karl Lauterbach im Bundeskabinett beraten.
Sendung: rbb 88.8, 12.08.2023, 15:00 Uhr
Beitrag von Nico Hecht
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