Bund will sparen
Seit vier Monaten kann man für 49 Euro mit Bus und Bahn quer durch die Republik reisen. Bundesverkehrsminister Wissing hat mehr Geld vom Bund ausgeschlossen. Berlin und Brandenburg reagieren verärgert. Von Thorsten Gabriel
Den 1. Mai 2023 hat Ute Bonde noch in guter Erinnerung – nicht nur, weil sie an diesem Tag ihren neuen Job als Geschäftsführerin beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg antrat. Am 1. Mai brach in Deutschland auch ein neues Zeitalter im Nahverkehr an: Seitdem gilt das "Deutschland-Ticket".
Dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) jetzt ein Fragezeichen hinter die weitere Finanzierung des Tickets setzt, erbost die VBB-Chefin: "Herr Wissing, der Bundesverkehrsminister, war derjenige, der das Deutschland-Ticket für 49 Euro eingeführt hat, und die Länder haben dann gesagt: Okay, wir tragen die Hälfte der Kosten mit. Der Bund kann nicht eine Partnerschaft eingehen und sich nach vier Monaten aus dieser Partnerschaft wieder herausstehlen. Das geht nicht. So verhält man sich nicht."
Der FDP-Politiker hatte zwar nicht den kompletten Rückzug des Bundes aus dem Projekt verkündet, aber klar gemacht, dass alle weiteren Mehrkosten ab nächstem Jahr die Länder allein tragen sollten. Verabredet ist bislang, dass sich Bund und Länder die Kosten teilen: je 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Auch bei eventuellen Mehrkosten in diesem Jahr will man halbe-halbe machen. Für die Folgejahre sieht der Bundesverkehrsminister allerdings eher Einsparpotenzial bei den Verkehrsverbünden in den Ländern - und zwar von rund zwei Milliarden Euro. Was VBB-Chefin Bonde aufhorchen lässt: "Diese zwei Milliarden sind irgendwie sehr zufällig genau die Summe, die der Bund eigentlich beitragen müsste, um das Deutschland-Ticket für 49 Euro weiter anbieten zu können."
Wissing wies die Kritik von VBB-Geschäftsführerin Bonde entschieden zurück. "Frau Bonde schwindelt", sagt er am Montag im rbb24 Inforadio. Es gebe eine Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung, was die Finanzierung für 2023 und 2024 angehe. Daher finde er es eine "etwas ungewöhnliche Vorgehensweise von der VBB solche Dinge in die Welt zu setzen", so der Bundesverkehrsminister weiter.
Zuvor sprach Wissing bereits von einem "Flickenteppich" mit Blick auf die zahlreichen Verkehrsverbünde in den Bundesländern. Für Berlin und Brandenburg weist die Politik diesen Vorwurf allerdings zurück. Hier sei man bereits seit Jahren effizient unterwegs. Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) teilt schriftlich mit: "Das Land Brandenburg und das Land Berlin bilden bereits einen gemeinsamen Verkehrsverbund über beide Länder und sind der flächengrößte Verkehrsverbund. Das wurde bereits 1996 umgesetzt."
Und auch sonst hält Beermann vom Vorstoß aus dem Bund nichts. "Es kann nicht sein, dass die Länder für eine Idee des Bundes künftig auf den Mehrkosten sitzen bleiben sollen." Um den ÖPNV attraktiv zu machen, brauche es in erster Linie ein gutes Angebot, so der Minister. Dafür müsse der Bund endlich die Mittel an die Länder erhöhen, damit die deutlich mehr Leistungen bei den Verkehrsunternehmen bestellen und mehr in die Infrastruktur investieren könnten.
Für Berlin weist Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) die Kritik des Bundesverkehrsministers zurück. Auch sie fordert, die halbe-halbe-Finanzierung müsse weiterhin Grundlage sein: "Dafür werde ich mich einsetzen. Ich denke, da kann ich auch ganz klar davon ausgehen, dass meine Länderkollegen sich dafür einsetzen werden, weil natürlich muss auch jeder seinen Anteil an Mehrkosten, die immer automatisch durch Energie, Personalkosten etc. auftreten, weiterhin dann tragen."
Auch bei den Einsparmöglichkeiten sehe sie wenig Potenzial: Der VBB sei als Zweiländer-Verbund bereits sehr effizient aufgestellt, sagte Schreiner am Montag radioeins vom rbb.
Dass die Länder so Alarm schlagen, macht vor allem eines deutlich: Dass es das 49-Euro-Ticket dauerhaft geben wird, ist noch keineswegs ausgemacht.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 04.09.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Thorsten Gabriel
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