Gemeinsame Energieregion
Berlin braucht Brandenburg, um seinen Energiebedarf zu decken. Klimaneutral klappt das nur mit gemeinsamen Anstrengungen und klaren Ausbauzielen. Bei der Windenergie zweifelt mancher, dass der Wille in Berlin groß genug ist. Von Markus Woller
Jan Teut weiß, wieviel Kraft es kostet, in Berlin ein Windrad errichten zu wollen, erzählt er. Der Windanlagenbauer hat im September 2021 die sechste und bislang letzte Anlage auf Berliner Boden gebaut. Das Genehmigungsverfahren glich einem Spießrutenlauf der Institutionen, wie Teut es beschreibt.
"Wenn wir so ein Projekt anschieben, dann haben wir Kosten im sechsstelligen Bereich", sagt der Projektplaner. "Da wollen wir schon wissen, dass wir das Projekt realisieren können." Doch im Zahnradwerk der Ämter, Bezirke und verschiedener Senate hätten sich bislang alle Ambitionen zerrieben, weitere Windkraftlangen in der Hauptstadt auch nur zu planen, geschweige denn zu bauen.
Grund für den Streit der Institutionen ist in vielen Fällen die Flächenkonkurrenz in der sonst so eng bebauten Stadt. Viele der Grundstücke, die infrage kommen, haben Senat und Bezirke eben auch für den dringend benötigten Wohnungsbau im Auge. Kein Wunder, dass alle sechs Berliner Anlagen bisher im eher dünnbesiedelten Außenrand von Pankow entstanden sind.
Berlin will bis 2030 die CO2-Werte halbieren. Teut sagt, er wünsche sich mehr Kreativität und Ernsthaftigkeit, um diese Klimaziele erreichen zu können. Windkraft in Kiefernmonokulturen am Stadtrand oder in Gewerbegebieten - so etwas sollte möglich sein, sagt er. Er sehe Potenzial für 20 bis 30 weitere Anlagen.
Die Frage, ob sich Berlin vielleicht zu sehr auf Brandenburg als Energielieferant verlässt, entlockt ihm nur ein Lächeln. "Sagen wir es so: In Berlin ist noch viel Luft nach oben."
Beim Branchen-Tag "Erneuerbare Energien" in Potsdam ist genau das Thema. Experten und Politiker aus Berlin und Brandenburg diskutieren hier, wie die Zusammenarbeit in Bezug auf die Energiesicherheit zukünftig gestaltet werden soll.
Klar ist: In Brandenburg schaut man genau hin, wie viele Anstrengungen Berlin auch bei der Windkraft unternimmt. Schließlich werden im Flächenland Brandenburg die Konflikte rund um immer neue Windkraftparks immer größer. Noch dazu in Zeiten, in denen Windenergie durch eine Gesetzgebung des Bundes zu dem Label "von überragendem öffentlichen Interesse" gekommen ist und damit jetzt noch schneller ausgebaut werden soll.
Wenn das energiehungrige Berlin sich zukünftig auf die Solidarität verlassen können soll, dann erwarten nicht wenige, dass auch die Hauptstadt ihre Klimaziele umsetzt und auch bei der Windenergie mehr Elan zeigt.
Die Berliner Klima-Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) verweist auf eine Potenzialanalyse, die das Land zu diesem Thema bis zum Ende des Jahres vorlegen möchte. Dann soll klar sein, wo Berlin auch den Windkraftausbau vorantreiben kann.
Jan Hinrich Glahr, Chef des Landesverbands des Bundesverband Windenergie, macht klar: "Diese Studie werden wir uns genau anschauen. Auch wir können die Karten lesen und sagen, welche Flächen geeignet sind", so der Verbandschef. Man werde "genau darauf achten, dass Berlin die Flächen, die sich eignen, auch wirklich freischaltet", betont er.
Größere Potenziale aber, da sind sich alle einig, hat die Hauptstadt eher bei den Themen Geothermie und Solar. Dort könne man schon heute große Fortschritte verzeichnen, so Staatssekretärin Behrendt. Sie warnt aber auch vor zu hohen Erwartungen an den Stadtstaat: "Wenn man weiß, welche Strukturen wir vor Ort haben: Da wird es darum gehen, dass wir in Kooperation mit Brandenburg die Windenergiepotenziale auch gemeinsam nutzen."
"Man kann die Energieversorgung Berlins nicht ohne Brandenburg denken", zeigt sich auch der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) überzeugt. Man arbeite gerade auf Fachebene sehr gut zusammen. Berlin sei momentan dabei, eine Energiestrategie zu erarbeiten. Diese werde "wie Stecker und Steckdose" mit der Brandenburger zusammenpassen müssen, so Steinbach. Das Ziel: Die Energieregion Berlin-Brandenburg.
Auf der Welt gebe es aber nichts umsonst, so Steinbach. Brandenburg erwarte im Gegenzug entweder einen Leistungsausgleich oder auch direkte Zahlungen, wenn Berlin Nutznießer der Brandenburger Energiewende sein wolle. Er denke da unter anderem auch an den Wasserstoff, der zukünftig mit Brandenburger Windrädern erzeugt werden könnte, und den Ausbau des entsprechenden Infrastrukturnetzes. Darüber gebe es aber in der momentanen politischen Konstellation keine unterschiedlichen Meinungen, so Steinbach.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.09.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Markus Woller
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