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Mangelnde Versorgung
Schwer verletzte ukrainische Soldaten werden in Berlin operiert. Doch Krankenkassen, Jobcenter und Sozialamt machen den Versehrten das Leben schwer. Seit Monaten hat sich daran nichts getan, gesteht der Senat ein. Von A. Everwien und J. von Bülow
Auf seinem Smartphone zeigt Oleg das Bild seines offenen Beines. "Ich wurde durch eine Minenexplosion morgens um fünf verletzt und habe viel Blut verloren", sagt der ukrainische Soldat. "Meine Jungs, meine Soldaten haben mich vier Kilometer weit getragen, damit ich überhaupt behandelt werden konnte." Nun sitzt Oleg im Rollstuhl.
Verletzte Soldaten wie er aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine werden auch in Berlin von Ärzten behandelt. Ihre Verletzungen sind so schwer, dass sie in der Ukraine möglicherweise nicht überlebt hätten. Doch nach der Behandlung stehen die verletzten Soldaten allein vor den bürokratischen Anforderungen in einem fremden Land. Denn in Deutschland werden sie wie Geflüchtete behandelt.
"Ich bin nicht als Geflüchteter hergekommen, sondern als kriegsverletzter Soldat", sagt Oleg, "ich habe eine offizielle Einladung von Deutschland erhalten, dass sie mich hier unterstützen werden: Ich werde im Krankenhaus behandelt und soll eine Unterkunft bekommen, es soll angeblich alles für mich eingerichtet sein." Deutschland hilft der Ukraine bereits seit 2014 mit der Versorgung verletzter Soldaten.
Doch im Mai schrieb Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew (Kyiv), einen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): In anderen Bundesländern laufe die Hilfe unbürokratischer ab, in Berlin sei die Finanzierung medizinischer Behandlungen nicht immer sichergestellt. Wegner kündigte daraufhin in der rbb24 Abendschau an: "Wenn das in anderen Ländern, in anderen Städten besser läuft, muss das auch in Berlin besser laufen."
Doch Oleg und andere Versehrte kämpfen nach wie vor mit der Bürokratie. Die Kriegsversehrten landen zwischen ihren zahlreichen Operationen immer wieder im Ukraine-Ankunftszentrum Tegel, sollen dort schwerbehindert in Zelten mit tausenden anderen Geflüchteten leben. Der Lärm dort sei für Oleg äußerst unangenehm gewesen. "Durch die Minenexplosion wurde mein Gehirn gequetscht. Manchmal höre ich Alarmsignale - Töne, die gar nicht wirklich da sind. Das ist umso schlimmer, je lauter es um mich herum ist", sagt Oleg.
Unterstützung erhalten Kriegsversehrte seit über einem Jahr von der Ukrainerin Olena Gräfe-Elefant. Sie wohnt seit gut 20 Jahren in Berlin und hilft mit ihren zehn ehrenamtlichen Mitstreiterinnen etwa bei Post von Sozialamt, Krankenkasse und Jobcenter. Vor wenigen Tagen half sie Oleg, ein Zimmer in einem Pflegeheim zu finden.
Allerdings weiß Oleg nicht, ob er in dem Heim bleiben darf. Eigentlich hätte er sich in die lange Schlange der Geflüchteten einreihen und sich vom Sozialamt eine Wohnung zuweisen lassen müssen.
Mahnendes Beispiel sind die anderen Versehrten Vitalij und Taras. Das für sie zuständige Jobcenter leiste seit Juli keine Mietzahlungen, womöglich, weil auch diese beiden Kriegsversehrten nicht den üblichen bürokratischen Weg gegangen sind. Gräfe-Elefant hat dafür kein Verständnis: "Ein behinderter Junge, der nicht richtig sprechen kann, nicht laufen kann, der nur seine Hände bewegt – wie soll der zum Sozialamt gehen?"
Wie der "Tagesspiegel" am Dienstag berichtete, analysierte die Sozialverwaltung des Senats die Situation der Kriegsversehrten. Sie antwortete auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: "Im nächsten Schritt werden nun Lösungsansätze entworfen. Konkrete Maßnahmen oder Zeitangaben können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden."
In der rbb24 Abendschau wies Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) am Mittwoch darauf hin, dass der Bund sich nun einmal dafür entschieden habe, die Kriegsversehrten in die Regelsysteme der deutschen Sozialversicherung zu integrieren. Man müsse schauen, wie man diese Leistungen von Jobcenter und Sozialamt nun für die Versehrten in einem Bezirk bündeln könne, so Bozkurt. Dadurch solle es einen stringenten Prozess geben, sodass sich die Handhabe nicht je nach Bezirk unterscheide. Das fordert auch die Ehrenamtliche Olena Gräfe-Elefant.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat Berlin rund 40 Kriegsversehrte aus der Ukraine aufgenommen. Gräfe-Elefant sagt: Es werden weitere kommen. Für sie wünscht sie sich angemessene Unterkünfte, am liebsten in einem Haus, das Berlin zur Verfügung stellt. So sei es etwa in Hamburg geschehen. Staatssekretär Bozkurt sagte dazu, auch diese Idee wolle man in den Blick nehmen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.09.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Andrea Everwien und Julian von Bülow
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