Kampagne der Landesregierung
Einen Monat lang will Brandenburg mit kuriosen Ortsnamen auf sich aufmerksam machen. Die Kampagne setzt selbstironisch auf kleine Gemeinden mit ausgefallenen Namen. Werden Dörfer wie Ranzig, Knoblauch oder Sauen jetzt zum Marketingrenner? Von Michael Schon
"Schönheit", so steht es im Online-Lexikon Wikipedia, "ist ein Attribut individuellen menschlichen Wohlgefallens, das zum Beispiel in Naturerscheinungen, bei Kunstgegenständen und in Alltagserlebnissen auftritt."
An schönen Alltagserlebnissen fehlt es nicht in Brandenburg. Jeder weiß das, der einmal in Wassersuppe, Sargleben oder Kuhbier vorbeigekommen ist - und den ein Schauer eben dieses individuellen Wohlgefallens durchfahren hat. Sei es nun als Schmunzeln oder Schenkelklopfer. Ranzig! Kotzen! Ohnewitz! Wo man nicht überall vorbeikommt in Brandenburg.
Der amtliche Brandenburg-Slogan "Es kann so einfach sein" war also gestern. Jetzt behauptet das Landesmarketing: "Schöne Orte brauchen keine schönen Namen".
Das ist natürlich gemein, denn Schönheit lässt sich a) nicht verallgemeinern und b) haben schöne Orte auch in Brandenburg schöne Namen: Philadelphia. Afrika. Orion. Man kommt rum in der Mark. Zumindest klingen diese Namen nicht nach "vermeintlicher Provinz", wie es in der Mitteilung der Staatskanzlei zur Kampagne heißt. Was dort auch steht: "Kompakt und auf gewohnt humorvolle Weise" wolle man "die Vorzüge des zuzugstärksten Bundeslandes" präsentieren, natürlich selbstbewusst.
Die Frage ist daher nicht, ob zu diesen Vorzügen auch so schöne Namen wie Rambow und Müllrose gehören. Sondern viel mehr: Hat das zuzugstarke Brandenburg auch die zugstärksten Namen?
Da kann man geteilter Meinung sein. Bei den Schmähungen zumindest ist Brandenburg nicht mal Mittelfeld. Killer, Deppenhausen, Eiterberg oder auch Mackendorf, Mückenloch und Katzenhirn – alles anderswo. Drogen? Hölle? Elend? Sorge? Jedenfalls nicht in Brandenburg.
Im Ranking des prä-, post- und hochpubertären Publikums dürfte Bayern ganz weit vorne liegen: Oberkotzau, Pups, Petting, Feucht, Sack, Tuntenhausen. Alles weiß-blau. Sexau liegt in Baden-Wüttemberg. Fickingen im Saarland. Wixhausen, Rammelburg, Möse – man ahnt es, die Liste ließe sich endlos fortsetzen (der Ortsschilder-Klau vermutlich auch) und das brave Busendorf in Potsdam-Mittelmark wirkt plötzlich ganz blass bei all der Schamesröte.
Die Mark ist einfach achtsamer, romantischer: Wo so schön benannte Orte wie Herzberg, Herzsprung oder Himmelpfort liegen, braucht sich niemand zu verstecken vor Konkurrenz. Nicht vor Süßen, Zarten, Küssaberg (alle in Baden-Württemberg) – und auch nicht vor Amorbach und Venusberg (beide Bayern).
Auffallen kann man damit nicht. Das Landesmarketing hat daher die offensichtlich ganz harten Fälle rausgepickt: Protzen, Motzen, Kackrow, Pitschen-Pickel. Orte, in denen es sich gewiss wunderbar lebt und deren "vermeintlich kuriose Namen" nun zum Wohle Brandenburgs ins Netz gezerrt werden.
Die Landesregierung verspricht einen "Maßnahmen- und Medienmix". Sie hofft auf eine Flut von Likes, Memes und dem, was einmal retweeten hieß. In langweiligen Orten wie Köln, München, Hamburg und Stuttgart werden sogar Radiospots geschaltet. Ob das zündet? Man ist versucht, mit Siehdichum darauf zu antworten (Wartenberg liegt ja in Berlin). Aber ob es wirklich so einfach sein kann?
Beitrag von Michael Schon
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