BrandenburgTrend
Sollte Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründen, wäre das für die Linke - erwartbar - ein harter Schlag. Doch auch sehr viele Anhänger von AfD und BVB/Freie Wähler können der Idee etwas abgewinnen, zeigt eine rbb-Umfrage. Von Nico Hecht
Der aktuelle BrandenburgTrend zeigt: Eine neue Partei um die prominenteste Politikerin der Partei Die Linke, Sahra Wagenknecht, hätte hier viele Befürworter. Besonders viele davon unter den drei Oppositionsparteien im Potsdamer Landtag. Die größte Zustimmung würde eine Wagenknecht-Partei ausgerechnet unter AfD-Anhängern finden.
Der repräsentativen Umfrage im Auftrag des rbb zufolge würden 57 Prozent der AfD-Anhänger eine Wagenknecht–Liste gut finden. Bei Anhängern von BVB/Freie Wähler sind es 54 Prozent, bei denen der Linken 53 Prozent.
Die Zahlen zeigen, dass eine Wagenknecht-Partei das Ergebnis der Landtagswahl im nächsten Jahr durchaus entscheidend verändern könnte. Streit darum gibt es jedoch vor allem innerhalb der Partei Die Linke. Der Landesvorsitzende Sebastian Walter wird nicht müde, Anhängern wie Mitgliedern zu erklären, es gebe in Brandenburg keinen Bedarf für eine Wagenknecht-Partei.
"Es gibt mit der Linken eine klare Opposition, die auf soziale Themen setzt, die auch klar sagt: 'Dieser Krieg in der Ukraine muss beendet werden'", sagt Walter. "Wir brauchen keine weiteren Waffenlieferungen. Also die Inhalte, die Frau Wagenknecht vertritt, die vertreten wir."
Doch fragt man bei einigen Kreisverbänden nach, wird schnell klar: So einig sind sich die Brandenburger Linken bei dem Thema nicht. Sehr deutlich wird Linken-Mitglied Dominik Mikhalkevich aus Brandenburg an der Havel. Er hat dort das Wagenknecht-nahe "Bündnis für Frieden" gegründet und kritisiert, der Landesvorstand der Partei habe sie dabei nicht unterstützt.
Das zeige klar, es brauche eine neue Partei für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, so Mikhalkevich. Die Linke erfülle diese Rolle im Moment nicht. Der aktuelle BrandenburgTrend zeige ja jetzt, dass sich mit 53 Prozent Zustimmung eine Mehrheit der Parteianhänger dafür ausspreche, diese Themen wieder in den Mittelpunkt zu rücken.
Auch wenn der Landesvorsitzende Sebastian Walter beteuert, dass er keine Angst vor einer solchen neuen Partei habe: Laut BrandenburgTrend würden derzeit nur acht Prozent der Wähler den Linken ihre Stimme geben. Es bräuchte also auch nicht viele verprellte Anhänger, die mit einem Schwenk zu Wagenknecht dazu führen könnten, dass die Linke die Fünf-Prozent-Hürde - und damit den erneuten Einzug in den Landtag - verpassen würde.
An die Gefahr, Stimmen an eine Wagenknecht-Partei zu verlieren, glaubt der AfD-Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt nicht. 32 Prozent würden laut BrandenburgTrend bei der AfD ihr Kreuz machen, wenn jetzt Landtagswahlen wären - ihr höchster Umfragewert in Brandenburg bislang.
Gleichzeitig würden jedoch so viele Anhänger wie bei keiner anderen Partei eine Wagenknecht-Gründung begrüßen. Trotzdem gibt sich Berndt "seiner" AfD-Wähler sicher: "Wir sind ja noch ziemlich hinter der Brandmauer und noch ziemlich ausgegrenzt. Also wer jetzt schon sagt, ich wähle AfD, ist schon einen großen Schritt gegangen."
Allerdings könnte es beim Politikangebot beider Parteien Überschneidungen geben: Auch Wagenknecht kündigte mehrfach an, Migration begrenzen zu wollen und lobt wie die AfD das angeblich "Normale". Trotzdem ist AfD-Fraktionschef Berndt überzeugt, dass sie damit nur den anderen Parteien gefährlich werden könne, nicht aber der AfD.
Das sieht der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin anders. Für ihn hätte eine Wagenknecht-Partei auch in Brandenburg das Zeug zum "Game Changer": "Es geht ja bei Wahlen auch um die Bekanntheit von Personen. Und Sahra Wagenknecht hat da durchaus das Potential, auch in die Wähler:innenkreise der AfD vorzudringen."
Wie groß der Promifaktor Wagenknechts sein könnte, war auch am letzten ARD-Deutschlandtrend [tagesschau.de] abzulesen: Wagenknecht brachte es dabei auf Platz vier der beliebtesten deutschen Politiker, noch vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Am Landtags-Wahltag am 22. September 2024 werde zählen, wer konkrete politische Angebote für die Brandenburger mache, da sind sich die Parteispitzen der Opposition in Brandenburg einig. So auch der Fraktionsvorsitzende von BVB/Freie Wähler, Péter Vida. Mehr als die Hälfte der befragten Anhänger seiner Partei (54 Prozent) würden laut BrandenburgTrend eine Wagenknecht-Partei "eher gut" finden.
Dass die einen Wahlerfolg von BVB/Freie Wähler gefährden könne, hält Vida aber für Spekulation. Seiner Meinung nach spiele die bundespolitische Prominenz von Sahra Wagenknecht eine große Rolle bei den Umfrage-Ergebnissen: "Aber wir haben unsere Inhalte, die sich auf Brandenburg fokussieren: Wenig Schaum schlagen, sondern konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten." Doch davon wird er letztlich auch die Wählerinnen und Wähler überzeugen müssen, um nicht an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern.
Laut BrandenburgTrend würden derzeit sechs Prozent BVB/Freie Wähler wählen, ein Prozentpunkt mehr als bei der letzten Erhebung im April. Allerdings könnte sich dieser Wert halbieren, wenn wirklich jeder zweite Anhänger von BVB/Freie Wähler in einem Jahr die Wagenknecht-Partei wählen würde. Falls diese denn wirklich gegründet wird. Und bei den Landtagswahlen in Brandenburg antritt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 15.09.2023, 19.30 Uhr
Beitrag von Nico Hecht
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