Weniger strenge Klimaschutzvorgaben
Um den Bau von Wohnungen zu fördern, hat die Bundesregierung sich auf einen Katalog mit Maßnahmen geeinigt. Darin rückt die Ampel von zuvor geplanten hohen Energiestandards wieder ab.
Mit einem 14-Punkte-Plan will die Bundesregierung den Bau von Wohnungen forcieren. Darin vorgesehen sind beispielweise Steuervorteile für Bauherren, aber auch, dass zuvor geplante Energiestandards erstmal nicht kommen sollen. Das gaben der Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD) am Montag in Berlin bekannt. Die Immobilien- und die Bauwirtschaft reagierten "vorsichtig optimistisch".
Die Regierung will sich unter anderem auf EU-Ebene "für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand" einsetzen, aber gegen verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude.
Der "Klimabonus", der Hauseigentümer beim Tausch alter, fossiler gegen neue, klimafreundliche Heizungen fördert, soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen und Vermieter ausgeweitet werden.
Bei Bauvorhaben soll es Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln, die sogenannte Afa, geben. Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden.
Von 2022 bis 2027 sollen "Programmmtitel in Höhe von insgesamt 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung" gestellt werden. In Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten soll der Bau von bezahlbarem Wohnraum vereinfacht und beschleunigt werden. KfW-Förderprogramme sollen attraktiver ausgestaltet und erweitert werden.
Die anpeilte sogenannte Wohngemeinnützigkeit soll im kommenden Jahr an den Start gehen. Dabei sollen Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, steuerlich begünstigt und gefördert werden.
Im 14-Punkte-Plan ist außerdem eine Reform der zuletzt nur zögerlich genutzten Eigentumsförderung für Familien vorgesehen. Die Einkommensgrenze einer Familie mit einem Kind soll von 60.000 auf 90.000 Euro erhöht werden, je weiterem Kind können 10.000 Euro hinzuverdient werden. Diese Höhe allerdings dürfte sich nur bei einem vergleichsweise niedrigen Immobilienpreis bemerkbar machen - und die gibt es praktisch nur noch im dünner besiedelten ländlichen Raum.
In den kommenden zwei Jahren werde der Bund zudem ein Programm für den Kauf sanierungsbedürftiger Häuser auflegen. Gleichzeitig soll der Umbau leerstehender Büros und Läden zu neuen Wohnungen unterstützt werden.
Scholz bezeichnete zudem das serielle Bauen als Schlüsselinstrument. Damit könnten ohne aufwendige neue Verfahren einmal genehmigte Häuser auch in anderen Landkreisen gebaut werden. Dafür müssen Länder und Kommunen allerdings mitziehen. Insgesamt 45 Milliarden Euro bis 2027 von Bund und Ländern sollen der schwächelnden Baubranche laut Kanzler Scholz wieder auf die Beine helfen.
Der Bundeskanzler hatte am Montag mehr als 30 Verbände sowie Vertreter von Ländern und Kommunen zum sogenannten "Bündnis-Tag zum bezahlbaren Wohnraum" empfangen.
Die Bundesbauministerin Klara Geywitz hatte bereits am Wochenende neue Hilfen in Aussicht gestellt und war auf Distanz zu dem im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbarten Energiesparstandard EH40 für Neubauten gegangen.
EH40 bedeutet, dass bei einem Gebäude nur noch 40 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus verbraucht werden. Derzeit gilt der Standard EH55 für Neubauten. EH40 sollte den Energiebedarf für das Heizen weiter senken und damit auch den Ausstoß von Klimagasen. Doch wird das Bauen damit aufwändiger und teurer - zusätzlich zu erhöhten Bauzinsen und teureren Baustoffen.
Auf das Abrücken von EH40 ließ sich nun auch der Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ein. Er erklärte in Berlin: "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH40 einzuführen. Das kann noch warten, vor der EU-Gebäuderichtlinie macht es auch keinen großen Sinn."
Die meisten Reaktionen auf die vorgestellten Punkte der Bundesregierung ließen sich so zusammenfassen: Ein Anfang, mehr aber nicht. Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Heinrich Bökamp, zum Beispiel bezeichnete den 14-Punkte-Plan bei rbb24 Brandenburg aktuell am Montag als einen "kleinen Schritt". "Das Ziel ist, dass man weniger Regeln schafft, weniger Steuern einzieht, dafür sorgt, dass mehr passieren kann auf den Baustellen", sagte Bökamp. Alle hätten gehofft, dass man weiter komme.
Der Wohnungswirtschaftsverband GdW, der das Treffen im Kanzleramt boykottiert hatte, sah neben anderen Verbänden eine positive Entwicklung. Für sozial orientierte Wohnungsunternehmen sei aber leider nichts herausgekommen. So könnten diese Unternehmen die neuen Abschreibungsmöglichkeiten gar nicht nutzen. Der Verband forderte unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für bezahlbaren Wohnungsbau und KfW-Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz von einem Prozent. Dann könnten auch wieder bezahlbare Neubaumieten garantiert werden.
Der Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, kritisierte, das Maßnahmenpaket der Bundesregierung verharre im Klein-Klein. "Der große Schub zur Ankurbelung des Wohnungsbaus bleibt aus. Es hätte ruhig etwas mehr sein können." Das 14-Punkte-Paket nannte er einen "Gemischtwarenladen aus längst bekannten Maßnahmen, finanziell überschaubare Aufstockungen von einigen Förderprogrammen, etwas Deregulierung sowie Ankündigungen ohne große Substanz".
Enttäuscht zeigten sich vor allem Umweltverbände: "Das Maßnahmenpaket der Ampel zum Bauen und Wohnen ist keine Weichenstellung in eine sozial gerechtere und ökologischere Zukunft, sondern ein Fiasko", kritisierte die Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock.
Die Situation ist alarmierend, es werden gemessen am errechneten Bedarf viel zu wenige Wohnungen und Häuser gebaut. Die Baubranche steckt nach dem rasanten Zinsanstieg, mit dem die hohe Inflation bekämpft werden soll, in Finanzierungsnöten - vor allem Projektentwickler. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Kanzler Scholz verwies darauf, dass es allerdings noch einen großen Überhang von mehreren hunderttausend bereits genehmigten Wohnungen gebe.
Das Ziel der Regierung, dass 400.000 neue Wohnungen im Jahr gebaut werden, ist aber in weiter Ferne gerückt. Die Immobilienbranche rechnet nächstes Jahr eigenen Angaben zufolge mit deutlich weniger als 200.000 fertiggestellten Wohnungen in Deutschland, womöglich nur 150.000, sagte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB). Laut Ifo-Index vom Montag ist das Geschäftsklima in der Baubranche auf den niedrigsten Wert seit Januar 2009 gefallen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.09.2023, 19:30 Uhr
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