Audio: rbb24 Inforadio | 13.10.2023 | Michael Ernst | Quelle: dpa/Jörg Carstensen
Brief der Senatsverwaltung
Berliner Schulen können Tragen von Palästinenser-Tüchern verbieten
Auch an manchen Berliner Schulen zeigen Menschen Sympathie für den Hamas-Terror in Israel. Nun reagiert die Bildungssenatorin. Doch ihr Vorgehen sorgt auch für Widerspruch.
Die Schulen in Berlin können ab sofort härter gegen die "Befürwortung oder Billigung der Angriffe gegen Israel" vorgehen. Dies teilte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie am Freitag in einem Brief an alle Schulen mit.
"Jede demonstrative Handlungsweise oder Meinungsäußerung, die als Befürwortung oder Billigung der Angriffe gegen Israel oder Unterstützung der diese durchführenden Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah verstanden werden kann, stellt in der gegenwärtigen Situation eine Gefährdung des Schulfriedens dar und ist untersagt", heißt es wörtlich in dem von Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) unterzeichneten Schreiben.
Eine Kundgebung, die die Elternvertretung des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Berlin-Neukölln für Mittwoch geplant hatte, ist von der Berliner Polizei verboten worden. Einzelne Personen verteilten dennoch israelfeindliche Flugblätter.
Dies betreffe nicht nur "das Mitführen von Symbolen, Ausführen von Gesten und Meinungsäußerungen (etwa das Emblem der Hamas oder Äußerungen, die zu Gewalt aufrufen)", heißt es weiter.
Neben dem "Verbreiten von Videos mit verherrlichenden oder verharmlosenden Darstellungen von grausamen Gewalttätigkeiten gegen Menschen, die strafrechtlich relevant und damit ohnehin verboten" seien, sollen laut dem Schreiben auch "Symbole, Gesten und Meinungsäußerungen, die die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht erreichen" darunter fallen.
Auch Aufkleber und "Free Palestine"-Rufe können untersagt werden
Dies können laut Schreiben auch folgendes umfassen:
Das sichtbare Tragen von einschlägigen Kleidungsstücken (zum Beispiel die als Palästinensertuch bekannte Kufiya)
Das Zeigen von Aufklebern und Stickern mit Aufschriften wie „free Palestine“ oder einer Landkarte von Israel in den Farben Palästinas (weiß, rot, schwarz, grün)
Ausrufe wie "free Palestine!" und die demonstrative verbale Unterstützung der Hamas und deren Terrorismus
Solche Handlungsweisen würden laut Schreiben "in der gegenwärtigen Situation" den Schulfrieden gefährden. Da dieser den ordnungsgemäßen schulischen Ablauf ermögliche, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden könne, sei hier eine Einschränkung der Meinungsfreiheit gerechtfertigt, heißt es weiter.
Mobiltelefone können vorübergehend eingezogen werden
Bei einer Zuwiderhandlung könnten die Schulen mit "Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen" reagieren, heißt es in dem Schreiben weiter. Darüberhinaus werden die Schulen angehalten, Verdachtsfälle von Straftaten unmittelbar der Polizei zu melden.
Die Nutzung von Handys dürfe laut Schreiben auch für alle Schüler untersagt werden, wenn diese dazu genutzt würden, "propagandistische Unterstützung für die Terrorangriffe kund zu tun oder zu verbreiten".
Ebenso könnten "Mobiltelefone als auch andere Gegenstände, die dazu genutzt werden, den Schulfrieden zu stören", vorübergehend eingezogen werden. Es sei auch zulässig, die Herausgabe von der Abholung durch Erziehungsberechtigte abhängig zu machen.
Günther-Wünsch: Lehrkräfte unsicher, was noch erlaubt ist
Nach Einschätzung der Bildungsverwaltung gab es bei Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrern nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Unsicherheit, was bei Sympathiebekundungen von Schülern rechtlich möglich ist und was nicht. Daraufhin hätten Fachleute das Schulgesetz des Landes noch einmal geprüft und festgestellt, dass es auch solche Verbote an Schulen erlaube.
Man wolle Schulleitungen mit dem Schreiben mehr Sicherheit bei dem Thema geben, so Günther-Wünsch. "Die Schulen können selber entscheiden, ob sie das von vornherein in Anspruch nehmen oder erst, wenn es Vorkommnisse gab", sagte sie vor Journalisten zum Abschluss der Kultusministerkonferenz. Vorrangiges Ziel sei es, den Schulfrieden zu wahren.
Nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel herrscht Krieg. Im dichtbesiedelten Gaza-Streifen sitzen Zivilisten fest, weil die Grenzübergänge geschlossen sind. Angehörige in Berlin fürchten um ihre Familienmitglieder und versuchen verzweifelt, Kontakt zu halten.
Kritik aus den Reihen der SPD: "undifferenziertes Verbot"
Die beiden bildungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion äußerten Bedenken.
"Symbole der Hamas müssen an Schulen verboten und antisemitische Äußerungen konsequent geahndet werden", erklärten Maja Lasic und Marcel Hopp. "Ein pauschales Verbot von Symbolen, Gesten und Meinungsäußerungen, die eine grundsätzliche Identifikation mit Palästina ausdrücken, setzt die Terrororganisation Hamas gleich mit moderaten, legitimen und grundgesetzlich geschützten Positionierungen aus palästinensischer Perspektive."
Ein solches "undifferenziertes Verbot" erscheine verfassungsrechtlich zweifelhaft und ungeeignet, den Schulfrieden zu wahren. "Viel zielführender wäre es, die Maßnahmen im Bereich Demokratiebildung, Antisemitismus, Antidiskriminierung zu stärken, so die SPD-Politiker.
Kritik übte auch der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir. "Das angekündigte Betätigungsverbot gegen die Hamas und auch das Vereinsverbot gegen (das palästinensische Netzwerk) Samidoun sind richtig", erklärte er mit Blick auf jüngste Ankündigungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD). "Nicht richtig ist es, legale palästinensische Symbole pauschal zu verbieten."