Jahrzehntelang war sie in der Linken, jetzt geht Sahra Wagenknecht ihren eigenen Weg. Dafür bereitet sie mit weiteren Bundestagsabgeordneten und dem Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht" die Gründung einer eigenen Partei vor.
Die bisherige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat offiziell mit der Gründung ihrer eigenen Partei begonnen. Der Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" wurde gegründet, um eine neue Partei vorzubereiten", hieß es in einer am Montag in Berlin verteilten Erklärung.
Die Ampel-Regierung sei trotz zahlreicher Krisen in der Welt planlos, und Deutschland habe eine absurd schlechte Infrastruktur, sagte Wagenknecht in einer Pressekonferenz am Montag. "So wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen." Deutschland drohe ein Wohlstandsverlust. Das Land müsse weg von einem blinden Öko-Kurs, der Mindestlohn müsse deutlich angehoben werden.
Sahra Wagenknecht wird am Montag die Gründung ihrer eigenen Partei verkünden. Damit steht die Linke vor einer Spaltung. Auch am sonst so stabilen Berliner Landesverband geht das nicht spurlos vorbei. Von Sebastian Schöbel
Zehn Abgeordnete verlassen Partei - Verbleib in Fraktion noch unklar
Wagenknecht hat zusammen mit den Bundestagsabgeordneten Amira Mohamed Ali und Christian Leye sowie dem Unternehmer Ralph Suikat und dem ehemaligen Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön, einen Verein ins Leben gerufen, um eine Parteigründung vorzubereiten. Experten trauen ihr zu, einen größeren Teil an Nicht- und Protestwählern auf sich zu vereinen.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat den Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten als "unverantwortlich und inakzeptabel" kritisiert. Bartsch bestätigte am Montag, dass die zehn betroffenen Abgeordneten trotz ihres Parteiaustritts einen Antrag auf Verbleib in der Linksfraktion gestellt hätten. "Unsere Fraktion wird souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden", kündigte Bartsch an.
Die Fraktion hat nur 38 Abgeordnete. Wenn mehr als zwei von ihnen austreten oder ausgeschlossen werden, verliert sie den Fraktionsstatus und kann nur noch als Gruppe weitermachen. Dies bedeutet neben weniger Rechten im parlamentarischen Betrieb auch den Verlust bedeutender Mittel der Bundestagsverwaltung, insbesondere für die Anstellung von Mitarbeitern.
Die Linke-Parteispitze will gegen die Wagenknecht-Mitstreiter vorgehen. Parteichef Martin Schirdewan hatte am Sonntag all jenen Mitgliedern mit Parteiausschluss gedroht, die sich Wagenknechts Verein anschließen wollen.
Die Vorstandsmitglieder des Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" Lukas Schön (l-r), Amira Mohamed Ali, Sahra Wagenknecht, Ralf Suikat und Christian Leye stehen vor der Pressekonferenz zur Gründung des Vereins am 23.10.2023 nebeneinander. | Quelle: dpa/S.Stache
Insa: 27 Prozent können sich vorstellen, Wagenknecht-Partei zu wählen
Die bisherige Co-Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, sagte, die Gruppe sei bereits aus der Linkspartei ausgetreten. "Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen." Die Linke habe trotz immer neuer Wahlniederlagen ihren Kurs nicht korrigiert und sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Viele Menschen hätten das Vertrauen in die Politik verloren.
Mohammed Ali erklärte, dass viele Menschen sich nicht von den bestehenden Parteien vertreten fühlen. "Wir wollen die bestehende Lücke im deutschen Parteiensystem schließen und eine Partei gründen, die für wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit einsteht."
Einer Insa-Umfrage für "Bild am Sonntag" zufolge könnten sich 27 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen.
Partei soll bei ostdeutschen Landtagswahlen antreten
Mit ihrer neuen Partei will Wagenknecht möglichst bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen kommendes Jahr antreten. "Wir streben an, in den drei Bundesländern zu kandidieren, aber ob wir es wirklich in allen dreien schaffen, wird natürlich davon abhängen, wie sind die Landesverbände bis dahin aufgestellt, welche Kandidaten haben wir vor Ort", sagte die 54-Jährige am Montag in Berlin. Sie betonte, dass die Entscheidung letztlich bei der neu zu gründenden Partei liege.
Kommendes Jahr werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Landtage gewählt. In Thüringen hätte eine Wagenknecht-Partei einer Insa-Umfrage vom Juli zufolge Potenzial, stärkste Kraft im Freistaat zu werden - vor allem auf Kosten der AfD und der Linken.
Die Brandenburger AfD befürchtet nach der angekündigten Neugründung Stimmenverluste bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland kommendes Jahr. Wagenknecht setze auf eine Spaltung der Opposition, kritisierte die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin am Montag laut einer Mitteilung.