Friedrichshain-Kreuzberg
Eine Viertelmillion Euro bekam Friedrichhain-Kreuzberg vom Senat, um die Aufenthaltsqualität rund um das Kottbusser Tor zu verbessern. Doch die Finanzierung läuft nun aus. Der Bezirk fürchtet um die erzielten Erfolge. Von Iris Völlnagel
Hausmeister Mike zeigt voller Stolz die Fotos auf seinem Handy. Er hat dokumentiert, wie es am Wassertorplatz in Kreuzberg aussah, als er vor zwei Wochen das erste Mal hier war. "Überall liegen Spritzen, obwohl hier ein Spritzenmülleimer steht." Dazu kommt jede Menge Müll, die Abfalleimer quillen über. Vieles davon sind die Hinterlassenschaften von Menschen, die im Park Drogen nehmen. Seitdem er nun regelmäßig hier mit seinem Besenwagen vorbeikomme, sagt Mike, sei es schon viel sauberer geworden.
Genau dafür wurde der Mann mit den blau gefärbten Haaren wurde vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als zusätzlicher "Kiezhausmeister" eingestellt: Um die Aufenthaltsqualität rund um das Kottbusser Tor und in den angrenzenden Nachbarschaften zu verbessern. Möglich gemacht hat es der Senat, von dem es 250.000 Euro Sondermittel als kurzfristige Finanzspritze dafür gab.
Gemeinsam mit Anwohnerinnen, NGOs, Wohnungsbaugesellschaften, BSR, BVG, Polizei sowie Vertreterinnen vom Bezirk und Senat wurden Projekte erarbeitet, die mit den Mittel finanziert werden sollen – darunter auch der Kiezhausmeister. Rund um den Kotti soll Mike den Müll entfernen und nach dem Rechten schauen. "Ohne die Kiezhausmeister würde es immer dreckiger werden", sagt Norma Hoffmann, Projektleiterin der Kiezmeisterei im Bezirk. "Menschen ohne Wohnung, mit Suchtproblemen würden sich immer mehr versammeln, die übernachten hier, die bauen sich Zeltlager auf, wenn es jetzt immer kälter wird."
Zu gern hätte der Bezirk für Mikes Job zwei Personen eingestellt, erzählt Hoffmann. Doch für ein befristetes Projekt wie dieses sei es schwierig, geeignetes Personal zu finden. "Eigentlich sind sie wichtig, werden überall gebraucht." Doch langfristige Jobsicherheit könne man, anders als andere Arbeitgeber, nicht bieten, so Hoffmann.
Auch bei der gemeinnützigen Organisation Fixpunkt freut man sich über die zusätzlichen Gelder des Senates. Der Verein ist seit Jahren eine wichtige Anlaufstelle für die Drogensüchtigen im Kiez. Von dem Geld führt der Verein ein "Aktionsprojekt zur gemeinwesenbezogenen Sozialen Arbeit" durch. Regelmäßig ist Sozialarbeiterin Jacqueline van der Heyden im Kiez unterwegs, um mit Drogenkonsumenten, Anwohnern und Gewerbetreibende zu reden. "Manche Leute kommen in den Einrichtungen nicht an, weil sie Ängste haben oder weil sie Scham verspüren", sagt van der Heyden. Die Sozialarbeiterin sieht sich als Schnittstelle und will herauszufinden, was los ist und wo es gerade hakt. "Ich bekomme Sachen anders mit."
Dass die Projektmittel zum Jahresende auslaufen, daran mag van der Heyden noch nicht denken. Nicht für sie persönlich, wie sie betont: Der Verein Fixpunkt würde sie woanders einsetzen können. Vielmehr befürchtet van der Heyen, dass dann die Lage am Kotti schlechter würde. "Dann gibt es nur noch Polizei auf der Straße und nichts Soziales mehr, das vermittelnd dasteht. Ich würde es schade finden."
Durch Polizeiarbeit allein lasse sich die komplexe Problemlage nicht lösen, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Senat solle weitere finanzielle Mittel bereitstellen, so die Forderung.
Bei Kurt Wansner löst der Antrag Kopfschütteln aus. Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich der CDU-Abgeordnete für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Kotti, wie er sagt. Eine weitere Finanzspritze für den Bezirk halte er nicht für sinnvoll. Zuerst solle geprüft werden, was der Bezirk mit den 250.000 Euro gemacht habe, so Wansner. "Der Bezirk braucht keine Fördermittel. Der Bezirk hat genügend Geld, wenn wir sehen, wo das Geld hier ausgegeben wird." Statt Geld für Pollersteine oder verkehrsberuhigte Zonen auszugeben, solle der Bezirk seinen Menschen helfen, sagt Wansner.
Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) weist die Kritik zurück. Die Bezirke würden nun einmal nicht über eigene Einnahmen verfügen, sondern bekämen ihr Geld vom Senat zugewiesen. "Und an dieser Stelle bekommen wir leider keine Mittel, nicht einmal mehr die 250.000 Euro Sondermittel", so Herrmann im Interview mit der rbb24 Abendschau. Dabei habe der Senat in der Vergangenheit Millionen in die neue Kotti-Wache der Polizei investiert, nicht aber in soziale Maßnahmen im Kiez. "Das ist das falsche Signal." Statt "markanter Sprüche oder Symbolpolitik" brauche es eine dauerhafte Finanzierung von Projekten wie den Kiezhausmeistern oder der Drogen- und Obdachlosenhilfe, so Herrmann.
Sendung: rbb24 Abendschau, 29.10.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Iris Völlnagel
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