Gemeindebeschluss
Wer darf kommunale Räume nutzen, um dort Veranstaltungen abzuhalten? In Michendorf gilt das nicht für Organisationen, die sich "gegen die demokratische Grundordnung richten". Die AfD gehört laut Gemeindebeschluss dazu. Von Lisa Steger
Die Wellen schlagen hoch in Michendorf im Kreis Potsdam-Mittelmark. So hoch, dass am Montagabend mehr als hundert Menschen gegen einen Beschluss der Gemeindevertreter vor dem Gemeindezentrum demonstrierten, während sich auf der anderen Seite rund dreißig Demonstranten versammelt hatten, um auszudrücken, dass sie die Entscheidung unterstützen.
Der Beschluss, um den es geht, datiert vom 25. September. Er liegt dem rbb vor. "Die Gemeindevertretung der Gemeinde Michendorf lehnt jegliches Handeln ab, das sich gegen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung richtet, verfassungsfeindlich, extremistisch, nationalistisch, fremdenfeindlich, antisemitisch und/ oder rassistisch ist", steht dort. "Dies gilt insbesondere, wenn hierfür öffentlich zugängliche Räume der Gemeinde genutzt werden." Und weiter: "Michendorf steht für Freiheit, Demokratie und die Einheit Europas."
Keine kommunalen Räume mehr bekommen sollen demnach Organisationen oder Personen, die als "gesichert extremistisch" betrachtet werden oder als "Verdachtsfall". Letzteres ist bei der AfD Brandenburg der Fall. Seit 2020 stuft der Verfassungsschutz sie als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Partei hält diese Einschätzung für falsch.
Bürgermeisterin Claudia Nowka vom Bündnis für Michendorf hat den Beschluss eingebracht. Grund dafür seien Bürgerbeschwerden gewesen, sagt die studierte Juristin. Die AfD habe bei Veranstaltungen von Überfremdung gesprochen und verbreitet, in den Schulen sei es gefährlich, so Nowka. "Es wurde Angst geschürt vor dem, was da in den Schulen angeblich los ist", sagt sie dem rbb auf Anfrage. "Ich war nicht dabei, aber mehrere Teilnehmer haben es unabhängig voneinander berichtet."
Vor dem Mikrofon äußern will sich Claudia Nowka vorerst nicht. Aus Angst, wie sie sagt. Nicht vor den AfD-Gemeindevertretern, aber vor einigen ihrer Anhänger. Die Bürgermeisterin betont, dass diese Entscheidung der Gemeindevertretung auch für sogenannte "Reichsbürger" oder Hamas-Anhänger gelten würde, wenn sie sich melden würden.
In Michendorf hat sich die Nachricht schon herumgesprochen. Die Meinungen gehen auseinander. "Eine Frechheit ist das", sagt ein Mann mittleren Alters. "Es ist eine zugelassene Partei, sie sollten Räume bekommen wie alle anderen Parteien auch." Eine Frau um die 40 Jahre hält dagegen: "Sie sollten keine Räume bekommen, weil sie keine guten Werte vermitteln."
Für einen Ausschluss der AfD von kommunalen Räumen gestimmt hat unter anderem die SPD-Fraktion. Gemeindevertreter Volker Westphal erklärt, es sei wichtig, ein politisches Signal zu senden. "Räume zu nutzen, das ist ja auch eine Ressource, eine Leistung des Staates", so Westphal, der Abteilungsleiter im Brandenburger Bildungsministerium ist. "Es ist zweifelhaft, ob das jemandem zugutekommen sollte, der sich von diesem Staat abwendet und mit der demokratischen Grundordnung in diesem Land Probleme hat."
Westphal räumt ein, dass Gerichte diesen Beschluss für nichtig erklären könnten. "Ich glaube auch, dass diese Entscheidung sich an einer Grenze bewegt", so der SPD-Mann. Es sei aber nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Entscheidung. "Im Zweifel muss die AfD dann den Rechtsweg beschreiten, um klären zu lassen, ob das überhaupt zulässig ist."
Das hat die Alternative für Deutschland auch vor. Sie habe sich an die Kommunalaufsicht des Kreises Potsdam-Mittelmark gewandt, erklärt Marlon Deter, der dort AfD-Kreisvorsitzender ist. "Wir glauben, dass die Bürgermeisterin einen Fehler gemacht hat. Sie hätte wissen müssen, dass sie das nicht darf", sagt Deter dem rbb. "Alle Parteien müssen gleichbehandelt werden. Wenn die Grünen oder die SPD in den Gemeindesaal dürfen, dann muss das das auch für die AfD gelten", argumentiert der Bankkaufmann.
Wenn die Partei bei der Kommunalaufsicht unterliegt, wolle sie vor dem Verwaltungsgericht klagen, kündigt Deter an. Sollte das Gericht den Gemeindevertretern Recht geben, werde die AfD vor das Oberverwaltungsgericht ziehen.
Die CDU-Gemeindevertreter lehnten den Beschluss, die AfD von Räumen fernzuhalten, ab, wie CDU-Mann Jens Schreinicke mitteilt. "Wenn man solche Einschränkungen einführt, dann müssten sie für alle Parteien und Gruppen gelten", betont der Landwirt im rbb-Interview. "Entweder für keinen oder für alle mit Einschränkungen oder für alle offen." Immerhin habe der Verfassungsschutz auch schon Teile der Linken beobachtet, so Schreinicke; dennoch habe sie immer Räume zu ihrer Verfügung gestellt bekommen. Er sorge sich, dass der Beschluss der AfD sogar nützt: "Die Wähler der AfD in Michendorf werden sich dadurch nicht abwenden, sondern im Gegenteil", sagt Schreinicke.
Jetzt warten alle darauf, wie die Kommunalaufsicht des Kreises Potsdam-Mittelmark entscheidet. "Ende dieser Woche werden wir hoffentlich erfahren, wann da was kommt", erklärt Bürgermeisterin Claudia Nowka. Klar sei: Sie werde sich an die Entscheidung halten. Wie auch immer sie ausfällt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.10.2023, 16:00 Uhr
Beitrag von Lisa Steger
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