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Video: rbb Fernsehen: Charité intesiv - Gegen die Zeit | 25.10.23 | Quelle: rbb/DOCDAYS Productions/Knut Schmitz

Fehlende Organspender

Das Überleben der Anderen

In Deutschland fehlen Tausende Organspender. Auch in Berlin und Brandenburg warten zahlreiche Menschen auf die lebensrettende Transplantation - zum Beispiel die herzkranke Larissa. Eine Länderinitiative will nun die Gesetze ändern.

Im Paulinenkrankenhaus in Berlin-Westend wartet Larissa auf ein Herz - seit mehr als 300 Tagen. Die zierliche 28-Jährige steht als hochdringlich auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Larissa hat einen angeborenen Herzfehler. Ohne ein Spenderherz wird sie bald sterben.

Larissa darf die Klinik nicht mehr verlassen. Anfangs war die junge Berlinerin voller Hoffnung in die Wartezeit gestartet. Nach zehn Monaten kommt sie inzwischen jeden Tag an ihre seelischen Grenzen. Larissa weiß: Gibt sie auf und verlässt die Klinik vorzeitig, wird sie ihren Platz auf der Warteliste verlieren und nicht mehr lange leben. Aber auch im Krankenhaus ist ungewiss, ob das Spenderherz rechtzeitig kommt. "Alle, die nicht selber auf ein Organ warten oder nicht wissen, wie es ist, einen Herzfehler zu haben: Die haben alle keine Ahnung. So sehe ich das", sagt Larissa.

Der Organmangel zeigt sich auf der Wartestation des Paulinenkrankenhauses besonders dramatisch. Hier dreht sich alles um die Frage: Werden die Patienten lange genug durchhalten? "'AMG – an mich glauben': Ich hab den Song irgendwo gefunden. Ja, an mich glauben. Egal, was andere sagen. So ist es wirklich. Ich glaube daran. Sonst würde ich hier nicht sitzen", sagt Larissa.

Jeden Tag sterben mindestens zwei Menschen, die vergeblich auf ein Organ gewartet haben

2022 gab es in Deutschland so wenige Organspender wie schon lange nicht mehr. Nur 869 Menschen stellten im gesamten Jahr ihre Organe nach ihrem Tod zur Verfügung. Dem gegenüber stehen rund 8.500 Menschen, die in Deutschland auf eine Organspende warten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Jeden Tag sterben zwei bis drei Menschen, weil sie kein Spenderorgan bekommen.

Deutschland zählt seit Jahrzehnten zu den Schlusslichtern in Europa, was die Zahl der Organspenden im eigenen Land betrifft. Zwar profitiert Deutschland im Verbund Eurotransplant, der in acht europäischen Ländern Organe an Patienten und Patientinnen vermittelt, von der Spendenbereitschaft der Nachbarn. Doch weil es als bevölkerungsreichstes Land zu wenige Organspender hat, sind Menschen mit Organversagen hier deutlich schlechter versorgt als anderswo.

Interview l Lebendspende

Julia (25): "Ich wusste, dass ich eine Niere brauche"

Das am häufigsten für eine Spende benötigte Organ ist die Niere. Ende 2020 standen in Deutschland 7.338 Menschen auf der Warteliste dafür. Auch die 25-jährige Julia wartet. Sie muss dringend eine neue Niere finden, sonst braucht sie regelmäßig Dialyse. Wie lange hält sie noch durch? Julia hofft auf eine Lebendspende und erzählt uns, wie das abläuft.

Ist der deutsche Sonderweg schuld?

Denn während in den meisten europäischen Ländern die Widerspruchslösung gilt, hat sich Deutschland dieser Regelung bislang verwehrt. Hier müssen sich die Bürgerinnen und Bürger zu Lebzeiten entscheiden, ob sie im Falle des Todes Organe spenden möchten.

Bei der Widerspruchslösung hingegen gelten alle als spendewillig, wenn sie nicht zu Lebzeiten aktiv der Organentnahme widersprochen haben. Viele Fachleute aber sehen in der Tatsache, dass sich Menschen aktiv gegen eine Spende entscheiden müssen, einen entscheidenden Faktor für den höheren Anteil an Spendern - die Spende ist dann der Normalfall. Gegner dieses Modells hingegen warnen vor einem Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht und stellen die Wirksamkeit in Frage.

Schleppende Reform

Bereits im Januar 2020 hatte sich der Bundestag zuletzt mit dem gesetzlichen Rahmen der Organspende beschäftigt. Zur Abstimmung standen zwei konkurrierende, fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe. Mehrheitlich votierte das Parlament gegen die Widerspruchsregelung und für den Entwurf, der an der Entscheidungslösung festhält. Das Gesetz ist im März 2022 in Kraft getreten. Es setzt auf eine aktive Erklärung der Bürger bei den Ausweisstellen, mehr Information und Beratung. Außerdem soll ein Online-Register geschaffen werden, das die Entscheidungen zentral dokumentiert.

Doch tatsächlich umgesetzt ist bisher wenig. Eigentlich war vorgesehen, die Ausweisstellen bei der Abgabe von entsprechenden Spendeerklärungen einzubinden, damit die Daten vernetzt sind. Aber die Gesundheitsministerkonferenz der Länder lehtne das kurz vor Einführung des Gesetzes noch ab. Das Online-Register gibt es bislang nicht. Mit zweijähriger Verspätung ist es nun für nächstes Jahr in Aussicht gestellt worden.

Programmtipp

Themenschwerpunkt Organspende

Neue Initiative der Bundesländer

Einige Bundesländer wollen nun selbst aktiv werden, um die Organspenden zu steigern: Die Regierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben angekündigt, in der nächsten Bundesratssitzung am 24. November eine Initiative zur Einführung der Widerspruchslösung einzubringen.

Berlin möchte mitziehen: Der Senat teilt auf rbb-Anfrage mit, dass er einer Einführung der Widerspruchslösung grundsätzlich offen gegenüberstünde und entsprechende Initiativen unterstützen würde. Nach seiner Auffassung kämen Fachleute der Transplantationsmedizin mehrheitlich zu der Einschätzung, dass unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen keine wirkliche Trendwende bei den sehr unbefriedigenden Organspende-Zahlen in Deutschland zu erwarten wären.

Brandenburg wartet erstmal ab

Das Brandenburger Gesundheitsministerium will sich dagegen noch nicht zu einer möglichen Bundesratsinitiative äußern. Die Verantwortlichen wollen zunächst die Formulierungen der Initiatoren abwarten, wie sie sagen. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen haben sich bereits für eine Widerspruchslösung ausgesprochen. Bayern ist uneins: Der Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist dafür, die Freien Wähler sind dagegen.

Es kann also durchaus sein, dass der Entschließungsantrag erfolgreich ist und ein Gesetzgebungsverfahren startet. Allerdings ist er rechtlich nicht bindend und hat lediglich auffordernden Charakter. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt selbst für eine Widerspruchslösung, betont aber zugleich, dass die Initiative nicht aus dem Ministerium, sondern aus der Mitte des Parlaments kommen müsse. Er sei dazu mit Abgeordneten im Gespräch. Eine erfolgreiche Bundesratsentschließung würde die Dringlichkeit des Themas unterstreichen und könnte Befürwortern ein Argument für eine neue Debatte liefern.

Die Berlinerin Larissa hat doch noch den rettenden Anruf bekommen, nach elf Monaten Warten im Krankenhaus. Die Transplantation gelingt, die junge Frau erholt sich schnell. Das erste Mal seit langer Zeit schmiedet sie wieder Pläne für die Zukunft. "Ich bin schon gespannt, wenn es dann nach Hause geht. Oder die Autofahrt vom Herzzentrum hierher, das war für mich so: Oh mein Gott, ich bekomme wieder was vom Leben mit", sagt sie.

Inzwischen ist sie raus aus der Reha-Klinik und kämpft sich vorsichtig in ihren Alltag zurück "Ich hoffe, dass ich alt werden kann mit dem Herz", sagt sie. Viele andere Menschen haben weniger Glück: Sie warten vergeblich.

Sendung: Charité intensiv: Gegen die Zeit, 25.10.2023, 21 Uhr

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