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Audio: rbb24 Inforadio | 25.10.2023 | Im Interview: Prof. Wolfgang Schröder | Quelle: dpa/H. Rebsch

Analyse zum BSW

Wagenknecht ist kein Widerspruch zur AfD

Es wäre falsch, die Wagenknecht-Partei schon dafür zu feiern, die AfD zu dezimieren. Sie zieht Lehren aus dem Aufstieg der AfD, und könnte sich neben ihr als starke Fundamentalopposition einrichten, etwa in Brandenburg. Eine Analyse von Olaf Sundermeyer

Sahra Wagenknecht hat den Beweis längst erbracht, dass sie auch die AfD-Klientel und das Protestpotenzial aus Neurechten und Querdenkern hinter sich schart, wenn es ihrer Sache nutzt. Das ließ sich vor ihrer zentralen Demonstration "Aufstand für den Frieden" im Februar vor dem Brandenburger Tor beobachten. Dorthin fühlten sich alle eingeladen, weil eben niemand von Wagenknecht ausgeladen worden war. Sie versammelt diejenigen Menschen hinter sich, die zu den großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit eine andere Meinung haben als die Mehrheit. Zu Corona, Flüchtlingen, der Rolle Russlands in Europa.

Bei der Ankündigung der Parteigründung durch Mitglieder ihres Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) auf einer Pressekonferenz in Berlin in dieser Woche wurden erhebliche Schnittmengen mit der AfD deutlich: In der Klima-, Energie-, Außen- und Verteidigungspolitik. Wie die AfD auch, verquickt sie etwa den Wohnungsmangel mit der Migrationsfrage.

Inhaltlich passt der Anschluss von Wagenknecht-Partei zur AfD

Inhaltlich würde der Anschluss einer künftigen Wagenknecht-Partei an die AfD in weiten Teilen passen. Der Termin für die Ankündigung war gut gewählt: Zwei Wochen nach dem Allzeithoch der AfD, auf dem die Partei zur zweitstärksten Partei in Hessen gewählt wurde, wo zur selben Zeit die Linke aus dem Landtag geflogen war. Eine knappe Woche zeigten die innenpolitischen Bilder des Tages auch das Antlitz der Polit-Ikone Sahra Wagenknecht. Noch dazu bestätigten erste Umfragen [dawum.de, Wahlumfrage zur Bundestagswahl von INSA] dem BSW aus dem Stand zwölf Prozent bei 18 Prozent AfD, die nach Ankündigung der Partei-Neugründung im Vergleich zur Vorwoche (23 Prozent) um fünf Prozent verlor.

Was von Teilen der linken Öffentlichkeit als Erfolg der Wagenknecht-Initiative gefeiert wurde, zeigt sich bei näherer Betrachtung als deutlichen Zuwachs für Positionen, zu denen die AfD bislang allein keine Mehrheit findet. Dafür kämen sie nun gemeinsam auf 34 Prozent Zustimmung, knapp vor dem gemeinsamen Zustimmungswert für die im Bund regierenden Ampelparteien (33,5 Prozent).

Um eine klare Abgrenzung zu der in Teilen rechtsextremen Partei war Wagenknecht aber auch zu dieser Gelegenheit verlegen: Erst auf ausdrückliche Nachfrage eines Journalisten räumte sie ein, "selbstverständlich keine gemeinsame Sache mit der AfD" machen zu wollen, um dann das eigene Anliegen zu formulieren: Man wolle denjenigen Menschen eine seriöse Adresse bieten, die aus Wut und Verzweiflung darüber nachdenken, die AfD zu wählen, oder die deshalb bereits die AfD gewählt hätten.

AfD-Antrag im Brandenburger Landtag

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Gauland lobt Wagenknecht

Rückblickend stellte sich dabei das Gefühl ein, damals, beim "Aufstand für den Frieden" im Berliner Schneeregen, habe auf großer Bühne der Zeugungsakt der neuen Partei stattgefunden. Jetzt also, im Herbst, kündigten deren künftige Eltern stolz deren Geburtsstunde an. Und dazu sind wieder alle eingeladen.

Eine Strategie übrigens, mit der bereits Alexander Gauland als ehemaliger AfD-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2014 in Brandenburg Erfolg hatte: Bloß in die andere Richtung. Gauland hatte die Anhänger der Linken als potenzielle AfD-Wähler in einem offenen Brief adressiert, nach den gegen Moskau wegen der Annexion der Krim verhängten Sanktionen: Darin lobte er Sahra Wagenknecht und umgarnte die "liebe(n) Wähler der Partei Die Linke" mit dem Bekenntnis: "Trotz aller Meinungsverschiedenheiten verbindet uns manches (…) die Sanktionspolitik gegenüber Russland halte ich genauso falsch wie sie".

Sein Plan ging auf. Die AfD sammelte bei ihrem ersten Einzug in den Potsdamer Landtag 20.000 Wähler der Linken ein. Seither steigen die Ergebnisse der AfD im Osten. Die der Linken sind drastisch abgefallen.

44% finden Wagenknechts Parteigründung "eher gut"

Für die Linke in Brandenburg könnte die Abspaltung der Wagenknecht-Partei zur Existenzfrage werden: Im jüngsten BrandenburgTrend von Infratest dimap im Auftrag von rbb|24 Brandenburg und "Antenne Brandenburg" aus September kam die Partei auf 8 Prozent und damit auf den niedrigsten Wert in allen drei ostdeutschen Bundesländern, in denen im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden: Sachsen, Thüringen und in Brandenburg. Dort haben laut BrandenburgTrend 44 Prozent der Befragten angegeben, dass sie eine Gründung der Wagenknecht-Partei "eher gut" finden würden.

Dabei war die Zustimmung unter den AfD-Anhängern (57 Prozent) am höchsten. "Wir streben an, in den drei Bundesländern zu kandidieren, aber ob wir es wirklich in allen dreien schaffen, wird natürlich davon abhängen, wie sind die Landesverbände bis dahin aufgestellt, welche Kandidaten haben wir vor Ort", sagte Wagenknecht mit Blick auf das Wahljahr 2024.

"Bündnis Sahra Wagenknecht"

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Werber um die Wutbürger

Die Europawahl im Juni ist für ihre neue Partei gesetzt. Wie schon für die AfD im Wahljahr 2014 könnte die Europawahl auch für die Wagenknecht-Partei den Weg zu den späteren Landtagswahlen im September im Osten ebnen, auch über die zu erwartende Wahlkampfkostenerstattung.

Brandenburg scheint wegen der besonderen Schwäche der Linken für einen Wahlantritt der Wagenknecht-Partei wahrscheinlich: Wegen der Berlin-Nähe ließe sich ein Wahlkampf der kurzen Wege organisieren, auch wählt Brandenburg drei Wochen später als Thüringen und Sachsen. Es bliebe hier mehr Zeit zur Vorbereitung des Wahlkampfes. In Sachsen gibt es Rechtsaußen neben der AfD mit den "Freien Sachsen" zudem noch einen weiteren Werber um die Wutbürger.

Die Lehren aus dem Aufstieg der AfD beim BSW sind deutlich zu erkennen. Immerhin die bislang letzte erfolgreiche Parteigründung in der Geschichte der Bundesrepublik von vor zehn Jahren. Bei der AfD hat es eine Weile gedauert, bis man sich – nach dem erfolgreichen Vorbild der Grünen aus den 1980er Jahren - zur Bewegungspartei bekannte.

BSW bringt geballte politische Erfahrung mit

Der Verzicht auf die Abgrenzung zu einzelnen Gruppen, auch zu radikalen, ging damit einher. Damit stellte sich der Erfolg ein, zugleich auch die Radikalisierung der Partei. Bei der BSW sprechen sie bereits vor der Parteigründung von einer Bewegung. Damit ist die Straße mit gemeint, auf der Sahra Wagenknecht gut zu mobilisieren weiß.

Nicht nur vor dem Brandenburger Tor im Februar, auch schon bei den dezentralen so genannten "Energiedemos" in etlichen Städten des Ostens hatte sich dieses Potenzial im vergangenen Jahr gezeigt. Ähnlich wie die AfD bringt die neue Partei geballte politische Erfahrung mit, aus Partei und Parlamenten. Hier sind keine Neulinge am Werk, sondern Politprofis.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.10.2023, 11:00 Uhr

 

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Beitrag von Olaf Sundermeyer

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