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Quelle: dpa/Carsten Koall

Asylanträge in Deutschland

Fast ein Drittel aller Asylsuchenden im Oktober kam aus der Türkei

Eingeschränkte Meinungsfreiheit, wirtschaftliche Not und das verheerende Erdbeben im Februar: Immer mehr Türkinnen und Türken fliehen nach Deutschland. Sie bilden nach Geflüchteten aus Syrien aktuell die zweitgrößte Gruppe unter den Asylsuchenden. Von E. Angeloudis

Immer mehr Menschen aus der Türkei fliehen nach Deutschland. Sie bilden die aktuell zweitgrößte Gruppe in Deutschland unter den Asylsuchenden. Laut aktuellen Zahlen für den Monat Oktober des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommen nur aus Syrien (33,5 Prozent) mehr Schutzsuchende als aus der Türkei (30,4 Prozent).

Menschenrechtsorganisationen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte warnen, dass die Lage in der Türkei sich besonders seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 verschlechtert hat. "Es gibt Diskriminierung und Verfolgung, das betrifft Minderheiten, wie die Kurden aber auch viele Intellektuelle und Akademikerinnen und Akademiker", sagt der Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Herbert Brücker, gegenüber rbb|24.

Gesamtschutzquote beträgt 14 Prozent

"Häufig kommt es zu Entlassungen, die Erdogan-Regierung hat beispielsweise die Universitäten weitgehend von Andersdenkenden 'gesäubert'. Viele dieser Menschen verlassen das Land und beantragen hier Asyl, aber vergleichsweise wenige bekommen es", so Brücker weiter.

Tatsächlich haben Asylsuchende aus der Türkei weitaus geringere Aussichten auf Schutz mit einer Gesamtschutzquote von nur 14 Prozent im Vergleich zu 87 Prozent bei Geflüchteten aus Syrien und 76,8 Prozent aus Afghanistan. Eine Entlassung aus politischen Gründen zum Beispiel reiche nicht als Asylgrund, erklärt der Leiter des BIM. Dafür müsste individuelle Verfolgung aus politischen oder anderen Gründen nachgewiesen werden.

Auch die wirtschaftliche Not spiele bei der Flucht aus dem Land eine Rolle. "Das Erdbeben in der Türkei hat bestimmte Regionen sehr stark betroffen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind dort katastrophal. Auch leben dort viele Minderheiten und Geflüchtete", erklärt Brücker. "Für sie ist Deutschland ein Anlaufpunkt, weil Deutschland eine große türkische Community hat." Zudem verfüge Deutschland in der Forschung und den Universitäten über Aufnahmenetzwerke, die beispielsweise Menschen in akademischen Berufen unterstützen könnten.

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Berlin stemmt mehr als wirtschaftsstärkere Bundesländer

In Brandenburgs Kommunen wurden im Jahr 2023 bis Ende Oktober 8.143 Geflüchtete aufgenommen. In Berlin waren es im selben Zeitraum 14.339 Erstanträge. "Mit einem Anteil von 5,4 Prozent liegt in Berlin der Anteil der Asylerstanträge rund einen Prozentpunkt über dem Bevölkerungsanteil", sagt Herbert Brücker gegenüber rbb|24. Der Anteil der Asylerstanträge in Brandenburg entspricht mit drei Prozent dem Anteil des Bundeslandes an der deutschen Bevölkerung und damit auch den Vorgaben des Königsteiner Schlüssels.

Die beiden wirtschaftsstärksten Bundesländer, Bayern und Baden-Württemberg, haben hingegen, gemessen an Bevölkerung und Wirtschaftskraft, einen eher unterdurchschnittlichen Anteil, so Migrationsexperte Brücker.

Bundesweit haben Asylerstanträge im Jahr 2023 weiter zugenommen. Bis zum Oktober waren es nach Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge genau 267.384. Im vergangenen Jahr waren es im Vergleichszeitraum 159.669 Menschen, was eine Zunahme um 67,5 Prozent bedeutet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.11.2023, 08:30 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

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