Ministerpräsidentenkonferenz
Die Länderchefs debattieren am Montag zusammen mit Bundeskanzler Scholz über die aktuelle Flüchtlingspolitik. Aus Berlin und Brandenburg kommen Forderungen, dass der Bund sich stärker an den finanziellen Belastungen der Kommunen beteilige.
Vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag haben Berlin und Brandenburg Druck auf den Bund ausgeübt.
So müsse der Bund die Länder stärker bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten unterstützen, fordert der schwarz-rote Berliner Senat. Dass die bisherige Kostenteilung zwischen Bund und Ländern nicht ausreicht, hatten die Ministerpräsidenten schon im Oktober deutlich gemacht. In einem Positionspapier von Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), das dem rbb vorliegt, heißt es nun, auch die Integration von Geflüchteten müsse "zu einer Pflichtaufgabe" erklärt werden, damit in diesem Bereich nicht beliebig gekürzt werden könne.
Der Bund will nach Angaben der Länder seinen Anteil von 3,75 auf 1,25 Milliarden Euro reduzieren. Die Länder wollen das nicht hinnehmen. In ihrem Beschluss hatten sie Mitte Oktober eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro verlangt.
Außerdem sollten bundesweite, flexible Steuerungs- und Verteilungsmöglichkeiten geschaffen werden. Weil nicht alle Bundesländer über ausreichende Informationen über die weltweiten Migrationsbewegungen verfügten, müsse der Bund ein verlässliches Meldesystem einrichten.
Kiziltepe forderte außerdem, die Verfahren im Asyl- und Aufenthaltsrecht zu beschleunigen. Das gelte auch für die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen, die im Ausland erworben wurden. Darüber hinaus müssten Hindernisse zügig abgebaut werden, die zugewanderten Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren.
Außerdem solle analog zur Corona-Pandemie eine Flüchtlingsnotlage ausgerufen werden, um die Schuldenbremse aussetzen zu können. Das hatten zuvor auch schon Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) gefordert. Damit stellten sich beide gegen CDU-Chef Friedrich Merz, der auf die Einhaltung der Schuldenbremse pocht.
Auch der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) setzt auf ein Entgegenkommen des Bundes. "Es ist ein riesengroßes finanzielles Problem, aber auch ein riesengroßes politisches Problem", sagte Woidke am Montag vor den internen Beratungen in Berlin. Deswegen hoffe er da auf ein Einlenken der Bundesregierung.
Woidke warnte davor, dass Leistungen in den Kommunen etwa für Jugendclubs oder Bibliotheken zurückgefahren werden müssen, um die Unterbringung von Flüchtlingen zu finanzieren. "Ein atmendes System ist wichtig, weil damit die zusätzlichen Belastungen durch die Menschen, die zu uns kommen, auch für die Kommunen abgefangen werden können", sagte er. Die Kommunen erwarteten, dass sie in der aufgeheizten politischen Situation zumindest die Sorge um Finanzen nicht haben müssten.
Der Brandenburger Ministerpräsident verwies auch auf die Einigungen, die die Länderchefs bei ihrem jüngsten Treffen vor zwei Wochen in Frankfurt (Main) zur Migration getroffen hatten. Darin fordern sie stärkere Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingsströme. So sollen beispielsweise Asylbewerber ohne Bleibeperspektive möglichst innerhalb von drei Monaten ausgewiesen werden.
Über die aktuellen Grenzkontrollen in Brandenburg sagte Woidke am Montag im Interview mit dem Deutschlandfunk, sie "haben erst einmal etwas gebracht", es seien zuletzt weniger Personen aufgegriffen worden. Er äußerte den Wunsch, bald mit der polnischen Regierung Gespräche über die Grenzkontrollen zu führen, die vor allem den Pendelverkehr zwischen Polen und Deutschland beeinträchtigten. Kontrollen sollten besser schon in Polen stattfinden und damit "die Kontrollen von der Grenze wegziehen und damit auch die Nachteile, die mit solchen Grenzkontrollen verbunden sind", so der Ministerpräsident.
Auf Betreiben von Brandenburg und anderen Bundesländern hin sollen zudem Geldleistungen zukünftig zum großen Teil durch eine Bezahlkartenlösung ersetzt werden, um Überweisungen ins Ausland zu unterbinden. So hatte zuletzt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angeregt, über die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Migranten zu sprechen. Zudem könnten Leistungen für Asylbewerber reduziert werden. Woidke sagte dazu im Deutschlandfunk: "Wir müssen auch darüber nachdenken, da sind wir in Brandenburg auch zu bereit, einfach hier auch die Attraktivität zu senken."
Berlins Sozialsenatorin Kiziltepe lehnt beides ab. Wegner wiederum könnte sich die Umstellung auf Sachleistungen durchaus vorstellen und betonte mit Blick vergangene Woche, die bereits vorliegenden Entschlüsse auch umzusetzen. "Ich glaube das A und O ist erstmal das, worauf sich die sechzehn Bundesländer bereits verständigt haben", so Berlins Regierender Bürgermeister. Dazu zähle, dass zum Beispiel die Einführung von Bezahlkarten für Migranten, die Geldleistungen ersetzen könnten.
Mit Blick auf Sozialleistungen für Migranten hatten sich die Länder im Oktober auf eine "Anpassung" geeinigt, ohne weiter ins Detail zu gehen. "Ich hoffe sehr, dass der nächste Schritt ist, dass der Bundeskanzler am besten alles 1:1 übernimmt, die Wahrscheinlichkeit ist aber nicht so groß."
Differenzen gibt es auf Länderseite hingegen über den Vorschlag des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Er hatte jüngst in den Raum gestellt, Asylbewerber für Verfahren in außereuropäische Transitländer bringen zu lassen.
Am Montagnachmittag kommen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder im Bundeskanzleramt zusammen. Neben dem großen Thema Migration soll es unter anderem auch um das Deutschlandticket gehen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.11.2023, 9:00 Uhr
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