Finanzierung geklärt
Mehr Geld für die Länder, weniger Geld für Asylbewerber: Nach langem Streit haben sich am frühen Dienstagmorgen Bund und Länder auf neue Regeln in der Flüchtlingspolitik geeinigt. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Nach monatelangem Streit haben sich Bund und Länder über die künftige Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. Pro Kopf zahlt der Bund eine Pauschale von 7.500 Euro, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am frühen Dienstagmorgen in Berlin zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sagte. Aus dem Beschlusspapier geht hervor, dass der Bund diese jährliche Pauschale für Menschen zahlen will, die in Deutschland erstmals einen Asylantrag stellen.
Mit der Pro-Kopf-Pauschale wird der finanzielle Beitrag des Bundes künftig abhängig von der Zahl der Flüchtlinge gemacht. Das hatten die Länder gefordert, waren allerdings mit einem höheren Betrag, nämlich mindestens 10.500 Euro pro Jahr, in die Verhandlungen gegangen.
Die Bund-Länder-Runde beschloss außerdem, dass Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, künftig doppelt so lange, nämlich 36 Monate, nur die abgesenkten Asylbewerberleistungen erhalten. Dafür soll das Asylbewerberleistungsgesetz geändert werden.
Zudem sollen anerkannte Schutzberechtigte, Flüchtlinge aus der Ukraine und Geduldete nach Ablauf dieser Zeit künftig zur Verpflegung "nur diejenigen Leistungen erhalten, die sie wirklich benötigen", wenn sie in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung untergebracht sind. Eine entsprechende Änderung des Sozialgesetzbuchs strebt der Bund dem Papier zufolge zum kommenden Jahr an.
Der Bund rechnet durch diese Änderungen mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro für Länder und Kommunen, auch weil Schutzsuchende, die nur Asylbewerberleistungen beziehen, kaum Anspruch auf Gesundheitsleistungen haben. Zusammen mit der künftigen Pro-Kopf-Pauschale des Bundes würden Länder und Kommunen im kommenden Jahr insgesamt in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro entlastet, heißt es im Papier.
Der 17-seitige Beschluss des Bund-Länder-Treffens zur Flüchtlingspolitik enthält zudem die von einigen Ländern geforderte Bezahlkarte für Flüchtlinge. Zuständig für die Einführung sind demnach die Länder. Die Bundesregierung sagte Unterstützung dabei zu, dafür bundeseinheitliche Mindeststandards zu entwickeln. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll dem Papier zufolge bis zum 31. Januar 2024 ein Modell erarbeiten.
Grundsätzlich hält der Beschluss fest, dass Bargeldzahlungen an Asylbewerber einzuschränken und "damit auch den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen zu minimieren" seien. Die Bezahlkarte wird Bargeldabhebungen voraussichtlich nur beschränkt ermöglichen.
Der Bund-Länder-Beschluss enthält zudem eine Reihe weiterer Absichtserklärungen in Bezug auf die Dauer von Asylverfahren von Menschen aus Ländern mit geringer Schutzquote, zu Rückführungsabkommen, Grenzkontrollen und zur europäischen Asylpolitik.
Zudem beschlossen Bund und Länder, den Familiennachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten nicht auszuweiten. Die vorherige Koalition hat den Familiennachzug insbesondere für Syrer nach der Fluchtbewegung im Jahr 2015 eingeschränkt. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart, diese Einschränkung wieder zurückzunehmen.
Derzeit ist ein starker Anstieg der Asylanträge zu verzeichnen. Allein bis September dieses Jahres wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Deutschland 233.744 Erstanträge auf Asyl gestellt - und somit deutlich mehr als im gesamten Vorjahr. Zudem hat Deutschland mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, die kein Asyl beantragen müssen.
Mitte Mai hatte der Bund den Ländern zwar bereits eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung für das laufende Jahr zugesagt. Damit sollen sie dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Doch Länder und Kommunen dringen seit geraumer Zeit auf ein künftiges sogenanntes atmendes System, bei dem sich die Zahlungen dauerhaft an der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten orientieren.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz zur Migration verteidigt.
Es sei ein parteiübergreifender Kompromiss gelungen, sagte Wegner am Dienstag in der rbb24 Abendschau. Damit wolle man ein Signal an die Menschen senden, dass sich etwas ändern muss.
Ziel sei es, die illegale Migration nach Deutschland deutlich zu reduzieren. Erste Maßnahmen hierzu seien nun auf den Weg gebracht, so Wegner. Inwieweit sie greifen, solle bei einem erneuten Treffen im Januar überprüft werden. Wegner zeigte sich zufrieden, dass der Bund die Länder und Kommunen mit 3,5 Milliarden Euro bei den Flüchtlingskosten unterstützt. Das sei deutlich mehr als das, was die Bundesregierung noch im Mai angeboten habe. Er hätte sich allerdings mehr gewünscht, sagte der Regierende Bürgermeister. Denn auch diese Summe reiche nicht, um die Kosten komplett zu decken.
Auch die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen kritisierte das Ergebnis am Dienstagabend. Die Behörde schätzt, dass der Bund Berlin im kommenden Jahr mit der neuen Pauschale ca 142 Millionen überweisen wird. Das sei zwei doppelt so viel, wie bisher angenommen, aber wesentlich weniger als die Hauptstadt dieses Jahr erhalten habe. Die ohnehin schwierige Haushaltslage drohe sich zu verschärfen, so eine Sprecherin.
Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) informierte am Dienstag die Landräte und Oberbürgermeister über die gefundenen Kompromisse. Im Oktober hatten die Landkreise und Städte gemeinsam mit Innenminister Michael Stübgen (CDU) vor einer baldigen Überforderung der Kommunen gewarnt und auf mehr Geld vom Bund gehofft.
Er nehme die kommunalen Sorgen sehr ernst, so Woidke und begrüße daher die finanzielle Unterstützung des Bundes. "Bei der finanziellen Beteiligung des Bundes kommen wir zum schon lange geforderten atmenden System. All das ist dringend nötig, um unseren Landkreisen und Kommunen wieder Luft zu verschaffen", sagte er. Dennoch werde man das System weiter verbessern müssen. "Wir arbeiten an weiteren Entlastungen und Verbesserungen, denn trotz aller Maßnahmen zur Verringerung der Migration werden weiterhin Geflüchtete zu uns kommen", so Woidke.
Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen hält weiteres Handeln für erforderlich. So betonte er, dass Menschen ohne Bleibeperspektive "konsequent zur Ausreise gebracht werden" müssten. Dafür sei ihm zufolge ein großes Ausreisezentrum geeignet.
Der Landrat von Oberspreewald-Lausitz, Siegurd Heinze, äußerte sich zufrieden über die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels. Der Vorsitzende des Brandenburger Landkreistages und Landrat von Oberspreewald-Lausitz mahnte am Dienstagmorgen im rbb24 Inforadio zugleich an, dass Geld allein die Probleme nicht lösen werde. Daher fordere man vom Bund, dass dieser sich um weniger Zulauf durch irreguläre Migration bemüht. Die Grenzen müssten gesichert werden. Andernfalls werde es bei Unterbringung, in Kitas, Schulen und bei der medizinischen Versorgung eng werden.
Die Zahl von Menschen, die irregulär über Polen nach Brandenburg kommen, war in den vergangenen Monaten gestiegen. Die Einführung fester Grenzkontrollen hat allerdings nach Angaben von Woidke für einen Rückgang gesorgt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.11.2023, 7 Uhr
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