Fraktionsklausur in Warschau
Die Berliner CDU im Abgeordnetenhaus will am Status Quo des Tempelhofer Feldes rütteln und die Bevölkerung nochmals über eine Bebauung abstimmen lassen. Zudem soll der Hochhausbau in der Stadt forciert werden.
Die Berliner CDU-Fraktion will die Bürgerinnen und Bürger nochmals darüber abstimmen lassen, ob auf dem Tempelhofer Feld gebaut werden soll. "Wir werden eine Volksbefragung zur (Teil-)Bebauung des Tempelhofer Feldes initiieren", heißt es in einem Papier der Regierungsfraktion, das bei einer Klausurtagung in Warschau beschlossen wurde. Damit wird die CDU konkreter als der schwarz-rote Koalitionsvertrag. Dort war nur die Rede von einer "Neubewertung" der Frage durch die Bevölkerung, die 2014 per Volksentscheid mehrheitlich gegen eine Bebauung des Felds gestimmt hatte.
CDU-Fraktionschef Dirk Stettner räumte gegenüber dem rbb ein, rechtlich sei noch unklar, ob die Regierung überhaupt befugt sei, eine Volksbefragung einzuleiten. Die Klärung solle nun schnell passieren, so Stettner. Für den Fall, dass eine Volksbefragung nicht möglich sei, sollten die Berlinerinnen und Berliner durch andere Beteiligungsformate eingebunden werden.
Trotz des Votums von 2014 will der schwarz-rote Senat "die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung in begrenzten Teilen der Fläche ausloten", wie es im Koalitionsvertrag heißt. CDU-Fraktionschef Stettner verteidigte eine erneute Abstimmung im rbb mit dem Hinweis, die Situation sei jetzt eine andere als vor knapp zehn Jahren. "Es gibt ganz neue Bedarfe", so Stettner, Berlinerinnen und Berliner suchten händeringend Wohnungen. In dieser Lage könne man Grundstücke nicht einfach brach liegen lassen, ohne neu nachzudenken.
Im Koalitionsvertrag versprechen CDU und SPD, der "weit überwiegende Teil der Freifläche" auf dem Tempelhofer Feld bleibe für Erholung, Freizeit, Sport und Kultur gesichert. Ein möglicher Wohnungsbau am Rand des Geländes werde nur durch landeseigene Unternehmen sowie gemeinwohlorientierte Genossenschaften erfolgen und solle im Betrieb klimaneutral sein.
Am Dienstag hatte sich der schwarz-rote Senat bereits darauf geeinigt, das sogenannte Tempelhofer-Feld-Gesetz zu ändern. Der Grund: Eine Fläche im Norden des Feldes am Columbiadamm, die bereits heute für eine temporäre Flüchtlingsunterkunft genutzt wird, soll erweitert werden. Die Gesetzesänderung hatte für Kritik gesorgt.
Gegner wie die Initiative "100% Tempelhofer Feld" sagen, dass sich mit der jetzigen Gesetzesänderung eine "Hintertür" öffne, mit der das Tempelhofer Feld doch bebaut werden könnte.
Zugleich wollen die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus den Hochhausbau in der Stadt forcieren. Vor allem am Alexanderplatz, in der City West und entlang des S-Bahn-Rings sollten neue Gebäude entstehen, heißt es in einem Papier, das ebenfalls bei der Fraktionsklausur in Warschau beschlossen wurde und dem rbb vorliegt.
"Wir haben in Berlin sehr begrenzten Raum und möchten nicht immer weiter versiegeln, wir brauchen Grün in unserer Stadt", sagte CDU-Fraktionschef Stettner dem rbb dazu. Trotzdem gebe es viel Bedarf für Wohnungen, Gewerbe, Schulen oder Kitas. Deshalb solle in die Höhe gebaut werden.
Unter dem Motto "Radikal vertikal" lobt die CDU-Fraktion in ihrem Papier den "besonderen Mehrwert" von Hochhäusern, etwa ihren geringen Flächenverbrauch und ihre "im Idealfall identitätsstiftende und stadtbildprägende Wirkung". Außerdem könnten sie dazu beitragen, den Autoverkehr zu reduzieren, wenn sie an ÖPNV-Knotenpunkten stehen. "Wir möchten nicht die ganze Stadt mit Hochhäusern zupflastern", betont Stettner.
Nach den Vorstellungen seiner Fraktion sollte es drei Standort-Schwerpunkte für neue Hochhäuser geben. Der Alexanderplatz könnte mit einer Konzentration von Hochhäusern zu einem "Vorzeigestandort für modernste Architektur" werden, heißt es, in der City West könnte Hochhausneubau unter anderem am Ernst-Reuter-Platz, am Europa-Center und am ehemaligen Wertheim-Standort am Ku'damm entstehen. Standort-Potential sieht die CDU auch dort, wo große Ausfallstraßen den S-Bahn-Ring kreuzen – ihr schwebt ein Hochhausring um das innere Berlin vor.
Genutzt werden sollten die neuen Hochhäuser nach Vorstellung der CDU sowohl für Gewerbe als auch für Wohnraum – inklusive sozialem Wohnungsbau, wie Fraktionschef Stettner betont. Auch Kitas, Schulen und Kulturräume könnten dort untergebracht werden.
Die Idee eines Hochhausentwicklungsplans ist bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag erwähnt. Die CDU-Fraktion fordert den Senat nun auf, einen solchen Plan innerhalb des nächsten Jahres zu beschließen und damit einen verbindlichen Rahmen für den Bau von Hochhäusern vorzugeben.
Aktuell hat Berlin ein sogenanntes Hochhausleitbild, das der rot-rot-grüne Senat 2020 verabschiedete. Darin wurden bewusst keine möglichen Standorte für neue Hochhäuser genannt, aus Sorge davor, damit Grundstücksspekulationen anzuheizen.
"Wir sollten aufhören, uns ständig über alles Sorgen zu machen", kommentiert Stettner dies gegenüber dem rbb. Man müsse ins „Machen kommen“, so Stettner: "Wie soll denn Entwicklung stattfinden, wenn wir keine konkreten Standorte nennen?"
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.11.2023, 18:00 Uhr
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