Samstag in Berlin
Unter strengen Auflagen soll am Samstag eine pro-palästinensische Demo in Berlin-Mitte stattfinden. Es könnte die größte Versammlung dieser Art werden. Die Polizei hat Vorkehrungen getroffen. Von Georg-Stefan Russew
Für einen am Samstag in Berlin-Mitte geplanten Protestmarsch gegen Verbote von pro-palästinensischen Demonstrationen sind vom Anmelder bisher 2.000 Teilnehmende benannt worden.
Mehrere pro-palästinensische Gruppierungen haben zu der Demo unter dem Titel "Demokratische Grundrechte verteidigen: Meinungsfreiheit auch für Palästinenser:innen" aufgerufen. Angemeldet hat diese nach Polizeiangaben eine Privatperson. Es sei nicht auszuschließen, dass die Versammlung mehr Zulauf erhalte, sagte Polizeisprecherin Anja Dierschke dem rbb. "Wir sind auch darauf vorbereitet", fügte sie hinzu.
Hierfür habe die Polizei für die Versammlung einen breiten Auflagenkatalog erlassen, so Dierschke. Unter anderem wurde von der Polizei untersagt, dass von dem Aufzug nichts Gewaltverherrlichendes, nichts Antisemitisches und nichts Antiisraelisches ausgehen darf.
So sind demnach Symbole, Fahnen und Ausrufe sowie das Werben für Hamas, PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und Samidoun untersagt. Ebenso wie der "From the river to the sea"-Ausruf und andere Parolen, die sich gegen das Existenzrecht Israels richten und antisemitisch zu werten sind. Sogenannte Palästinensertücher sowie Palästina-Flaggen seien erlaubt, könnten aber beschlagnahmt werden, wenn sie im oben genannten Kontext "unterstützend" eingesetzt werden.
"Wir werden zudem bis Versammlungsbeginn überprüfen, ob die Auflagen ausreichend sind oder gegebenenfalls durch das Betätigungsverbot von Hamas und Samidoun durch irgendwas ergänzt werden muss", so Dierschke weiter. Die Auflagen seien dem Anmelder bereits bekanntgegeben worden, unterstrich die Polizeisprecherin.
Insgesamt betrachtet geht auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) von einer "sehr dynamischen Lage aus", sagte deren Sprecher Benjamin Jedro dem rbb am Freitag. Denn: "Wir haben mittlerweile ein Konglomerat. Das ist nicht nur eine Organisation, die zum Protest aufruft. Es sind mittlerweile viele und es wird bundesweit mobilisiert", so Jendro weiter.
Unter anderem über soziale Medien haben die Gruppen "Palästina spricht" und die sogenannte "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" für den Protest mobilisiert. "Wir rechnen am Samstag mit einer fünfstelligen Zahl an Teilnehmern", so Jendro.
Die Demo soll am Alexanderplatz am Neptunbrunnen um 14 Uhr starten und über die Karl-Liebknecht-Straße, Humboldt-Forum, Unter den Linden, Friedrichstraße und Leipziger Straße zum Potsdamer Platz ziehen. Bis maximal 19 Uhr soll die Versammlung laut Polizei laufen.
Die aufrufenden Gruppen sind nach Angaben des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, nicht unproblematisch. "Die 'Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost' kommt auf den ersten Blick erstmal nicht aggressiv daher. Sie haben aber Sympathien für die BDS-Bewegung", so Klein.
BDS steht für die Abkürzung "Boycott, Divestment and Sanctions". Es handelt sich um eine transnationale politische Kampagne. Führende BDS-Vertreter bestreiten offen das Existenzrecht Israels und wollen diesen Staat abschaffen. "Und die Gruppe 'Palästina spricht' hat zumindest direkte Kontakte zu Hamas-Sympathisanten", so Klein.
Klein äußerte großes Zutrauen in die Arbeit der Berliner Polizei und der Ordnungsbehörden. Gerade in den vergangenen Wochen nach dem Terror-Anschlag der Hamas am 7. Oktober in Israel hätten die Behörden die Situation mit vielen Demonstrationen in der Bundeshauptstadt sehr gut im Griff gehabt, vor allem wenn man das mit anderen Ländern vergleiche.
Das Betätigungsverbot für Samidoun und Hamas in Deutschland erhöhten zudem noch die Rechtssicherheit, dass die Polizei das Demonstrationsgeschehen im Griff behält, so Felix Klein weiter. Im Zweifel könne mit dem Verbot eine Versammlung schneller abgebrochen und aufgelöst werden. Aber mit Blick auf die letzten zwei Wochen liege laut Klein die Vermutung nahe, dass es zur Eskalation kommen könnte. Die genannten Vereinigungen hätten Kontakte in Milieus, die hochaggressiv agierten und dies möglicherweise ausnutzten, um die Stimmung anzuheizen, so Klein.
Am vergangenen Samstag hatten sich nach Polizeiangaben knapp 11.000 Menschen in Berlin an einer pro-palästinensischen Demonstration beteiligt. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte zuvor mit Blick auf den Nahost-Konflikt das Recht auf Versammlungen in der Stadt bekräftigt.
Auch für pro-palästinensische Demonstrationen gelte die Versammlungsfreiheit, "so man keine Straftaten verübt", sagte Slowik dem rbb. Von 35 pro-palästinensischen Versammlungen, die zwischen dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem 27. Oktober der Polizei angezeigt wurden, seien 17 untersagt worden, sagte Slowik.
Die Berliner Polizei will am Samstag mit rund 1.000 eigenen Polizeikräften in den Einsatz gehen. Hierzu sind laut Dierschke auch Kräfte enthalten, die im gesamten Stadtgebiet unterwegs seien und entsprechende Einrichtungen schützten.
Die Berliner GdP hätte sich überdies gewünscht, wenn die Berliner Polizei aus anderen Bundesländern personelle Unterstützung bekommen hätte. Wenn die pro-palästinensische Szene bundesweit mobilisiere, müsste dies auch für die Polizeien gelten", so Landeschef Stephan Weh am Freitag.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.11.2023, 15 Uhr
Beitrag von Georg-Stefan Russew
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